In den Betrieben geht neben der Tarifrunde auch der Kampf um alle sozialen und tariflichen Standards unvermindert weiter und gewinnt an Schärfe. Angriffe auf die 35 Stundenwoche, Angriffe auf und Spaltungsversuche in den Betriebsratsgremien, Mobbing gegen kämpferische Betriebsräte sind an der Tagesordnung. Ganze Abteilungen werden in eigene Kleinfirmen verwandelt (so genanntes Outsourcing), um dort besser Tarifbrüche durchziehen zu können, die Kolleg/innen aufgespalten, auseinandergetrennt. Teile und herrsche, heißt die alte Devise!
Erneut kommt es auch zu gezielten Angriffen des Kapitals auf Belegschaften, um die 40 Stundenwoche, möglichst ohne Lohnausgleich, durchzusetzen. Kampfplatz ist bereits zum zweiten Mal die Baubeschlagsbranche. Wie in der ganzen Metallindustrie sprudeln auch hier die Gewinne! Trotzdem oder besser gerade deswegen ist erneut die Front zur Arbeitszeitverlängerung, zum Bruch der Tarifverträge eröffnet worden. Noch schönere Profite sind der Feind schöner Profite.
Im Zentrum stehen die beiden Fenster- und Türbeschlagshersteller Gretsch Unitas(G-U) in Ditzingen und GEZE, Leonberg, beide in der Großregion um Stuttgart.
Nach eigenen Recherchen von Arbeit-Zukunft fordern die Geschäftsführungen beider Firmen die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 40 Stunden.
Bei Gretsch Unitas (G-U) will man von den fünf zusätzlichen Stunden nur eine bezahlen. G-U beschäftigt ca. 770 Kolleg/innen. Das Unternehmen ist nicht tarifgebunden, hielt sich aber bisher weitgehend an den baden-württembergischen Metall-Tarifvertrag. Obwohl die wirtschaftliche Lage der Firma hervorragend ist, jammert die Geschäftsleitung in den Stuttgarter Nachrichten vom 20. März über den „verschärften Wettbewerb, der zu geringeren Gewinnspannen führe“. Hinzu kämen gesteigerte Rohstoffkosten. Das ist ein besonders lächerliches Argument, da dies für alle Wettbewerber gleichermaßen gilt.
Massiv wird der G-U Betriebsrat unter Druck gesetzt. Schon in der letzten Betriebsversammlung in 2006 soll das Management offen die 40-Stunden-Forderung erhoben haben. Unter Teilen der Belegschaft organisierte Beifallskundgebungen sollten dem Betriebsrat zusätzlich Druck machen.
Die übliche Drohkulisse: Die Geschäftführung droht (laut Stuttgarter Nachrichten) durch Personalleiter Jochen Hanselmann mit dem Abbau von Arbeitsplätzen, wenn die Verhandlungen scheitern sollten. Auch die IG Metall hat sich demnach eingeschaltet und hat eine 37-Stundenwoche angeboten, bezahlt werden sollte nach ihrem Vorschlag eine 36 Stundenwoche
Die G-U-Mitarbeiter/innen werden selbst massiv bedrängt. Mit namentlichen(!) Fragebögen wurden sie befragt, ob sie „für die Arbeitsplätze“ zu einer Rückkehr zur 40-Stundenwoche bereit seien. Zugleich laufen eben die Drohungen mit Arbeitsplatzabbau, Verweigerung von Neuinvestitionen in Arbeitsplätze. G-U droht, mit allen, die dazu bereit sind, individuelle neue Arbeitsverträge individuell abschließen, die die 40-Stundenwoche enthalten. Der Betriebsrat hat bis jetzt keinerlei Vereinbarung abgeschlossen, er ist um seine Lage keinesfalls zu beneiden.
Arbeit Zukunft wünscht ihm Stehvermögen und erklärt ihm seine Solidarität.
Unsere Zeitung hat diese Strategien des Kapitals übrigens bereits vor drei Jahren am Beispiel der Firma Schlafhort richtig analysiert und vorausgesagt.(Vgl.:AZ 6/2003. Internet http://www.arbeit-zukunft.de/index.php/item/68 und http://www.arbeit-zukunft.de/index.php/item/72).
