denken.“
Albin Kurti
Während die anglo-amerikanischen Truppen und ihre Lakaien in
Afghanistan und im Irak in eine immer aussichtslosere Situation geraten, dort
Tag für Tag Kriegsverbrechen begehen, Zivilisten ermorden, die Infrastruktur
dieser Länder verkommen lassen und zerstören, spitzt sich ein weiterer
Konfliktherd immer mehr zu. Kein neuer Konfliktherd, eher eine Krisenregion,
die eigentlich laut bürgerlicher Propaganda immer wieder kurz vor einer Lösung
stand und in der Öffentlichkeit nur mehr am Rande behandelt wurde.
Siebeneinhalb Jahre nach der Besetzung Kosovas durch NATO-
Truppen mit deutscher Beteiligung ist das Selbstbestimmungsrecht der Völker in
dieser Region immer noch in weiter Ferne. Seit dem Ende des NATO-Krieges gegen
Rest-Jugoslawien 1999 steht das Gebiet unter UNO-Verwaltung (UNMIK), die von
NATO-Truppen (Kosovo Force, KFOR) militärisch abgesichert wird. Seit dem Ende
der Kampfhandlungen gegen Serbien gab es immer wieder Verlautbarungen durch die
UN-Verwalter, dass der völkerrechtliche Status der formal immer noch zu Serbien
gehörenden Provinz in Kürze entschieden wird.
So hieß es beispielsweise letztes Jahr in der Tagespresse: „Der
völkerrechtliche Status der formal zu Serbien gehörenden Provinz Kosovo soll
noch in diesem Jahr entschieden werden [1].“
Der jüngste Versuch kommt nun vom ehemaligen finnischen
Präsidenten und jetzigen UN- Vermittler Martti Ahtisaari. Bei Verhandlungen in
Wien wurden Anfang März die Vorschläge Ahtisaaris, die nach der ablehnenden
Haltung Serbiens geändert wurden, erneut von Serbien abgelehnt. Wenngleich sich
die kosova-albanische
Verhandlungsdelegation den UN- Plänen gegenüber nun aufgeschlossen
verhält, so wird doch der Plan, nämlich einer verlängerten Besetzung Kosovas durch die NATO- Truppen, von der
Mehrheit der kosova-albanischen Bevölkerung abgelehnt.
Der ungelöste Status, die leeren Versprechen der
imperialistischen Staaten um ein unabhängiges, multikulturelles und
demokratisches Kosova, geben letztendlich den Nationalisten auf beiden Seiten
Vorwände um die Situation zwischen den Volksgruppen weiter aufheizen zu können.
Die März-Unruhen 2004, vor allem gegen die serbische Minderheit, Wohnhäuser,
Kirchen, Kulturdenkmäler wurden von albanischen Nationalisten zerstört und
niedergebrannt, waren mit 28 Todesopfern, letzter gewalttätiger Höhepunkt
zwischen den Volksgruppen in Kosova.
Führend beteiligt an der imperialistischen Besatzungspolitik
ist Deutschland. Sowohl bei der zivilrechtlichen Gestaltung als auch bei deren
militärischen Absicherung ist Deutschland derzeit mit 2.900 Soldaten vor Ort
[2]. Am 1.September 2006 trat der deutsche Diplomat Joachim Rücker das Amt des
neuen UNMIK- Leiters in Kosova an.
Im Februar ist es nun
mehr zu heftigen Protesten von Kosova-Albanern gekommen, bei denen zwei
Demonstranten von Polizisten, vor dem Hauptgebäude der UN-Verwaltung in
Pristhina erschossen worden sind [3].
