Anschlag, ein Wirtschaftskollaps, ein Krieg, eine Flutwelle, ein Hurrikan –
katapultiert die gesamte Bevölkerung in eine Art kollektiven Schockzustand. Die
fallenden Bomben, die brutalen Terror-Attacken, die tosenden Stürme dienen
dazu, ganze Gesellschaften zu zermürben – genau wie dröhnende Musik und Schläge
in Folterkammern Gefangene zermürben. Und so, wie der terrorisierte Gefangene
die Namen von Kameraden preisgibt und seine Überzeugungen verleugnet, geben
schockierte Gesellschaften ihre Werte und Überzeugungen auf, die sie sonst
entschlossen verteidigen würden.
Naomi Kleins „Schock-Strategie“ ist eine hochinteressante
Analyse des Imperialismus aus der Sicht einer „Nichtmarxistin“. Begriffe wie „Katastrophen-Kapitalismus“
oder „Schocktherapie“ stammen wahrhaftig nicht aus der Feder von Marx oder
Engels, sind aber eindeutig Erscheinungsmerkmale der Kapitalistischen
Weltordnung. Das Zerstören und Neuordnen zu Gunsten der herrschenden Klasse ist
nichts neues. Klein analysiert recht gründlich Ereignisse, die uns allen
bekannt sind. Etwa die „Reform“ des Bildungssystems nach der Jahrhundertüberflutung
in New Orleans, wo von 123 öffentlichen Schulen ganze vier übrig blieben. Auch
sonst findet man in dem Buch zahllose Beispiele aus Chile, Argentinien,
Uruguay, Brasilien, China und Russland, die eine radikale neoliberale Reformwut
nach militärischen oder sonstigen Eingriffen auf Gesellschaftsordnungen
belegen. Die Stärke des Buchs liegt in der Fülle des zusammengetragenen
Materials, das jedem Menschen Einblick in die perverse Machtstrategie des
Imperialismus gibt und so Grundlagen vermittelt, die sehr nützlich sind, wenn
es darum geht, anderen Menschen die Augen zu öffnen.
S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2007
ISBN 3100396111
Gebunden, 763 Seiten, leider stolze 22,90 EUR
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