Jung und unten gehalten

Am 5. April hat die Vodafone-Stiftung die Ergebnisse einer Jugendstudie veröffentlicht, die in ihrem Auftrag durchgeführt wurde. Hierfür wurden über 2.000 Personen zwischen 14 und 24 Jahren befragt, der Durchführungszeitraum liegt im September letzten Jahres und somit vor dem Angriffskrieg auf die Ukraine sowie größtenteils vor der Bundestagswahl. Die hohe Teilnahme lässt darauf schließen, dass die Studie repräsentativ für Jugendliche in Deutschland ist und Aufschluss über die Stimmung unter Jugendlichen gibt.

Kein Einblick…

Die Studie beschäftigt sich unter anderem mit dem politischen Interesse unter Jugendlichen. Hier geben 64 Prozent an, interessiert bis sehr interessiert zu sein. Die Studie schlüsselt die Werte auch nach Bildungsstand auf: So ist derselbe Wert unter Jugendlichen mit „formal hoher Bildung“ bei 82 Prozent, bei mittlerer bei 64 Prozent und bei niedriger bei 51 Prozent. Bedenkt man, dass Jugendliche mit mittlerer oder niedriger Bildung vor allem diejenigen aus Arbeiterfamilien sind, die auch selbst lohnabhängig sind oder werden, zeichnet sich hier schon ein klares Bild ab: Klassenstand und politische Interessiertheit hängen zusammen. Dass Jugendliche ohne höhere Bildung sich als weniger interessiert bezeichnen, könnte auch daran liegen, dass die einen schlechteren Zugang haben. Formal hoch gebildete Jugendliche sagen nur zu 30 Prozent, dass ihnen schwer fällt zu verstehen, wie Politik in Deutschland funktioniert. In der niedrigen Bildung sind es 62 Prozent. Diese Zahlen sind nicht überraschend. Auch in vielen fortschrittlichen Organisationen merkt man oft, dass Jugendliche, denen es materiell besser geht, sich auch eher politisch interessieren. Für sie scheint die Politik nicht so unerreichbar, sie haben Zeit und Mittel, um sich damit auseinanderzusetzen. Dabei sind es eher die anderen, die selbst negativ von der Politik betroffen sind. Auch in der Studie geben von den Jugendlichen mit niedriger Bildung 53 Prozent an, unzufrieden damit zu sein, wie Demokratie in Deutschland funktioniert. Bei der hohen Bildung sind es nur 36 Prozent.

keine Handlungsoptionen…

Auch in den wahrgenommenen Handlungsoptionen schätzen sich die Jugendlichen unterschiedlich ein. Nur 23% derjenigen mit niedriger Bildung geben an, Politik beeinflussen zu können. Bei höherer Bildung sind es immerhin 40 Prozent. Grundsätzlich scheint es jedoch Unzufriedenheit mit dem System zu geben: 58 Prozent stimmen der Aussage zu, dass sich nichts ändert, egal wer regiert. Und auch der Einfluss junger Menschen auf die Politik wird als gering wahrgenommen.

keine Perspektiven

All dies scheint dazu zu führen, dass junge Menschen eher pessimistische Aussichten auf die Zukunft haben. Dass es zukünftigen Generationen mal besser geht glauben nur 8 Prozent, für das Jahr 2050 prognostiziert eine deutliche Minderheit soziale Gerechtigkeit, Lösungen für den Klimawandel oder ein gutes Bildungssystem.

Die Studie zeigt, dass junge Menschen heute ein schwindendes Vertrauen in die bürgerlich-demokratische Gesellschaft haben. Dies überrascht nicht, wenn man sich anschaut, wie die Jugendbewegungen der letzten Jahre abgespeist und vertröstet wurden – man musste am eigenen Leib erfahren, dass dieses System keine Lösungen bereithält. Spannend bleibt, wie sich die Meinungen in Zukunft ändern, wenn auch die neue Regierung eine Weile an der Macht ist. Als Lösung ist in der Umfrage nämlich am beliebtesten, mehr junge Politiker im Amt zu haben. Der neue Bundestag beheimatet auch viele jüngere Politiker und die Ampel hat explizit mit den Interessen junger Menschen geworben. Die Erkenntnis, dass diese augenscheinliche Verjüngung die Interessen von jungen Menschen nicht automatisch umsetzt, dürfte längst eingesetzt haben. Unseren Anliegen Gehör verschaffen können wir nur selbst – und für unsere Interessen müssen wir Druck aufbauen. Denn wachsender Unmut ist auch immer eine Voraussetzung für wachsenden Widerstand.

HL