3. Oktober: Es gibt nichts zu feiern – aber viele Gründe zu kämpfen!

Wie sah es damals aus in der DDR, als sie noch ein sozialistischer Staat war, auf den sich die Hoffnungen und Blicke nicht nur der Werktätigen in Westdeutschland, sondern ganz Europas richteten? Es waren schwierige Bedingungen, unter denen der Aufbau des Sozialismus in der DDR vor sich ging.

Die vor der Roten Armee zurückweichenden Faschisten hatten Industrieanlagen, Werke und auch Verkehrswege zerstört. Aber auch die Amis warfen angesichts des Vormarsches der Roten Armee auf Leuna und andere Werke Bomben. Die Imperialisten haben Industrieanlagen, Unterlagen, ja sogar Personal aus der DDR nach Westen verlagert. Ein schwerer Schlag für die DDR, die keine eigene Schwerindustrie besaß, war es, dass die Imperialisten das Ruhrgebiet und das Saarland von der DDR abschnitten. Das alles war nur möglich im harten Klassenkampf. Der Sozialismus wurde in der DDR nicht friedlich errichtet, wie uns Ulbricht später weismachen wollte. Die spalterische Politik der amerikanischen und britischen Besatzungsmächte, die im September 1949 die Bonner Republik ausriefen, führte im Oktober 1949 zur Gründung der DDR. Dieser mutige Schritt wurde begeistert begrüßt. Es war ein neuer Anfang in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, das erstmals die Arbeiter die Macht hatten.

Der Spalterstaat BRD

Der Kanzler der BRD, Konrad Adenauer im „Rheinischen Merkur“ vom 20. Juli 1952: „Was östlich von Werra und Elbe liegt sind Deutschlands unerlöste Provinzen. Daher heißt die Aufgabe nicht Wiedervereinigung sondern Befreiung. Das Wort Wiedervereinigung soll endlich verschwinden. Es hat schon zu viel Unheil gebracht. Befreiung sei die Parole.“

Der Klassenkampf in der DDR wurde auf Grundlage einer falschen, opportunistischen und revisionistischen Grundlage geführt. Besonders die Annahme der Chruschtschowschen Linie (Fünfziger Jahre) führte letztlich in ein Dilemma und zu einer revisionistischen SED Politik .

4. November 1989:

500.000 bis eine Million Menschen versammeln sich auf dem Alexanderplatz, im Zentrum von Ost-Berlin. Die Angst vor der Staatsmacht ist verflogen, überall wird offen geredet. Eine hoffnungsvolle und optimistische Stimmung herrscht in der DDR 1989.

Um 11:25 Uhr wird die Kundgebung am Alex eröffnet. Die Menschen werden still. Dann hallt über dieses riesige Menschen- und Transparentenmeer eine Frauenstimme: „Liebe Kollegen und Freunde, Mitdenker und Hierbleiber! Wir, die Mitarbeiter der Berliner Theater, heißen Sie herzlich willkommen. Die Straße ist die Tribüne des Volkes. Überall dort, wo es von den anderen Tribünen ausgeschlossen wird. Hier findet keine Manifestation statt, sondern eine sozialistische Massendemonstration.“

So eröffnete Marion van de Kamp die größte Demonstration des Herbstes 1989 in der DDR. Kaum waren diese Worte verhallt, setzte ein riesiger Applaus ein.

Heute sagen die Apologeten des Kapitalismus, dass es 1989/1990 für die Entwicklung der DDR keinen anderen Weg mehr gab als die Wiedervereinigung mit der BRD und die Einführung der „Marktwirtschaft“ in Ostdeutschland. Die zu diesem Zeitpunkt größte und prominenteste Oppositionsgruppe, Neues Forum, gab am 1. Oktober 1989 eine Erklärung mit folgendem Inhalt ab: „Für uns ist die Wiedervereinigung kein Thema, da wir von der Zweistaatlichkeit Deutschlands ausgehen und kein kapitalistisches Gesellschaftssystem anstreben.“ Einer ihrer führenden Köpfe, Professor Jens Reich, äußerte in einem Interview mit der westdeutschen Frankfurter Rundschau am 15.11.1989, „dass die Mehrzahl unserer Anhänger gegen eine kapitalistische Gesellschaft ist. Sie hätten lieber einen Wiederaufbau, eine Reform des Sozialismus, so dass er für die Mehrheit der Bevölkerung akzeptabel ist“. Und selbst die rechtere Oppositionsgruppe „Demokratischer Aufbruch – DA“, die sich später der CDU anschloss, verlautbarte am 2. Oktober, jetzt würden „Reform und Erneuerung des sozialistischen Systems in der DDR unvermeidlich.“ Mit keinem Wort und auf keinem Transparent wurden bei den Leipziger Montagsdemonstrationen im Oktober und der Berliner Massenkundgebung am 4. November 1989 die Abkehr vom sozialistischen Ideal und der Anschluss an die BRD verlangt.

