Die Tarifrunde in der Metallindustrie geht in die
entscheidende Phase. Am 16. und am 18. April 2007 sind die Tarifverhandlungen
in vier Tarifgebieten (Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Küste und Mittelgruppe) ergebnislos vertagt
worden. Die Arbeitgeber verbesserten ihr mieses Angebot nicht.
Entgegen der bescheidenen IG Metall–Forderung nach 6,5 %
mehr Lohn bietet die Kapitalseite eine Lohnerhöhung von lediglich 2,5% an.
Zusätzlich offeriert sie einen so genannten „Konjunkturbonus“ von 0,5 Prozent.
Er soll die Beschäftigten „optisch“, und nur befristet, „an der guten
Konjunktur teilhaben lassen“. Denn nach Ende der Laufzeit des Tarifvertrages
soll er wieder entfallen. Die Folge: alle späteren Tariferhöhungen würden auf
dem niedrigeren Niveau aufsetzen. Den Beschäftigten würde also nachträglich,
heimlich, still und leise Geld aus der Tasche gezogen. Die angebliche
Beteiligung am Höhenflug der Branche ist, so die IG Metall, „nichts als
Blenderei“.
Gleichzeitig ist das Kapital-Angebot noch weiter vergiftet
durch einen Angriff auf das Weihnachtsgeld, der die Jahreseinkommen beschneiden
würde: Unter dem Deckmantel der Variabilisierung soll der Mindestanspruch auf
das Weihnachtsgeld um 13 Prozentpunkte sinken. Diese Forderung lehnte die IG
Metall ab und warnt die Arbeitgeber vor einem grundlegenden Wechsel in der
Tarifpolitik.
Jugend brüskiert!
Keinerlei Bereitschaft existiert bei der Kapitalseite in
Baden-Württemberg, auf die Jugend zuzugehen, weder bei den „klassischen“
Auszubildenden noch bei einer Gruppe, die in Baden-Württemberg verstärkt in den
Blickpunkt gerät, den Berufsakademie(BA)-Studierenden, die eine duale
Ausbildung machen, teils an der Fachhochschulähnlichen BA, teils in einem
Ausbildungsbetrieb, wo sie qualifizierte Arbeit leisten.
Seit dem 1. März. 2007 müssen alle Studierende an einer
staatlichen baden-württembergischen Berufsakademie pro Semester 500 Euro
Studiengebühren zahlen. Die Einführung der Studiengebühren für sie bedeutet
(analog zu den Hochschul-Studierenden) eine finanzielle Belastung. Sie bedeutet
für die BA-Student/innen eine erhebliche Kürzung ihrer Vergütung. Die
Studiengebühren bewirken, dass bei BA-Studierenden das Familieneinkommen über
die Aufnahme eines Studiums entscheidet. Bildung wird einmal mehr vom Einkommen
der Eltern abhängig.
Bildung muss kostenfrei bleiben, gerade auch in diesem Fall,
wo die Betriebe einen unmittelbaren Nutzen von der beruflichen Ausbildung
haben. Die IG Metall-Jugend fordert deshalb die Übernahme der Studiengebühren
für Studierende an Berufsakademien und Studierende in andern dualen
Ausbildungsgängen an Hochschulen durch die Arbeitgeber.
Aber die Arbeitgeber sagen schlicht: Nein!
Ihren Protest gegen diese Haltung demonstrierten bei der 3.
Verhandlungsrunde in Baden Württemberg am 18.04 2007 in Ludwigsburg über
tausend Azubis und BA-Studierende vor dem Verhandlungslokal.
„Die Unternehmen können BA-Studierenden maßgeschneidert nach
ihren Bedürfnissen ausbilden. Sie stellen sich die Ausbildung selbst zusammen,
dann sollen sie auch selbst bezahlen, und zwar komplett, auch die
Studiengebühren“, argumentierte Simone Tuschik, Mitglied der Tarifkommission
der IG Metall vor den Jugendlichen. „Die Gebühr soll der Empfänger bezahlen“.