Wie sah die erste Angriffswelle in der Baubeschlägebranche aus? Beim angeblichen Marktführer bei Fenster- und Türbeschlägen, Roto Frank, Leinfelden, ebenfalls Großregion Stuttgart, erfolgte ein entsprechender Angriff Ende 2005. Die IG Metall und der Betriebsrat haben damals die 35 Stundenwoche verteidigt und sich auf nichts eingelassen. Auch dort liefen Versuche, die Belegschaft gegen Betriebsrat und Gewerkschaft aufzuhetzen, um diese zum Nachgeben zu bewegen. Inzwischen wurden angeblich tatsächlich Maschinen und damit Arbeitsplätze in Auslandsstandorte des Roto-Konzerns verlagert und vom Management die Schuld daran dem Betriebsrat und der Gewerkschaft angelastet.
Weitere Firmen dieser Branche waren ebenfalls Schauplatz solcher Erpressungen und Erpressungsversuche. Die Firma Winckhaus (Münster/Telgte), ebenfalls Fenster- und Türbeschlagshersteller, forderte Anfang 2006 von der Belegschaft die 40 Stundenwoche ohne Lohnausgleich.
Dem Vernehmen nach hat die Fensterbeschlägefirma Siegenia (Siegen) bereits seit 2 Jahren eine Vereinbarung mit Betriebsrat und IG Metall über eine 37-Stundenwoche, angeblich, weil alle anderen Konkurrenten längst nur noch im Ausland produzierten und damit konkurrenzlos billiger seien. Dieses „Argument“ stimmt definitiv nicht, wird aber gegenwärtig, leicht modifiziert, auch vom G-U-Management wiederverwertet: „Andere Hersteller hätten schon lange größere Fertigungen im Ausland aufgebaut“, lässt G-U sich im erwähnten Bericht der Stuttgarter Nachrichten zitieren, während man selber edelmütig „fast(!!) ausschließlich in Deutschland produziere“. Deshalb „sei man auf eine Entlastung angewiesen“. Aus Branchenkreisen hört man allerdings, dass G-U in der Türkei Billigbeschläge herstelle und damit vor allem die Beschlagsmärkte des Ostens beliefere. Soviel zudem Wörtchen „fast“.
Das sind stets und ständig, refrainartig, die gleichen Sprüche in allen von solchen Angriffen betroffenen Unternehmen, mit denen die Belegschaften geleimt werden soll. Man möchte Spendenbüchsen für die geplagten Kapitalisten und ihre Geschäftsführungen herumreichen! Merkwürdigerweise aber sprudeln trotzdem die Gewinne.
Die Rolle der IG-Metall ist widersprüchlich und zwiespältig. Mal wird entschieden standgehalten (z.B. bei Roto Frank), mal mitgemacht, (Siegenia), bei G-U wird Entgegenkommen signalisiert. Wie kann das sein. So wird gerade nicht die Gemeinsamkeit der Arbeiter/innen-Interessen hergestellt, sondern die Konkurrenz unter den Kolleg/innen geschürt.
Es wird höchste Zeit, dass in öffentlichen Branchenkonferenzen wenigstens der Versuch unternommen wird, der ruinösen Konkurrenz unter den Belegschaften, die vom Kapital offensichtlich genüsslich angeheizt wird, Grenzen zu setzen, indem gemeinsame Forderungen erhoben, gegenseitige Information organisiert und Absprachen zu gemeinsamem Vorgehen und Verhalten in die Wege geleitet werden.
Auch ist es dringend erforderlich, dass die IG Metall und andere Gewerkschaften es lernen, ihre Mitglieder aufzuklären und überall den Aufruf herauszugeben:
„Unterschreibt keine individuellen Arbeitsverträge!“
Die Situation macht deutlich, wie entsolidarisiert und vereinzelt oft schon die Kolleg/innen den Angriffen des Kapitals ausgesetzt sind. Nur organisiert und gemeinsam können wir dem standhalten.
wf