Ein Stasi-Offizier gab am Beispiel Leipzig später zu Protokoll: „Am 9. Oktober überstieg ja erstmals die Zahl der Demonstranten alles, was man erwartet hatte. Selbst das, was wir nach den Berliner Ereignissen (die Demonstrationen am 7. Oktober) im Ministerium für Staatssicherheit erwartet hatten, wurde auf eine eindrucksvolle, für uns damals beängstigende Art und Weise übertroffen. Noch nie sah man in der DDR so viele Menschen mit einer so eindeutigen Ausrichtung gegen das Herrschaftssystem.“

Nachdem die Massen spürten, dass „die Fenster aufgestoßen (wurden) nach all den Jahren der Stagnation, der geistigen, wirtschaftlichen, politischen, den Jahren von Dumpfheit und Mief, von Phrasengedresch und bürokratischer Willkür“ (Stefan Heym Rede. 4. November 1989), fingen sie an, Initiative zu ergreifen.

Wie Pilze nach dem Regen bildeten sich nicht nur die Oppositionsgruppen, sondern auch in den Betrieben entstanden unabhängige Initiativen. Im Rostocker Klinikum bildete sich beispielsweise ein „Klinikrat“, wo sich Ärzte, Schwestern und Pfleger zusammenschlössen, weil sie „ein(en) Vertrauensverlust der Mitarbeiter zur Betriebs-, Gewerkschafts- und Parteileitung“ feststellten. Ähnliche Entwicklungen gab es in vielen Betrieben und Einrichtungen. Vielerorts gab es Initiativen zur Gründung von Betriebsräten. Doch auch unabhängige Gewerkschaften entstanden, so zum Beispiel südlich von Berlin, beim LKW-Hersteller „IFA“.

Aber nicht nur in den Betrieben wurden die Leute aktiv. Schüler und Studierende gründeten ebenfalls Rätestrukturen. Neben diesen unmittelbaren Komitees und Initiativen bildeten sich in vielen Städten unzählige Bürgerkomitees (zur Aufdeckung von Korruption, Machtmissbrauch, gegen die StaSi). Und schließlich entstanden in vielen Städten sogenannte Ortsräte, wo sich EinwohnerInnen zusammen taten, um lokale Entscheidungen mit zu gestalten. Fast alle Zutaten für einen „erneuerten Sozialismus“ waren vorhanden. Es ging um die Demokratisierung der DDR-Gesellschaft und die Beibehaltung der „volkseigenen“ Betriebe. Diese Haltung ist mit ein Grund, warum im Herbst /Winter 89/90 kaum gestreikt wurde. Die Belegschaften wollten „ihre“ Betriebe und „ihre“ Wirtschaft als Ganzes nicht noch mehr schädigen. Es ging nicht um die Einführung von Privateigentum an Produktionsmitteln, Marktkonkurrenz und Profitmaximierung – das war nicht Teil der von den Volksmassen, den Initiativen und Oppositionsgruppen geäußerten Wünsche und Forderungen.

Die Massen betraten die Bühne der Geschichte, brachen ihr Schweigen und fingen an, erste Initiativen der Selbstorganisation zu entwickeln. Die Herrschenden gerieten in die Defensive und wankten – doch wer hätte sie stürzen können? Und wie hätte eine „erneuerte“ Gesellschaft aussehen sollen?

Ein revolutionäres Programm für die DDR existierte 1989/90 nicht!