In einer symbolischen Aktion verteilten jugendliche
Teilnehmer der Aktion die Spitzen-Gewinne der Unternehmen um: Die Kämpfer für
Gerechtigkeit knackten einen Panzerschrank und schütteten die Gewinne mit einer
Geldkanone an die Teilnehmer der Kundgebung aus. „Die Auszubildenden brauchen
eine Einkommen zum Auskommen“, stellt Simone Tuschik klar. „Dies erreichen wir
nur mit einer Ausbildungsvergütung die ein eigenständiges Leben ermöglicht“.
Durchsichtige Taktik des Kapitals!
Nun endet am 28. April die so genannte Friedenspflicht.
Zuvor wird, am 26 April, zumindest in Baden Württemberg noch einmal verhandelt.
Das Unternehmerangebot ist an sich schon eine Frechheit und
Provokation. Denn es gibt bereits am Bau und in der Chemieindustrie
Tarifabschlüsse von nominell rund 3,5 %. Das Angebot der Metallkapitalisten
beläuft sich zahlenwertmäßig auf 3% für die Zeit bis zum nächsten
Tarifabschluss, und das ist eben auch nur alleroberflächlichste Schönrechnerei,
denn nachhaltig wirksam wären ja nur 2,5%.
Durchsichtig ist diese Taktik und plump! Mehr oder weniger
offen spekulieren die Damen und Herren des Metallkapitals darauf, dass sie
unter Stöhnen und Wehklagen auf diese 3,5 % eingehen, wenn es zu Protest,
Aktionen und „Warnstreiks“ kommt. Damit würden sie sehr günstig davonkommen.
Die Metallkapitalisten machen beste Profite!
Denn die Metallindustrie schwimmt in Profiten, keine Branche
profitiert so sehr von der guten Inlandskonjunktur wie von den
Rekordergebnissen im Export (Deutschland Exportweltmeister!). Die
Rationalisierungs- und Umstrukturierungsfeldzüge des letzten Jahrzehnts haben
durch Produktivitätssteigerungen, Leistungsdruck, Arbeitsplatzverlagerung und
-abbau die Profite geradezu explodieren lassen. Hier einige Daten aus der
bürgerlichen Volkswirtschaftslehre (Uni Bremen, Februar 2007):
„In Deutschland sind die Bruttolohnkosten je Stunde nominal
2000-2006 um 1,3% jährlich gestiegen, die Gewinne und Vermögenseinkommen
dagegen um 5,4%.“
Ergänzungen unsererseits, von der Redaktion: In den Jahren
von 2003 bis 2006 stiegen die Gewinne jährlich sogar um ca. 8%. Und das sind
Durchschnittswerte, die auch Firmen mit unterdurchschnittlichen Zahlen einschliessen.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass es in zahlreichen Unternehmen noch viel
höhere Zuwächse gab!! Weiter laut Uni Bremen:
„Die nominalen Lohnsteigerungen je Stunde dagegen haben seit
2000 nicht einmal den Anstieg der Verbraucherpreise – im Durchschnitt 1,6% pro
Jahr – wettgemacht. Am Produktivitätsfortschritt waren Arbeitnehmereinkommen
überhaupt nicht beteiligt. Dieser lag im Durchschnitt der Volkswirtschaft
2000-2006 bei 1,4% jährlich (gerechnet je Arbeitsstunde). Der durchschnittliche
reale Bruttolohn je Arbeitnehmer lag 2006 um 4,6% unter dem Wert von 1995.
(Einzelheiten nachzulesen unter: Trevor Evans u.a. “Tarifpolitische Chancen
nutzen Rückkehr zur produktivitätsorientierten Lohnpolitik geboten“ Uni Bremen.
http://www.memo.uni-bremen.de/docs/m0607.pdf)
Auch der IG-Metall-Vorstand ging bei der diesjährigen
Tarifrunde von ähnlichen Basisdaten aus:
„Ein überdurchschnittliches
wirtschaftliches Wachstum in der Metallindustrie von 5 %.
