Am 18. April hatten Mitglieder der militant-faschistischen „Aktionsgruppe
Kiel“, die sich selbst als „nationale Sozialisten“ bezeichnen, beabsichtigt,
auf dem Alfons-Jonas-Platz in Kiel-Gaarden eine Kundgebung abzuhalten. Das
organisierte Auftreten von Nazis, die u.a. mit Hetze und Gewalt gegen Menschen
mit Migrationshintergrund auftreten, wird gerade in diesem Kieler Stadtteil von
vielen Menschen als eine unerträgliche Provokation empfunden. Entsprechend
breite Zustimmung fand der Aufruf, gegen das Auftreten der Nazis zu
protestieren und es wenn möglich zu verhindern.
Am Vormittag wurde deutlich, dass die Polizei die Kundgebung der Faschisten mit
allen Mitteln durchsetzen wollte. Polizeibeamte entfernten Plakate, die zum
antifaschistischen Protest aufriefen, von Wänden und Anschlagsäulen. Ein
massives Polizeiaufgebot wurde zusammengezogen. Eine antifaschistische
Spontandemonstration, die am Bahide-Arslan-Platz ihren Anfang nahm und sich
durch die Elisabethstraße in Richtung Alfons-Jonas-Platz bewegen wollte, wurde
an der Kreuzung Kieler Straße gestoppt.
Die Faschisten kamen dann doch nicht nach Gaarden. Einer Gruppe von etwa 30
Nazis, die sich am Hauptbahnhof versammelt hatte, wurde von der Polizei verwehrt,
in geschlossenem Zug über die Hörnbrücke zu marschieren – angesichts des
sichtbar starken Widerstandswillens der Bevölkerung eine kluge Entscheidung.
Verschiedene Angebote der Polizei, die Faschisten durch andere Straßen
demonstrieren zu lassen (!), lehnten diese ab. Wenig später zogen die Nazis in
kleineren Gruppen durch die Straßen Kiels, um sich schließlich gegen 14 Uhr in
der Nähe des Rathausplatzes wieder zu vereinigen.
Ein bereits vor Wochen angemeldeter Informationsstand des Runden Tisches gegen
Rassismus und Faschismus befand sich auf dem Asmus-Bremer-Platz. Die
Faschisten, die zumindest zum Teil mit Holzknüppeln bewaffnet waren, sammelten
sich in der Willestraße. Dann liefen sie in Richtung Fleethörn auf den Platz
zu, offensichtlich um den Stand der AntifaschistInnen zu stürmen. Zu diesem
Zeitpunkt hatte auf dem Platz bereits ein alternatives Straßenfest begonnen.
Inzwischen hatten sich auch zahlreiche antifaschistisch gesinnte Menschen im
Umfeld unseres Informationsstandes versammelt. Dem schnellen und geschlossenen
Handeln vieler AntifaschistInnen, die sich den Nazis in den Weg stellten,
ist es zu verdanken, dass es diesen nicht gelang sich den Zugang zum Platz zu
erzwingen. Stattdessen schlugen sie einen völlig unbeteiligten Menschen zusammen
und verletzten ihn so schwer, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden
musste.
Kurze Zeit später fuhren aus mehreren Richtungen Polizeifahrzeuge auf den
Platz, Polizisten mit Schlagstöcken in der Hand sprangen heraus. BeamtInnen mit
Hunden liefen mit den Tieren, die keinen Maulkorb trugen, auf in der Nähe
stehende Menschen zu. Ein Antifaschist wurde in den linken Arm und in den
Unterleib gebissen. Das erklärte Ziel des Einsatzes war es nach
AntifaschistInnen zu suchen, die bei der Abwehr des Nazi-Überfalls Faschisten
geschlagen haben sollen. Tatsächlich wurden später vier Menschen mit dieser
Begründung zur erkennungsdienstlichen Behandlung ins Polizeirevier Gartenstraße
abtransportiert.
In der Bewertung der Vorfälle dieses Tages ist zunächst hervorzuheben, dass in
kürzester Zeit viele Menschen zusammengekommen sind, um der Nazi-Provokation
entgegenzutreten und sich dabei auch von dem massiven Polizeiaufgebot, das zum
Schutz der Faschisten zusammengezogen worden war, nicht abschrecken liessen.
Dieser Widerstand wird weitergehen, die Nazi-Banden werden ihr selbst gestecktes
Ziel, Kiel im von ihnen so genannten „Kampfjahr“ 2009 wieder zu einer
faschistischen „Frontstadt“ zu machen, nicht erreichen.
Die Nazis wiederum haben erneut demonstriert, dass sie ihre politischen Ziele
mit der Einschüchterung andersdenkender und -lebender Menschen auch unter
Einsatz brutaler Gewalt durchsetzen wollen. Da die Gewalt nicht erst beim
Einsatz von Knüppeln beginnt, sondern bereits mit ihrer faschistischen
Propaganda, darf es auch für sie keinen Schutz geben. Faschismus ist keine
Meinung, sondern ein Verbrechen – unter dieser Losung werden wir allzeit jedem
Auftritt der Nazis in Kiel Widerstand leisten.
Ein Skandal ist es, dass selbst den sich offen zum Nationalsozialismus
bekennenden Gewaltverbrechern wie Peter von der Born, Daniel Zöllner, Daniel
Gericke und anderen mit ihrer „Aktionsgruppe Kiel“, die eng mit der örtlichen
NPD verflochten ist, der Schutz der Staatsgewalt gewährt wird, indem das
Vorgehen der Polizei gegen AntifaschistInnen immer brutaler wird. Der Einsatz
bissiger Hunde, der in Kiel offenbar zu Normalfall werden soll, ist ein
Beispiel dafür.
Wir erneuern unsere Aufforderung an die politisch Verantwortlichen in unserer
Stadt:
• Lassen Sie faschistische Versammlungen nicht mehr zu!
• Unterbinden Sie die unverhältnismäßigen und unverantwortlichen
Polizeieinsätze gegen Antifaschistinnen und Antifaschisten!
• Unterstützen Sie stattdessen die Arbeit des Runden Tisches gegen Rassismus
und Faschismus.
Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus in Kiel ruft die Bevölkerung
unserer Stadt zu erhöhter Wachsamkeit gegen die Nazi-Umtriebe auf.
• Mit weiteren Gewalttaten ist zu rechnen – seid wachsam und setzt euch zur
Wehr!
• Tragen Sie bei zur Verwirklichung unserer Losung: Dies ist unsere Stadt! Hier
ist kein Platz für Nazis!
Für den Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel:
Bettina Jürgensen – Dietrich Lohse (SprecherInnen)