Heftiger Widerstand gegen die Besatzung
Der Widerstand gegen die kolonialistische Besatzung Kosovas
wächst an. Einen vorläufigen Höhepunkt der neu gruppierten Widerstandsbewegung
„Vetevendosja“ um den ehemaligen Studentenführer Albin Kurti wurde am 12. Februar erreicht. Polizisten der
„Kosovo Police Force“ hatten vor dem Hauptgebäude der UN-Verwaltung in
Prishtina in eine Demonstration geschossen, an der sich 5000 Kosovaren
beteiligten. Laut Augenzeugenberichten ist es zu bürgerkriegsähnlichen
Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gekommen. Die Stimmung in der Bevölkerung entwickelt
sich in Kosova zunehmend gegen NATO und UNMIK, nachdem es kurz vor und nach dem
Krieg auch zu Hoffnung, Zustimmung und Illusionen über die NATO innerhalb der albanischen
Bevölkerung in Kosova gekommen ist. Besonders von der Jugend in den Städten
erhält nun die Widerstandsbewegung Vetevendosja zunehmend Rückhalt und
Unterstützung, weil sich deren Politik klar gegen die Besatzung
ausspricht.
Ein Großteil der Linken in Deutschland torpediert das Recht
auf Selbstbestimmung
Weiterhin ignoriert ein Großteil der bundesdeutschen Linken
die historische Entwicklung dieses Konflikts sowie auch die aktuelle Situation
und verteidigt einseitig den serbischen Staat und die Position der Serben.
Diejenigen Linken, die Serbien und „Slobo“ verteidigen, verstellen den Blick
dafür, dass es zwei Kriege, zwei Konflikte in Kosova gab, den zwischen den
Serben und Kosovaren und den zwischen der NATO und Serbien. Auch die Kosovaren
einseitig als Verbündete der NATO darzustellen greift zu kurz, was sich jetzt
immer konkreter in der Entwicklung des Widerstandes gegen Besatzung und
Neokolonialismus zeigt.
Das Recht der Kosova- Albaner auf Selbstbestimmung wird von
DKP, Konkret, Junge Welt etc. mit Verleumdungen torpediert. Letztere haben am
22.März einem Gespräch mit Wolf Oschlies, der 34 Jahre lang Mitarbeiter
außenpolitischer Think Tanks der Bundesregierung war, unter dem Titel
„NATO-Guerilla“ Raum gegeben. Die Widerstandsbewegung Vetevendosje wurde darin
auf das Übelste verleumdet, indem dieser die Bewegung mit dem Ku-Klux-Klan
verglich! Auf die Frage seines Gesprächspartners Jürgen Elsässer, der das
Interview führte, antwortete Oschlies:
„Die Ziele dieses Kosovo-Ku-Klux-Klans, der sehr gefährlich
ist, kann man aus seinem ‚Manifesto’ entnehmen. Zum einen sind für diese
Radikalen alle Serben ein riesiges Übel – je mehr Schaden man ihnen zufügt,
desto besser für die Kosovo-Albaner. Zum zweiten ist die UN-Verwaltung UNMIK
nach ihren Worten ‚undemokratisch’ ,’kolonialistisch’, ‚unerträglich’ –die
Kosovaren würden erst aufatmen, wenn sie und alle internationalen
‚Pseudo-Institutionen’ das Kosovo verlassen. Zum dritten brauche das Kosovo
weder ‚Standards’ noch internationale ‚Status-Verhandlungen’, sondern allein
ein ‚Referendum des Volkes von Kosovo’, das der Rest der Welt gefälligst zu
respektieren habe. Was dann geschieht, wird nicht erwähnt, liegt aber auf der
Hand: Kurs auf Großalbanien[4].“
Sympathie für das albanische Volk ist bei vielen innerhalb
der politischen Linken gelinde gesagt nicht vorhanden, anscheinend nicht
einmal, wenn sich diese gegen „Pseudo-Institutionen“ wehren! Im Zweifel sind
diese für Tito, gegen Stalin und Enver Hoxha, für Milosevic, gegen das
Selbstbestimmungsrecht der Völker, für die Verharmlosung des serbischen
Nationalismus, für das Herausstellen des albanischen Nationalismus. – Natürlich gilt es, diesen nicht zu
verharmlosen. Doch ist es in Ordnung für diese Linke, wenn die Unterdrückung
der Albaner durch die serbische Staatsmacht
verschwiegen wird, das Selbstbestimmungsrecht der Völker geleugnet wird?
Für Demokraten sollte doch das Recht auf Selbstbestimmung
und gegebenenfalls das Recht auf Lostrennung zum Selbstverständnis gehören!