Die Lohnstückkosten sind in 2006 um mehr als 4% gesunken und
liegen unter dem Niveau des Jahres 2000!“
Genau diese Entwicklung schlägt sich in dem gewaltigen
Produktivitätszuwachs in dieser Branche nieder. Dieser ging und geht massiv auf
Kosten der Beschäftigten. Hier erklärt sich auch die Tatsache, dass – im
offenen Widerspruch zu dem üblichen Gejammer über „hohe Löhne“ und
„Standortnachteile“ – die Wirtschaft Deutschlands „Exportweltmeister“ ist. Die
Arbeiterklasse kann nicht zusehen, wie ihre Ware Arbeitskraft ständig vom
Kapital entwertet wird. Ihre Existenz hängt allein von ihrem Verdienst ab. Sie
muss also ihre Ware Arbeitskraft so teuer wie möglich verkaufen. Das tut ein
Kapitalist übrigens bei seinen Waren ganz selbstverständlich. Er würde herzhaft
lachen, wenn man von ihm bei guter Marktlage forderte, den Preis seiner Waren
freiwillig zu senken. Die Arbeiter und Angestellten würden sich selbst schaden,
wenn sie in Zeiten, wo ihre Arbeitskraft wieder Konjunkturbedingt benötigt
wird, sich nicht für den Lohnraub der zurückliegenden Jahre so weit wie möglich
Entschädigung holen würden.
Diese Sachlage ist ein Grund für unsere auch von etlichen
Vertrauensleutekörpern, also betrieblichen Basisorganisationen der IG Metall,
geteilte Forderung nach 10 % Lohnerhöhung, nicht zuletzt dann auch für die vom
IG-Metall-Vorstand beschlossene 6,5%-Forderung. Denn mit dieser versuchte ja
die IG-Metallführung, der Kritik der kämpferischen Basis an ihrem
versöhnlerischen Kurs den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Urabstimmung sofort!
Das Kapital darf mit seinen billigen Schmierentheatertricks
nicht durchkommen. Es will seine Beschäftigten billig abspeisen. Arbeit-Zukunft
verlangt die volle Durchsetzung der 6,5%-Forderung, und das geht nur, indem
sofort, spätestens nach Ende der Friedenspflicht die Urabstimmung über den
Vollstreik in Angriff genommen wird.
Die letzten Tarifverhandlungen (Vierte Runde) vor Ende der
Friedenspflicht (26.04.07 in Baden Württemberg, Nordrhein-Westfalen und der
Mittegruppe sowie am 27.04.07 in Niedersachsen) überschneiden sich mit dem
Erscheinen der Mai-Nummer unserer Zeitung, so dass wir deren Ergebnisse nicht
mehr berücksichtigen können.
Aber wir erinnern an die Worte der Bezirksleiter, die einen
faulen Kompromiss vor Ende der Friedenspflicht ausschließen müssten:
Armin Schild Bezirksleiter und Verhandlungsführer der
Mittelgruppe am 18. 04:
„Die Arbeitgeber müssen sich bewegen“, „Kommt nichts oder zu
wenig, provozieren die Arbeitgeber eine Verschärfung des Drucks“. „Dann müssen
wir mit massiven Warnstreiks in allen unseren Tarifgebieten Druck machen.
Unmittelbar ab Ablauf der Friedenspflicht, am 29. April, null Uhr, geht´s los“.
Jutta Blankau, Bezirksleiterin Küste:
„Wenn die Arbeitgeber in den Verhandlungen beim Entgelt
nicht substantiell nachlegen provozieren sie die Warnstreiks nach der
Friedenspflicht!“
Oder Jörg Hofmann, Bezirksleiter und Verhandlungsführer in
Baden Württemberg:
„Die Friedenspflicht läuft am 28. April aus. Haben wir bis
dahin kein Ergebnis, wird nicht lange gefackelt. Wir scheuen den Konflikt
nicht. Wir sind ohne Einschränkung mobilisierungsfähig!“
Die klassenkämpferischen Kolleg/innen kennen diese Reden
schon und sind misstrauisch. Auf sie kommt es an, auf ihren Mut und ihr
Vorangehen! An ihnen und der Masse der Gewerkschaftsmitglieder wird der Kampf
nicht scheitern. Sie erwarten, dass es jetzt losgeht!
Die IG-Metall-Führung kann es sich nicht erlauben, diese
kampfbereiten Kolleg/innen erneut mit einem faulen Kompromiss, über den an der
Basis schon jetzt Wetten abgeschlossen werden, in den Nächten vor dem 28 April
zusammengezimmert, zu brüskieren.
Wir fordern deshalb:
Volle Durchsetzung der 6,5 %!
Urabstimmung und Streik sofort nach dem Scheitern der
vierten Verhandlungsrunde!
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