„Gut, das ist der Pfennig, aber wo ist die Mark?…“ Kurt Tucholski 1928
Recht rasch – aber nicht ganz unerwartet – kam letztes Wochenende (24./25.10.) eine Tarifeinigung zwischen Ver.di und Bund und den Kommunen zustande.
Ver.di hatte für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst 4,8 % Entgelterhöhung, mindestens 150,- € und eine Anhebung der Ausbildungsvergütung um 100,- € gefordert, und das bei einer Vertragslaufzeit von 12 Monaten.
Trotz großer Kampf- und Streikbereitschaft sieht der Abschluss – wie leider gewohnt: – ganz anders aus: zunächst einmal gibt es bis 1. April 2021 gar nichts, ab April 2021 dann 1,4%, mindesten 50,- € – und ab April 2022 weitere 1,8% – diesmal dann ohne Mindest-Festgeldbetrag. Die Laufzeit geht bis 31. Dez. 2022, also 28 Monate!
Schlaumeier sehen darin eine Entgelterhöhung um 3,2%. Rechnet man aber die Wartezeit bis 1. April 2011 ohne Erhöhung und dann die stufenweise Erhöhung auf die lange Laufzeit um, dann ergibt sich aber gerade mal die Hälfte, 1,6%. Das gleicht weder die Teuerung noch den Produktivitätszuwachs aus, die während der Vertragslaufzeit bekanntlich gar nicht daran denken, auf dem gleichen Niveau stehen zu bleiben!
Dafür gibt es “Corona-Prämien“: einmalig 600,- , 400,- ,300,- für die Zeit von Sept. 2020 bis März 2021, also über 7 Monate; die höheren Prämien für die unteren Einkommen, 400,- für die mittleren und 300,- für die oberen Einkommen. So soll wohl die „soziale Gerechtigkeit“ zur Geltung kommen.
Der Haken dabei: die Prämien fließen nicht in die Entgelttabellen ein, sind also bei der nächsten Tariferhöhung nicht tabellenwirksam!
Auszubildende bekommen eine Einmalzahlung (Sonderzahlung) von 225,- bzw. 200,- € für die Zeit bis zum 31, März 2021, dann 25,- mehr am 01.04.2021 und dann noch 25,- € am 01.04.2022.
Zum Vergleich die Forderung von Ver.di zum Verhandlungsergebnis – wenn man die oben genannten „Corona-Prämien“ weglässt:
aus 4,8 % Entgelterhöhung für 1 Jahr wurden ca. 1,6 % auf 2 Jahre und 4 Monate,
aus 150, – € Einmalzahlung wurden 50,- € (ein Drittel)
aus + 100, – € Ausbildungsvergütung wurden 25,- € (ein Viertel), wenigstens für die ersten 1 ½ Jahre.
Das ist jedenfalls weit weg von dem, für das die KollegInnen und Kollegen im öffentlichen Dienst in Warnstreik getreten sind.
Für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, denen von Seiten der Regierenden große Versprechungen von „Anerkennung“ gemacht worden sind. Sie sind ja durch die Corona-Pandemie besonderen Belastungen ausgesetzt. Für sie gibt es folgende Zulagen:
70,- € pro Monat ab 1. März 2021, 120,- € ab 1. März 2022;
Intensivzulage 100,- € ab 1. März 2021 (bisher 46,02 €);
Wechselschicht-Zulage 155,- € ab 1. März 2021 (bisher 105 €).
Nicht für alle „Heldinnen und Helden
Außer den entgeltlichen Tariferhöhungen wurde – und das kann man durchaus als gewerkschaftlichen Erfolg werten – die wöchentliche Arbeitszeit der Beschäftigten im Tarifgebiet Ost von 40 Stunden auf 38,5 Stunden auf „Westniveau“ gesenkt. Das allerdings auch wieder über einen Zeitraum bis zum 1. Januar 2025, also über mehr als 4 Jahre.
Außen vor blieben bei diesem Abschluss die Beschäftigten in privaten und kirchlichen Kliniken und Pflege-Einrichtungen. Hier entfalten ein geringer Organisationsgrad und der tarifliche „Häuserkampf“ Klinikzentrum für Klinikkonzern seine schwächende Wirkung.
Noch keinerlei Abschluss im ÖPNV!
Außerdem weigern sich die Arbeitgeber dieses Jahr, diesen Abschluss wie bisher üblich, in den Bereich des kommunalen öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV – Busse, Straßenbahnen, U-Bahnen u. ä.) zu übernehmen. Hier ist also noch gar kein Tarifvertrag erreicht. Folglich geht der Kampf hier auch weiter, einschließlich Streiks und Aktionen. Allerdings scheinen die Aktionen mit „gebremsten Schaum“ zu laufen. So liefen am Donnerstag und Freitag (29/30. Oktober 2020) z.B. in Stuttgart nur Streiks in den „Service-Bereichen“ (Werkstätten, Verkaufsschaltern, Verwaltungen), die Bahnen und Busse fuhren.
Unter „Corona-Bedingungen“ steuert die Ver.di-Führung einen zunehmenden Kooperationskurs. Bei den ÖPNVlern geht es hauptsächlich nur noch darum, dass die bereits getätigte Einigung auch für sie gilt. Umso wichtiger für alle kämpferischen Kolleg/innen:
Weiter Solidarität üben!