In ihrer letzten Ausgabe vor ihrer Sommerpause macht sich
die UZ, die Zeitung der DKP, grundlegende Gedanken, wie es in Afghanistan
weitergehen soll. Dazu führte sie ein ganzseitiges Interview mit Dr. Matin
Baraki, der von der UZ als Afghanistan-Experte vorgestellt wird. Baraki war
Mitglied der mittlerweile aufgelösten DVPA (Demokratische Volkspartei
Afghanistans), die als angebliche „kommunistische“ Partei in Afghanistan
regierte und 1979 sowjetische Truppen ins Land holte. Nach einem langen,
grausamen Krieg zogen sich diese zurück und überließen ihre Freunde von der
DVPA ihrem Schicksal, das bedeutete oftmals der Ermordung durch die
Mudschaheddin.
Es ist interessant, was Matin Baraki und die UZ als
„Bruderpartei“ der DVPA daraus gelernt bzw. nicht gelernt haben.
Baraki, der für den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan
war, ist natürlich gegen den Einmarsch der USA. Er sagt im Interview: „Die afghanische Wirtschaft wurde nach 2001
von den Besatzungsmächten zerstört.“ Wir stimmen ihm zu. Allerdings stimmen
wir ihm nicht zu, wenn er über die Zerstörungen durch die sowjetischen Truppen
und deren Krieg schweigt, der Afghanistan destabilisiert und ins Chaos gestürzt
hat. Erst durch diesen Krieg ist Afghanistan in die Hände der von den USA
ausgerüsteten und finanzierten Mudschaheddin und Taliban geraten. Erst dadurch
ist eine Situation entstanden, in der Afghanistan von den westlichen
imperialistischen Staaten überfallen werden konnte.
Weiter bedauert Baraki, dass die Kräfte um den ehemaligen
afghanischen König, Mohammed Zahir Schah „vom
amerikanischen Botschafter in Kabul ‚rausgeboxt’“ wurden. Er beklagt: „Die Europäer wollten diesen Kräften eine
wichtige Rolle geben, aber die USA wollten das nicht.“
Wollen die UZ und Matin Baraki wirklich um den politischen
Einfluss des afghanischen Königs trauern?
Matin Baraki gibt selbst das völlige Scheitern seiner
ehemaligen revisionistischen Partei zu:
„Die DVPA hat einen
großen Fehler gemacht. Nachdem sie die Macht 1992 an die Mujaheddin übertragen
hat, ist die Parteiführung einfach abgetaucht. Statt einen geordneten Parteitag
einzuberufen, die Parteikrise zu diskutieren und gegebenenfalls eine andere
Führung zu wählen, haben sie nichts getan. Dadurch sind die Parteistrukturen
einfach zusammengebrochen.“
Es zeigt, wie ernst solche Leute, die sich Kommunisten
nennen, ihre Verantwortung gegenüber dem Volk nehmen. Wir sind nicht mehr an
der Macht und haben keine Pöstchen mehr? Na gut, dann lösen wir uns einfach im
Chaos auf und verschwinden von der Bildfläche. Baraki redet bis heute von der „afghanischen Revolution“, die angeblich
von dieser heldenhaften Truppe geführt wurde. Er greift heute noch die
fortschrittliche Frauenorganisation RAWA an, sie habe „gegen die afghanische Revolution gekämpft“, weil sie gegen die
sowjetische Besatzung Afghanistans gekämpft hat. Tolle Revolutionäre, die nur
mit der Waffengewalt einer Großmacht herrschen und kläglich im Nichts
verschwinden, wenn sie auf sich gestellt sind.
Da erscheint es nicht mehr verwunderlich, wenn Baraki und
die UZ nun den afghanischen König bewundern. Der hat seinen Kampf um Macht und
Einfluss immerhin nicht aufgegeben.
Doch es kommt noch schlimmer. Baraki ist anscheinend völlig
demoralisiert und sieht keinerlei Hoffnung mehr für Afghanistan und das Volk.