Die Massenbewegung in der DDR prangerte Privilegien und Korruption an, die Allmacht der herrschenden SED-Bürokratie wurde in Frage gestellt und demokratische Diskussionen über Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft wurden eingefordert. Es gab Ansätze zur Selbstorganisation der Werktätigen.

Doch fehlte eine marxistisch-leninistische Partei in der DDR. Bekanntlich wurden die KPD/Sektion DDR durch die Stasi Anfang der 80er Jahre zerschlagen und ein Neuaufbau verhindert. 1989/90 existierte somit keine ML-Partei, die aus dem Zusammenbruch des revisionistischen Systems eine sozialistische Perspektive hätte entwickeln können.

Der überwiegenden Mehrheit der bisherigen DDR-Opposition, die aus Intellektuellen- oder Künstlerkreisen kam und keine Orientierung auf die Arbeiterklasse hatte, fehlte der Zugang zur Arbeiterklasse. So sahen sie ihre Rolle eher darin, Druck auf die weiterhin herrschende SED zu machen.

Die DDR-Opposition hatte weder konkrete Konzepte noch wirklich charismatische Persönlichkeiten, die sie hätten vermitteln können. Stefan Heym resümiert das Dilemma folgendermaßen: „(…) die Revolution wurde von Leuten ohne Konzeption gemacht, von Dilettanten. Im Grunde hätte es in dieser Situation eines neuen Lenin bedurft, wobei ich allerdings nicht unbedingt an den Lenin der politischen Theorien denke, sondern an den Mann, der eine politische Konzeption besaß, die er klar zu formulieren wusste. Dann wäre die Geschichte anders verlaufen. Wir dagegen hatten niemanden – niemanden jedenfalls von diesem Schlag. Einen de Maiziere hatten wir, der auch noch unter Druck stand, und einen Krause … Gott helfe uns! Damit ist die DDR dann wirklich zu Pott gegangen.

Wenn ein Kern ausgebildeter, organisierter und in der Arbeiterklasse verankerter Marxisten-Leninisten an der Spitze der Oppositionsbewegung gestanden hätte, hätten de Maiziere und Krause möglicherweise niemals die DDR an den kapitalistischen Westen ausverkaufen können. Dann sähe die Welt heute vielleicht anders aus. Denn eine erfolgreiche antirevisionistische und tatsächlich sozialistische Revolution in der DDR hätte der Welt ein anderes Antlitz gegeben.

„Der „Sozialismus“ in der DDR wurde 1989 von der Konterrevolution beseitigt.

Noch heute vertreten diese Ansicht eine Reihe von politischen, linken Organisationen/Parteien. Die Wirren und die Konfusion über den Sozialismus sind noch immer allgegenwärtig. 1989/90 war dies ein Hauptgrund, um in den westdeutschen Staat als DDR aufzugehen!

Belogen durch die SED – Betrogen durch die BRD

Aber der Sozialismus funktioniert doch nicht“, hören wir immer wieder. Millionen sind doch 1989 auf die Straße gegangen, wollten Änderungen, wollten so nicht mehr weiter leben. Richtig! Die DDR war am Ende einer Entwicklung angelangt in der es nach den alten Methoden nicht mehr weiterging. Der Sozialismus ist die erste Phase des Kommunismus, in der der Kampf zwischen Kapitalismus und Kommunismus noch nicht entschieden ist, in der die Entwicklung zu beidem möglich ist. Um eine Entartung des Sozialismus vorzubeugen, muss darüber Klarheit herrschen, wie es dazu kommen kann. Die Kommunistische Partei muss sich von Anfang an bemühen die Werktätigen zur Leitung auf allen Ebenen heranzuziehen, die Staatstätigkeit in der Ausrichtung auf die allseitige Förderung und Entfaltung der Selbsttätigkeit der Gesellschaftsglieder auszurichten. SED-Führer wie Ulbricht, Honecker wollten diesen Weg von Anfang an nicht beschreiten. Sie konnten sich keine Zukunft vorstellen und wollten keine Zukunft, in der nicht alle gesellschaftlichen Entscheidungen in ihren Händen monopolisiert sein sollten. Auf dieser Grundlage war das Verfaulen der DDR gesetzmäßig. Die Lüge war demnach für die Revisionisten lebenswichtig. Die Möglichkeit, dies aber zu verhindern, wäre die erneute Machtergreifung durch das revolutionäre Proletariat.

