Streiks in Deutschland: Nach der Telekom die Eisenbahner

In „La Forge“ (Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei
Frankreichs) vom Juni berichteten wir vom historischen Streik bei der Deutschen
Telekom. Ursache war die Absicht der Geschäftsführung, 50.000 Beschäftigte in
eine „T-Services“-Gesellschaft auszugliedern, um 500 bis 900 Millionen Euro
einzusparen.

 

Nach 6 Wochen Streik hat die Führung der Gewerkschaft Ver.di
einen 70-seitigen Tarifvertrag unterzeichnet, ergänzt um 30 Seiten Erklärungen
im Bemühen um die Rechtfertigung der Unterzeichnung. Dabei wurden mehrere
Klauseln, die für die Beschäftigten besonders ungünstig sind, versteckt
gehalten.

Nachdem sie zur Wiederaufnahme der Arbeit aufgerufen hatten,
hat sie ein Votum organisiert, das aus einer Drohung hervorging: im Fall der
Nichtannahme drohte die Führung der Telekom damit, die T-Services zu verkaufen
und Kündigungen auszusprechen. In einem solchen Kontext kann das Ergebnis
(72,6% Zustimmung) nicht die Wut und den Ärger einer großen Anzahl von
Beschäftigten verbergen, die davon überzeugt sind, dass es möglich gewesen
wäre, mehr zu erreichen. Tatsächlich waren die Streiks bis zum letzten Tag
weitgehend befolgt worden, auch wenn die Führung von Ver.di sie nur auf die von
der Ausgliederung betroffenen Bereiche begrenzt hat und sich weigerte, sie auf
das gesamte Unternehmen auszudehnen.

Die Personalverantwortlichen der Deutschen Bundesbahn (DB),
mit einem Streik, der von 3 Gewerkschaften geführt wird, konfrontiert, schlugen
sich in die durch den Telekom-Kompromiss geschlagene Bresche: sie verlangten
eine Rückkehr zur 40-Stunden-Woche ohne Lohnerhöhung! Aber im Unterschied zum
Streik bei der Telekom sind alle Kategorien von Beschäftigten der DB
mobilisiert, um bedeutende Lohnerhöhungen zu erreichen. Die ersten Warnstreiks
wurden weitgehend befolgt und der Morgenverkehr praktisch gänzlich lahm gelegt.

 

Man muss die Lehren aus dem Telekom-Streik ziehen.

 

Was das Ergebnis betrifft, gelang es der Konzernleitung, den
Beschäftigten von T-Services einen bedeutenden Rückzug aufzuzwingen:

        
Übergang von 38 auf 42 Stunden ohne Lohnerhöhung

        
Senkung der Gehälter um 6,5% auf 3 Jahre verteilt mit
einem „Kompensationsmechanismus“, der diese Senkung begrenzen soll.

        
Samstag und Wochenende als Regelarbeitszeit

        
Gehaltssenkung (bis zu 30%) für Neueingestellte.

Die Beschäftigten haben errechnet: mit der unbezahlten
Verlängerung der Arbeitszeit und den Gehaltssenkungen beträgt der Lohnverlust
18%! Die „Gegenleistungen“ sind ein Versprechen, bis 2012 niemanden zu
entlassen und die Gesellschaft T-Services während dreier Jahre nicht zu
verkaufen. „Wir haben im wesentlichen Punkt, der Senkung der Gehälter, gesiegt“
konnte sich einer der Telekom-Verantwortlichen gratulieren. Die Führer der
Gewerkschaft Ver.di bestehen darauf, die Arbeitsplätze gerettet zu haben und
behaupten, sie könnten die Lohnverluste bei den nächsten Tarifverhandlungen
2009 kompensieren! Was die Rettung der Arbeitsplätze angeht: wer kann glauben,
dass die Telekom-Führung, unter dem Druck des Investmentfonds Blackstone, ihre
Versprechen halten wird, noch dazu, wenn die Profite auf dem Spiel stehen?