Und die UZ sieht das anscheinend ebenso. Denn ohne jede Kritik und Widerspruch
kann Baraki Folgendes vertreten:
„UZ: Und was ist mit den
Kräften im Lande, wie den Mujaheddin, die Kabul zerstört haben? Sollen die
straffrei ausgehen?
Matin Baraki: Das
Problem ist, dass sie heute ein Faktor im politischen Leben sind. Wir können
sie nicht umbringen. Wir müssen das akzeptieren.
UZ: Müsste man nicht
wenigstens die Hauptkriegsverbrecher zur Verantwortung ziehen und gleichzeitig
eine nationale Versöhnung einleiten?
Matin Baraki:
Richtig. Ich plädiere für eine nationale Versöhnung, für eine
Wahrheitskommission. Nach dem Muster von Südafrika. Diese Leute sollen sich vor
dem Volk entschuldigen. Es gibt viel zu viel Verbrechen und viel zu viel
Verbrecher. Wer das alles bestrafen will, provoziert den nächsten Bürgerkrieg.
Warlords,
Kriegsverbrecher und Heroinbarone sind Fakt und bekleiden hohe Posten in allen
Bereichen der afghanischen Administration. Das ist ein Produkt des
Bürgerkrieges mit massiver Unterstützung von außen – vor allem der USA und der
Nato-Länder. Auch die Taliban sind ein Fakt. Aber alle diese Gruppierungen
müssen wir in die zukünftige politische Struktur Afghanistans integrieren.“
Matin Baraki ist also für Straffreiheit für alle die
Kriminellen, die heute in Afghanistan das Land dem Imperialismus zur
Beherrschung und Ausplünderung überlassen. Diese sollen sich nur
„entschuldigen“ und der angebliche Kommunist Baraki vergibt ihnen. Und er will
eine Versöhnung mit Warlords, Kriegsverbrechern und Heroinbaronen! Ja sogar: „alle diese Gruppierungen müssen wir in die
zukünftige politische Struktur Afghanistans integrieren.“
Baraki ist bereit mit den übelsten Kreaturen des
Imperialismus zu paktieren, nur um wieder etwas Macht für seine gescheiterten
Revisionisten zu erlangen. Und da eine solche Regierung von Banditen im Volk
sicher auf wenig Gegenliebe stoßen würde, will Baraki die weitere Besetzung
Afghanistans – nicht unter der NATO, sondern unter einer „Schutztruppe“:
„Nach meiner
Vorstellung sollte die Nato abziehen und eine Schutztruppe der
nichtpaktgebundenen Staaten – Afghanistan ist da Mitglied – und der islamischen
Staaten einziehen lassen… Die sollen dann für die Sicherheit sorgen und
gegebenenfalls auch ein ‚robustes Mandat’ erhalten.“
„Robustes Mandat“ ist die beschönigende Redeweise aller
imperialistischen Großmächte für einen bewaffneten, gewaltsamen Einsatz. Auch
die Bundesregierung verwendet für die Verschleierung des Einsatzes der
Bundeswehr zum Krieg gegen das afghanische Volk und zum Schutz der
Drogenbarone, Warlords und Kriegsverbrecher diesen honigsüßen Begriff des
„robusten Mandates“. UZ und Baraki befinden sich da in bester Gesellschaft.
Es ist ernüchternd zu sehen, was die DKP und ihre
„afghanischen Brüder“ aus der Geschichte gelernt haben: Nichts! Sie verfolgen
ihre alte Politik des Stützens auf Großmächte, des Intrigierens gegen die
Völker. Statt für das uneingeschränkte Recht auf Selbstbestimmung und den
völligen und bedingungslosen Abzug aller ausländischen Truppen einzutreten,
propagieren sie eine „Versöhnung“ mit den Kräften des Imperialismus. Sie wollen
die USA schwächen und das imperialistische Europa über die monarchistischen
Kräfte mehr ins Spiel bringen. So biedern sie sich dem Imperialismus an und
bringen den Sozialismus und Kommunismus weiter in Misskredit.
dm
Das komplette Interview steht unter: http://www.dkp-online.de/uz/4029/s0301.htm