Doch sind die subjektiven Bedingungen für eine proletarische Revolution schlechter als im

Kapitalismus. Heute sagen die Apologeten des Kapitalismus, dass es 1989/1990 für die Entwicklung der DDR keinen anderen Weg mehr gab, als die Wiedervereinigung mit der BRD und die Einführung der Marktwirtschaft in Ostdeutschland.

Doch der Verlauf der Geschichte ist nicht festgeschrieben. Karl Marx schrieb: „Die Menschen machen ihre eigene Geschichte, aber sie machen sie nicht aus freien Stücken, nicht unter selbst gewählten, sondern unter unmittelbar vorgefundenen, gegebenen und überlieferten Umständen.“ (In: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte, 1852)

Der DDR-Beitritt war ein Tritt (Annexion)

Korrespondenz

Ost-Jugend übernimmt DDR-Moral der Eltern

Erstaunliches berichtete die “Magdeburger Volksstimme” (17.11.) über das Ergebnis von Forschungen über die Moralvorstellungen Ostdeutscher. Sie sind um so erstaunlicher, da sie den bisher verbreiteten Meinungen, das Ost-Jugendliche entweder “Rechts eingestellt” sind, dann sind sie wieder “egoistisch”, gefühllose Wesen, die nur sinnlos gewalttätig sind, widersprechen.

Nach den Studien des Sozialwissenschaftlers Wolf Wagner werde das in der DDR verankerte Wunschziel materieller Gleichheit der Bürger von den Eltern erfolgreich an die Kinder weitergegeben. Im Osten werde das Wunschziel materieller Gleichheit der Bürger verfestigt. Aus Sicht der Sozialwissenschaft habe der Osten die deutlicheren Moralvorstellungen. “Das sei eine Folge der Ideologisierung in 40 Jahren DDR, in der das Modell eines Sozialismus mit gleichen Bedingungen und gleicher Ausstattung aller Bürger von weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert worden sei. Der ganze Sozialismus war als eine hochmoralische Veranstaltung angelegt, deren einzige Legitimation Gerechtigkeit und Gleichheit war”, erklärt W. Wagner. Diese Grundlagen seien an den einzelnen Menschen nicht folgenlos vorbeigegangen. Aus diesem Grund habe es auch einen Aufschrei gegeben, als die DDR-Politbürosiedlung in Wandlitz der Öffentlichkeit vorgeführt wurde. “Jeder Malermeister in Buxtehude war wahrscheinlich besser eingerichtet, aber allein der Ausbruch aus der propagierten Gleichheit war für die Bürger im Osten ein Skandal”, sagt Wolf Wagner. Diese Gleichheitsvorstellungen seinen von der Ost-Jugend von den Eltern weitgehend übernommen und deshalb wird der deutsche Westen und sein System als “unmoralisches System” angesehen und wenig akzeptiert.

Rückblickend sei noch einmal daran erinnert, mit welchen Forderungen 1989 Millionen von DDR-Bürger auf die Straße gingen:

1. Schluss mit der Entmündigung der Menschen

2. Freie Meinungsäußerung

3. Eine kritische Berichterstattung, Medien die realistisch berichten

4. Keine Privilegien, keine Bevorzugung für Menschen mit einem gewissen Parteibuch

5. Abschaffung der geheimen Dienste, Stasi in die Produktion

6. Einen Sozialismus, der mit der Bevölkerung und für sie aufgebaut wird

7. Eine Justiz, die unabhängig ist

8. Reisefreiheit für alle und nicht nur für Auserwählte

Und welche Forderung wurde verwirklicht? Keine einzige!

Eine der wenigen kritischen Berichte über die Einverleibung der DDR:

Raubzug DDR1

https://www.youtube.com/watch?v=HZDldYDb7b8&t=560sRaubzug DDR2

Raubzug DDR2

https://www.youtube.com/watch?v=kkiPSohqw5w&t=10s