 

Wenn auch der Streik in den betroffenen Bereichen mit
Streiktagen, die 15.000 Beschäftigte mobilisierten, massiv war, so wirft doch
die „Gewerkschaftslinke“ der Ver.di-Führung vor, nicht gewollt zu haben, den
Streik auf das gesamte Unternehmen, das heißt weiter auszudehnen und sich
geweigert zu haben, den Zeitraum des G-8-Gipfels zu nützen, um Druck auf die
Telekom-Führung auszuüben, indem z.B. das Telefonnetz gestört wird.

Gleichzeitig stellt sie fest, dass die Basis, vor allem aus
mangelnder Erfahrung, nicht Druck in diesem Sinne ausgeübt hat. Tatsächlich ist
das der erste Streik seit der Privatisierung der Telekom gewesen. Die SPD,
Partei der Regierungskoalition, drängte ihre Mitglieder und die
Gewerkschaftsführer, diesen „Kompromiss“ zu akzeptieren.

Die andere Kritik bezieht sich auf die Verzettelung der
gewerkschaftlichen Kämpfe, die jedoch viele gemeinsame Forderungen,
insbesondere auf dem Gebiet der Lohnerhöhungen haben. Das ist bei den
Beschäftigten der DB, bei den Metallern und den Bauarbeitern so.

Es ist eine Sache, das Nachgeben eines Unternehmens von der
Größe der Telekom nicht fertig zu bringen, aber eine andere, eine solche
Niederlage als Sieg darzustellen, wie es die sozialdemokratische Führung von
Ver.di macht.

 

Die Eisenbahner im Kampf um ihre Löhne und Gehälter

 

Die drei Eisenbahnergewerkschaften haben am 21. Juni einen
Warnstreik begonnen, dessen Modalitäten jeden Tag festgelegt werden. Sie haben
damit angefangen, den Morgenverkehr bis 9 Uhr zu blockieren. Sie fordern eine
Lohnerhöhung von 7% und eine Mindestprämie von 150 Euro. Das Unternehmen, das
zwei Jahre lang Rekordgewinne eingefahren hat, will nur 3% zugestehen. Die
Verhandlungsführerin des Unternehmens hat die Hürden hochgesteckt, indem sie
die 40-Stunden-Woche ohne Lohnausgleich gefordert hat.

Unternehmen und Medien versuchen, den Streik mit dem
wohlbekannten Thema, die „Kunden als Geiseln zu nehmen“ unpopulär zu machen…,
aber das funktioniert nicht, weil die Beschäftigten und die Bahnkunden diese
Forderungen legitim finden in einem Unternehmen, das riesige Gewinne auf dem
Rücken der Beschäftigten gemacht hat, die sehr wenig verdienen….

Der Streik läuft gut. Er hat eine andere Frage aufgeworfen:
die der drohenden Privatisierung. Mehrere Gewerkschafter und Personalvertreter haben
gegen die Privatisierung der DB Stellung genommen, die zu 100% vom Bund
kontrolliert wird. Ein Gesetzesvorhaben sieht in der Tat eine etappenweise
Privatisierung vor, die bis zu 50% des Kapitals geht. Dieser Vorschlag, der im
März vorgestellt wurde, wurde zurückgewiesen, aber er kommt wieder hervor in
dem Moment, wo die großen europäischen Netze für Hochgeschwindigkeitszüge
entstehen. Dieser Sektor ist vom Gesichtspunkt der Profite interessanter und die
Allianzen, die zwischen den Eisenbahngesellschaften verschiedener Länder
geschmiedet werden, um mit dem Luftverkehr zu konkurrieren, reizen den Appetit
der privaten Investoren. Die SPD liebäugelt mit dieser Idee.

Die Eisenbahner und die Gewerkschafter müssen aus dem
Telekom-Streik ihre Lehren ziehen insbesondere bezüglich der Organisierung der
aktiven Solidarität.

 

Aus „La Forge“ Nr. 476, Juli-August 2007