Liberale Jugend?


Jung und schnittig gibt sich die FDP. Sie spricht die vim Kapital erzogenen Egos an. Karikatur von Guido Kühn; www.guidos-welt.de; vielen Dank!

Wer sich genauere Aufschlüsselungen der Ergebnisse zur Bundestagswahl angeschaut hat, dem wird nicht entgangen sein, dass besonders zwei Parteien bei jungen Wählern von 18 bis 24 besonders gut abgeschnitten haben: Grüne und FDP.

Mit 23% der Stimmen haben die Grünen bei Jungwählern den größten Anteil. Dies mag für viele nicht überraschend kommen, war doch das Thema Umwelt besonders in der Jugend mit Fridays for Future in den letzten Jahren prominentes Thema. Dass die grüne Partei sich im Wahlkampf besonders geschickt als Umweltpartei dargestellt hat, ist auch offensichtlich, somit war abzusehen, dass viele junge Menschen sich für die Grünen entscheiden würden. Weniger eindeutig ist der Grund für den Erfolg der FDP, die knapp danach mit 21% den zweiten Platz abräumt. 2013 noch fast an der 5%-Hürde gescheitert scheint die Partei jetzt vor allem bei jungen Menschen auf dem aufsteigenden Ast zu sein. Woran liegt das?

Warum die FDP?

Wirft man zuerst einmal einen Blick auf die Wahlkampfstrategie, dann wird klar, dass die FDP im Alltag jüngerer Menschen in den letzten Monaten vermutlich eine größere Rolle gespielt hat als viele andere Parteien. Warum? Sie macht sich soziale Medien zu Nutze, und dies nicht nur auf Facebook und Instagram, sondern zum Beispiel auch auf TikTok, wo vor allem junge Liberale reihenweise Kurzvideos über das angeblich so fortschrittliche Wahlprogramm sowie Christian Lindner als „Wunschkanzler“ posteten. Neben den Inhalten, die dabei in den Vordergrund gestellt werden, spielt gerade der Parteivorsitzende eine große Rolle. Er ist in Reihenweise Videos zu finden, beispielsweise in Handyaufnahmen von jungen Fans oder Youtube-Interviews. Durch diese Inszenierung Lindners sowie die Präsenz der FDP-Forderungen und Materialien in sozialen Medien dürfte die Partei bei jungen Menschen besonders angekommen sein.

Aber natürlich ist nicht nur die Methode ausschlaggebend, sondern auch die Inhalte, mit denen die Partei sich schmückt. Schlagworte wie „Innovation“, „Freiheit“ und „Fortschritt“ stehen hier im Vordergrund. Gras soll legalisiert werden, aber auf keinen Fall ein Tempolimit. Man setzt in allen Bereichen auf die Leistungsstärke des einzelnen, und das scheint anzukommen. Dazu noch ein paar Forderungen für mehr Bildungsgerechtigkeit (die die Partei in der Vergangenheit vehement bekämpfte, wie sie zum Beispiel bei Abstimmungen zu Schulreformen und Ausbildungsgesetzen zeigte) und zur Digitalisierung, fertig ist das Paket, mit dem die Jugend nach der Wahl richtig durchstarten kann.

Dass die FDP mit solchen Forderungen bei jungen Menschen gut ankommt ergibt spätestens auf den zweiten Blick Sinn. Denn der Gedanke der Freiheit des Individuums, dass jeder es schaffen kann, der sich genug anstrengt, die ist vor allen Dingen für eine Generation verlockend, die von Vereinzelung und Konkurrenz zumindest teilweise geprägt ist. Während natürlich durch Werbung und Popkultur Reichtum und Erfolg gepredigt werden ist die junge Generation auch in hohem Maße durch neoliberale Erzählungen in Politik und Kultur geprägt. Starker Individualismus wird an allen Ecken und Enden gefördert und fängt schon beim auf Konkurrenz beruhenden Schulsystem an. Wenn eine Partei sich als Alternative präsentiert, mit der jeder es schaffen kann, dann knüpft sie genau an dieses weit verbreitete Bewusstsein an. Natürlich steht diese Erzählung in direktem Widerspruch zur Realität, in der der Erfolg der Wenigen im Kapitalismus auf der Armut und Ausbeutung der Vielen beruht. Dass dieses Verhältnis in den letzten Jahren und auch in Zukunft nur zu noch schärferen Unterschieden zwischen Arm und Reich führt, wird die FDP mit ihrem Wahlprogramm nicht verlangsamen, sondern beschleunigen. Doch wenn eine Partei in ihrer Erzählung als Antwort auf die sich zuspitzenden Probleme der Jugend in Aussicht stellt, dass man selbst zu den Gewinnern dieses Systems zählen könnte, dann fällt dieser Gedanke auf fruchtbaren Boden.

Die Enttäuschung wird kommen

Sowohl FDP als auch die Grünen haben zudem als „Alternative“ zur bestehenden Politik Wahlkampf betrieben – und das glaubwürdiger als SPD oder CDU, die die letzten Jahre direkt Verantwortung für die Politik getragen haben. Zumindest der Drang nach einer Veränderung scheint groß zu sein. Hierfür wird Hoffnung in die Parteien gesteckt, die genau auf diese Hoffnungen im Wahlkampf spekulieren, nur um dann vier Jahre lang in Regierungsverantwortung die Zukunft der Jugend weiter zu verschlechtern. Da beide Parteien aller Voraussicht nach die nächsten vier Jahre regieren werden, dürfte vor allem für viele junge Menschen in dieser Zeit eine bittere Enttäuschung stattfinden – denn in diesem System können nun einmal nicht alle gewinnen.

H.L.

 

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