Im Juli 2007 erschien das Buch „Anklage unerwünscht –
Korruption und Willkür in der deutschen Justiz“ von Jürgen Roth, Rainer Nübel
und Rainer Fromm. Dieses Buch birgt Sprengstoff!
In dem Buch geht es um Korruption, Schmiergelder,
Strafvereitelung durch den Staat, Seilschaften von Absahnern im Staatsapparat,
Kumpanei von staatlichen Stellen und Unternehmern. Kenntnisreich und mit
akribisch ermittelten Details schildern die Autoren Fall um Fall. Manchmal kann
es einem richtig schwindlig werden, was da so alles in diesem Staat passiert.
Da geht es z.B. um die Schmiergeldaffäre bei dem Verkauf von
Leuna unter der Kohl-Regierung. Im Buch wird das Resümee gezogen: „Unglaublich,
aber wahr: Bis heute hat keine einzige deutsche Staatsanwaltschaft
Leuna-Ermittlungen ernsthaft aufgenommen, obwohl aus der Schweiz ein ganzer
Lastwagen voll Unterlagen bereitgestellt wurde. Die Journalisten Thomas
Kleine-Brockhoff und Bruno Schirra, die sich intensiv mit der Leuna-Affäre
beschäftigt haben, sprachen schon 2001 von einem ‚Fall von kollektiver
Ermittlungsverweigerung hart an der Grenze zur versuchten Strafvereitelung’.“
(S.220)
Oder bei der Schmiergeldaffäre bei Daimler heißt es: „’Bei
solchen Auslandsgeschäften sind tatsächlich Schmiergelder geflossen’, sagen
heute Konzerninsider. ‚Sie wurden über Geheimkonten transferiert, die man im
Unternehmen Krokodilchen nannte.’ Die Rolle der Stuttgarter Ermittler
kommentieren sie so: ‚Manche haben Schutzengel, Daimler hat die
Staatsanwaltschaft.’“ (S. 125)
Mittlerweile musste Daimler selbst auf Druck der
US-amerikanischen Börsenaufsicht Ermittlungen zulassen. Heraus kam, dass viele
Millionen geflossen sind. Einige Manager mussten gehen. Die Spitze von Daimler
jedoch wird nicht angerührt. Und die Stuttgarter Staatsanwalt hat über viele
Jahre trotz zahlreicher Hinweise immer wieder Ermittlungen eingestellt oder gar
nicht erst aufgenommen.
Beim Schmiergeldskandal um Max Strauß, den Sohn von
Franz-Josef Strauß kommt es noch dicker:
„Die Begründung der hohen Richter hat es in sich. Ein
zentraler Einwand des BGH-Senats gegen das Augsburger Urteil war: Ein
Treuhandverhältnis zwischen Max Strauß und Karlheinz Schreiber sei nicht
‚hinreichend belegt’. Eine Vereinbarungstreuhand, wie es das Landgericht
Augsburg als gegeben ansah, müsse auf ‚ernst gemeinten und klar nachweisbaren
Vereinbarungen zwischen Treugeber und Treuhänder beruhen und tatsächlich
durchgeführt werden’. Wesentliches Kriterium für die Annahme eines
Treuhandverhältnisses sei die Weisungsbefugnis des Treugebers gegenüber dem
Treuhänder und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Treuhänders
gegenüber dem Treugeber sowie – im Grundsatz – dessen Verpflichtung zur
jederzeitigen Rückgabe des Treuguts. Dies sei im Falle des Rubrikkontos
‚Maxwell’ nicht gegeben. Der BGH-Senat bestätigt zwar, dass das von Schreiber
eingerichtete Rubrikkonto ‚Maxwell’ Max Strauß zuzuordnen sei. Doch die Richter
kommen zu dem Schluss: ‚Eine klar nachweisbare Vereinbarung, wie der für diese
Rubrikkonten weiterhin allein zeichnungsberechtigte Schreiber mit den Geldern
hätte verfahren sollen, lässt sich (…) nicht erkennen.’…
Ermittler und Richter halten sich an dieses Prinzip. In
so manchen Juristen- und Fahnderkreisen aber schüttelt man relativ fassungslos
den Kopf. Denn bezieht man die BGH-Entscheidung auf den Ermittlungsalltag, dann
könnte man eine einigermaßen bizarre Praxis ableiten. Schmiergeldfahnder müssen
demnach künftig wohl darauf hoffen, dass Akteure von Provisionsflüssen fein
säuberlich und schriftlich ‚klar nachweisbare’ Vereinbarungen über ihr
diskretes Tun anfertigen. Am besten mit einer klar leserlichen Unterschrift und
Siegel. Das müsste dann in etwa so aussehen: ‚Ich, Schmiergeldempfänger A.,
vereinbare hiermit mit dem Treuhänder B., dass dieser die Millionensumme x für
mich verwaltet und ich jederzeit Zugriff und Anspruch auf diese Gelder habe.’
Bitte Namen und Summen vollständig angeben! Mit respektvollem Blick auf die
Ermittler wäre es auch gut und zuvorkommend, Folgendes in der Vereinbarung
hinzuzufügen: ‚Von dem Konto y, das der Treuhänder B. für mich angelegt hat,
fließen die Provisionen nicht direkt an mich, sondern über die Umwege klein a)
bis d). In Einzelfällen wird das Schmiergeld auch per Barabhebung zu mir
gelangen.’ Ein richtig guter Service für Fahnder wäre es, gleich das gesamte
Netzwerk des filigranen Geldkreislaufs akkurat zu dokumentieren, unter
Aufführung aller beteiligten Briefkastenfirmen und Konten.“ (S.234-5)
So wurde in den letzten Tagen Max Strauß freigesprochen,
obwohl nachweislich für ihn Schmiergelder geflossen sind, die allerdings von
Schreiber ohne Treuhandvertrag verwaltet wurden.
Trotz mancher Längen in der Darstellung liest sich das Buch
wie ein Krimi. Es ist eine umfassende Darstellung, wie herunter gekommen dieser
Staatsapparat ist.
So heißt es denn auch:
„Übrigens schreibt der Ökonom Friedrich August von Hayek,
den der hessische Ministerpräsident Roland Koch so schätzt, in einem anderen
Buch: ‚Die heute praktizierte Form der Demokratie ist zunehmend ein Synonym für
den Prozess des Stimmenkaufs und für das Schmieren und Belohnen von unlauteren
Sonderinteressen, ein Auktionssystem, in dem alle paar Jahre die Macht der
Gesetzgebung denen anvertraut wird, die ihren Gefolgsleuten die größten
Sondervorteile versprechen, ein durch das Erpressungs- und Korruptionssystem
der Politik hervorgebrachtes System mit einer einzigen allmächtigen
Versammlung, mit dem Wortfetisch Demokratie belegt.’
Kritische und selbstbewusste Beamte, die sich nur der
Verfassung und dem Bürger verpflichtet fühlen, stören in einem solchen System.
Gewünscht sind pflegeleichte Staatsdiener, die obrigkeitsstaatliches Handeln
verinnerlicht haben. Doch das gilt nicht nur in Hessen. Es ist ein gesamtdeutsches
Phänomen.” (S.117)
Das Buch ist ausgesprochen empfehlenswert und liefert sehr
viel Material für die tägliche Arbeit.
„Anklage unerwünscht – Korruption und Willkür in der
deutschen Justiz“, Jürgen Roth, Rainer Nübel und Rainer Fromm
Eichborn-Verlag, 2007, ISBN 978-3-8218-5667-4, 19,95 Euro