Bei strömendem Regen protestierten am Mittwoch, 15. Juli 2020, zur Mittagspause rund 3.500 Beschäftigte der Bosch-Standorte Stuttgart-Feuerbach und Schwieberdingen vor der Feuerbacher Konzernzentrale. IG-Metall und Betriebsrat hatten aufgerufen.
Viele kommen aus Kurzarbeit und Homeoffice zur Aktion. Mit Gesichtsmasken, Regencapes und -jacken „bewaffnet“, formierten sie sich zu einer kilometerlangen „Menschenkette der Solidarität“, um sich für den Erhalt der rund 20.500 Arbeitsplätze bei Bosch einzusetzen. Viele trugen Aktionsmützen und Gesichtsmasken der IG Metall und hielten in etwa Mindestabstände ein, wenn auch an einigen Stellen so viele Teilnehmer/innen zusammenkamen, dass das nicht immer möglich war.
„Es wird derzeit von der Firmenseite nur über Sparmaßnahmen und Personalabbau gesprochen. Das hat zur Folge, dass große Teile der Belegschaft um ihren Platz im Unternehmen und ihr Einkommen bangen“, so zitiert die jungeWelt (17.07.2020) den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden des Werks Feuerbach, Axel Petruzzelli. Die Bosch-Konzernspitze hatte schon letztes Jahr bekannt gegeben, 1.600 Arbeitsplätze in der Antriebssparte, mit allen anderen Abbauplänen zusammen sogar rund 2500 Jobs bis Ende 2021 abbauen zu wollen. (AZ berichtet eingehend. Vgl.:https://www.arbeit-zukunft.de/2019/11/03/dreifacher-schlag-gegen-bosch-kolleginnen-und-kollegen/ )
Sogar über einen ca. dreißigprozentigen „Personalüberhang“ wird Bosch-Intern angeblich bereits diskutiert. D. h.: es wird von der Geschäftsführung indirekt damit gedroht und somit eingeschüchtert!
Die Fertigung der Bosch-Zulieferprodukte zum „Verbrenner“ werde auslaufen, im IT-Bereich seien die deutschen Lohnkosten zu hoch, also: Arbeitsplatzverlagerung in Niedriglohnländer.
Viele Boschlerinnen und Boschler machen sich zu Recht Sorgen, was nach der Kurzarbeit bei Bosch passiert. Martin Röll, zweiter Bevollmächtigte der IGM Stuttgart sagte zwar: „Wir wollen mit allen durch die Krise. Niemand soll seinen Arbeitsplatz verlieren“. Aber das dient der Beruhigung! Das Ende der Menschenkette zeigte das deutlich.
Die Aktion, so beeindruckend sie war, endete in Ratlosigkeit. Es gab kaum Parolen, wirkliche Kampfstimmung kam nie auf. Wer eine Kundgebung mit deutlichen Ansagen von IG-Metall und Betriebsrat an die Konzernführung und – vor allem an die Öffentlichkeit – erwartet hatte, wurde bitter enttäuscht.
Ca. 12:30 Uhr wurde die Menschenkette einfach aufgehoben, und die Kolleg/innen gingen bedrückt und geräuschlos wieder an die Arbeit. Nach 15 Minuten war nichts mehr zu sehen. Was Wunder, dass der Bosch-Geschäftsführung nichts besseres einfällt als zu erklären, an dem Kürzungsprogramm im Konzern unverändert festzuhalten.
Ohne entschiedenen Kampf kann es nichts werden!
Was will die IG Metall-Führung, wenn sie nichts besseres zu tun hat als die Anwendung der 1994 im so genannten „Pforzheimer Abkommen“ ausgehandelten „Öffnungsklauseln“ im Flächentarifvertrag anzubieten: Arbeitszeit bis auf 30 Stunden ohne jeden Lohnausgleich, also auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen! Darüber verhandelt der Betriebsrat mit der Geschäftsleitung und will noch vor den Sommerferien einen Abschluss! Zustimmung – nach Kurzarbeit und damit Kurzarbeitergeld KuG – zu noch höheren Entgeltverlusten?!
Arbeitszeitverkürzung auf die Tagesordnung:
Dass das Bosch-Management selbst Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich, also zu ihren Bedingungen und unter Schonung der eigenen Gewinne und Profite will, zeigt trotz alledem, dass Arbeitszeitverkürzung notwendig ist. Also müssen die arbeitenden Menschen darum kämpfen, dass das für alle und überall gilt und im eigenen Interesse gestaltet wird: Arbeitszeitverkürzung für alle, mindestens auf die 30-Stundenwoche, bei vollem Personal- und Entgeltausgleich!
Das muss zum Thema in der IG Metall und allen anderen Gewerkschaften, vor allem unter den Mitgliedern werden. Es fällt wieder und wieder auf, dass die IG Metall und die beteiligten Betriebsräte auch in den kritischsten Situationen diese Forderung meiden wie der Teufel das Weihwasser. Aber das würde den Abwehrkämpfen endlich ein Offensive Stoßrichtung geben – und das will die Gewerkschaftsführung offenbar nicht!
Aber Arbeitsplätze bei Bosch werden so, wie IG Metall und Betriebsräte agieren, mit ziemlicher Sicherheit trotzdem „sozialverträglich abgebaut“. Wer den Kampf scheut, ihn nicht organisiert, verliert! Aktuelles Beispiel im Bosch Konzern: Bosch-Standort Schwäbisch Gmünd, ebenfalls in der Region“. Hier haben Betriebsräte und IGM Anfang Juli der Streichung von fast 1.900 der 4.700 Stellen bis Ende 2026 zugestimmt. Zwar steht auf dem Papier, betriebsbedingte Kündigungen seien ausgeschossen. Also mit Druck ran an Aufhebungsverträge! Aber die Jobs sind weg, auch für die nächste Generation.