Widersprüche unter den Imperialisten
Auch ist die imperialistische Staatengemeinde keineswegs
geschlossen dafür, irgendwann einmal einen „unabhängigen“ Staat Kosova zuzulassen. Spanien beispielsweise fürchtet
die Auswirkungen eines Staates Kosova auf das eigene Staatsgebiet. In seinen
baskischen und katalonischen Landesteilen könnte das Beispiel Kosova Schule
machen. Auch die Regierung der Slowakei hat ähnliche Bedenken in Bezug auf die
ungarische Minderheit im Land und selbst die polnische Regierung nimmt trotz
der allgemeinen US-Kumpanei eine ablehnende Haltung gegen ein „unabhängiges“
Kosova ein [5].
Einige Daten zur Lebenssituation der Kosovaren
Neben dem von der NATO verweigerten Recht auf
Selbstbestimmung ist es die Lebenssituation der Menschen im Kosova, die den
Widerstand der Kosovaren hervorruft.
Nach letzten Untersuchungen der Weltbank über die
Lebenssituation, leben 50 Prozent der Bevölkerung in Armut und 15 Prozent gar
in extremer Armut [6].
Eine Scheinblüte, konzentriert auf die Stadt Pristhina
konnte in den ersten Jahren des Protektorats in Kosova einen Teil seiner
Bewohner noch zufrieden stellen. Restaurants und Cafes entstanden. Viele
versuchten als Fahrer, Übersetzer, Reinigungskraft oder in anderen Dienstleistungsbereichen
bei der UN und anderen internationalen Organisationen unterzukommen, um den
Lebensunterhalt bestreiten zu können [7].
Die Zukunft verspricht nicht viel, in der bürgerlichen
Presse heißt es von einem Spezialisten für Wirtschaftsfragen für Südosteuropa,
Vladimir Gligorov, vom Wiener Institut für Wirtschaftsstudien beispielsweise
hierzu:
Die wahrscheinlichste Zukunft für das Kosovo sei es wohl, „Menschen
zu exportieren und von deren Überweisungen zu leben“. Und an anderer Stelle
dieses Artikels aus der Süddeutschen Zeitung heißt es: „Als weitere
Notwendigkeit gilt Fachleuten zudem, das Kosovo zu einem Standort für
arbeitsintensive Industrien zu entwickeln, denn die Lohnkosten sind gering.
Wenn man viele junge Leute und kein Kapital hat, liegt der relative Vorteil
offensichtlich in der billigen Arbeitskraft [8].“
Für das Selbstbestimmungsrecht der Völker
Unter Milosevic hat das serbische Regime ihr Anrecht auf
Kosova endgültig verwirkt. Repression und Terror gegen die albanische
Bevölkerung sind nicht neu. Ein Blick zurück zeigt, der jugoslawische Staat
ging seit seinem Bestehen immer wieder, mit verschiedenen Methoden, gegen die
albanische Bevölkerung vor! Die Kosovaren werden ein Apartheidregime unter serbischer Knute nicht mehr dulden. Ein
historisch begründetes Vorrecht der Serben auf
Kosova lässt sich nicht begründen, schon gar nicht vom Standpunkt des
Marxismus aus. –Und auch die NATO wird
ihre kolonialen Ambitionen auf dieses Gebiet aufgeben müssen. Eine
demokratische Lösung wird es nur geben, wenn die Völker in Kosova selbst über
ihr Schicksal bestimmen!
[ra]
Anmerkungen und Quellenangaben
Zitat am Artikelanfang ist aus dem Neuen Deutschland vom
15.02.2007 entnommen.
- Zitiert aus Financial Times Deutschland vom 22.09.2006
- Quelle: Auswärtiges Amt, Entwicklung im Kosovo.
- Vgl. Neues Deutschland vom 15.02. 07
- Zitiert aus der Jungen Welt vom 22.03.2007, „Der
albanische Ku-Klux-Klan ist gefährlich“. - Vgl. Junge Welt vom 24.02.2007, Die Kosovo-Front beginnt
zu bröckeln. - Quelle: www.kosova-aktuell.de, Steigende Armut in
Mitrovica von Illir Berisha. - Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 08.08.2006, Kosovarische
Seifenblasen. - ebenda