Wie man in Deutschland durch die Hilfe von
Lebensmitteltafeln satt wird
In Deutschland wandern täglich Tonnen von Lebensmitteln auf
den Müll, die noch genießbar sind. Gleichzeitig gibt es immer mehr Harz IV-
Empfänger, Kinder, die hungrig in die Schule gehen und hungrig zusehen müssen,
wie andere ihr Pausenbrot und ihr Kantinenessen zu sich nehmen. 800
Lebensmitteltafeln gibt es in Deutschland, die inzwischen wöchentlich fast eine
Million Menschen mit Waren aus der Überproduktion der Lebensmittelbranche
versorgen – mit steigender Tendenz. Die Mitglieder der Tafelvereine bringen
sich mit sehr viel Engagement selbstlos ein, um Lebensmittel vor der
Vernichtung und Menschen vor dem Hunger zu bewahren. Der Autor sieht es
kritisch, dass die Tafelmitarbeiter viel Selbstbestätigung aus der Arbeit in
den Tafeln ziehen. Daher sind sie nicht so interessiert an der Änderung der
Verhältnisse, die ganze Bevölkerungsschichten in den sozialen Abstieg treiben.
Sie wollen eher noch ihr Angebot ausweiten mit kulturellen Angeboten, Kleidung
usw. für Arme. Am Ende stünde ein Paralleluniversum der Armen, Ausgegrenzten
und Überflüssigen, die in der Arbeitswelt nicht mehr gebraucht werden, neben
der Welt derer, die noch gebraucht werden, mehr oder weniger im Wohlstand leben
und Angst haben vor Absturz und Arbeitslosigkeit. Zwar bemühen sich die
Mitarbeiter der Tafeln, die Empfänger der Lebensmittel als Kunden zu behandeln,
trotzdem sind sie durch die Nutzung der Tafelläden ausgegrenzt. Sie stehen oft
stundenlang bei jedem Wetter auf der Straße, aus Angst, nicht mehr genügend
Lebensmittel zu bekommen. Der Kunde als König sieht anders aus als diese
Menschen in der Schlange. Dadurch, dass die Kunden in Karteien geführt werden,
wäre es auch leicht möglich, die Vorteile der Lebensmittelversorgung durch die
Tafeln bei den staatlichen Zuwendungen abzuziehen. Solche Bestrebungen werden
durchaus angedacht, um zu testen, wie groß der Protest wäre. Der Autor hat
Recht, die Tafeln tun nichts, um am kapitalistischen System etwas Grundlegendes
zu ändern. Sie versuchen, die offensichtliche Not zu lindern, wo sie es mit
ihren Mitteln können. Dass Millionen Tonnen genießbarer Lebensmittel vernichtet
werden, während gleichzeitig Millionen Menschen hier und in aller Welt hungern,
ist ein Skandal. Dass alle Menschen ein Recht auf ein Leben in Würde, Arbeit
und Auskommen haben – das zu verwirklichen, kann man nicht von den
Tafelvereinen erwarten – es ist Aufgabe von uns allen.
-im-
Selke, Stefan: Fast ganz unten, Verlag Westfälisches
Dampfboot, 2008, ISBN 978-3-89691-754-6, 231 Seiten, 19,90 Euro
Infos zum Buch, zu Tafelläden, Videos und Fotos unter
www.tafelforum.de