10. Februar 2007 – Demonstration gegen Nato-Militärtagung in München oder: wie man mit Polizeigewalt das Demonstrationsrecht faktisch außer Kraft setzt

Tobias Pflüger bei der Anti-NATO-Demo München 2007In München ist man schon einiges gewöhnt: unsägliche
Behördenauflagen, ein Spalier von Robocops neben der Demoroute, ständiges
Abfilmen der Demonstranten, Polizeiübergriffe.

Dieses Mal kam es noch etwas härter.

Bereits im Vorfeld, am 17. Januar, durchsuchte die Polizei
in München acht Objekte, neben drei Privatwohnungen die selbstverwalteten Räume
im ehemaligen „Tröpferlbad“, die Basis-Buchhandlung, den Kulturladen und eine
Druckerei mit benachbarten Büroräumen. Den Vorwand bildeten ein Flugblatt und
eine Broschüre, die im Rahmen der Mobilisierung gegen die
Nato-„Sicherheitskonferenz“ und gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm erschienen
sind.

Begründet wurden die Durchsuchungen und Beschlagnahmen – u. a.
von Computern – damit, dass angeblich in diesen Veröffentlichungen dazu
aufgerufen wird, im Rahmen des Widerstandes gegen den G8-Gipfel den
Militärflughafen Rostock-Lage zu blockieren und dies als „Aufruf zu Straftaten“
bewertet wurde. Allerdings stellen laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts
„Blockaden als Mittel des zivilen Ungehorsams“ lediglich Ordnungswidrigkeiten
dar. Das stört aber die Staatsgewalt nicht, wenn es um die Verfolgung geht und so
fanden auch in Erlangen unter dem gleichen Vorwand Hausdurchsuchungen statt.

Horst Teltschik, der Organisator der „Sicherheitskonferenz“,
dieser illustren „Gesprächsrunde“  von
führenden Politikern imperialistischer Staaten (Angela Merkel,  Putin, US-Kriegsminister Gates, Nato-Generalsekretär
Jaap de Hoop Scheffer u.a.), hohen Militärs und den Chefs großer
Rüstungskonzerne, ließ im Vorfeld der Tagung seine Ansicht über Demokratie
durchblicken: im Bayerischen Rundfunk erklärte er, auf die Frage, ob ihn die
Demonstrationen gegen die Sicherheitskonferenz stören: „Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung
öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer
Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.“

Anti-NATO-Demo München 2007Dieses offene Bekenntnis Teltschiks, der immerhin einmal
enger Berater von Kanzler Kohl war, löste natürlich Protest aus. Tobias
Pflüger, EU-Abgeordneter der LINKEN und IMI-Vorstandsmitglied,
schrieb in einer Presseerklärung: „Teltschik
ist ein Anti-Demokrat reinsten Wassers. Mit einer Diktatur kann sich der
Organisator der NATO-Sicherheitskonferenz offensichtlich gut anfreunden. Das
ist in hohem Maße unerträglich. Die Bundesregierung hat kein Problem mit Teltschiks
Diktaturvorliebe. Mit 323 000 Euro trägt das Bundespresseamt zum Gelingen der
Veranstaltung bei…“

Aber nun zur eigentlichen Demo:

Der Marienplatz, auf dem um 12 Uhr die Auftaktkundgebung
stattfand, war von der Polizei mit Spanischen Reitern eingezäunt mit Ausnahme
einiger schmaler Lücken, an denen Gesichts- und Taschenkontrollen derjenigen,
die zu der Kundgebung wollten, stattfanden. Es gab zwei Reden, eine davon von
Tobias Pflüger, der mit mutigen Worten den geplanten Tornado-Einsatz der
Bundeswehr in Afghanistan brandmarkte und die Soldaten, die diesen Einsatz
leisten sollen, zur Kriegsdienstverweigerung und Desertion aufrief.
Anschließend wurde noch eine lange Latte von Demo-Auflagen des Ordnungsamtes
verlesen und dann konnte der Zug losgehen. Etwa eine halbe Stunde bewegte sich
der Zug friedlich zwischen den unvermeidlichen Spalieren der Robocops vorwärts,
dann kam es in der Zwingerstraße zum ersten Zwischenfall. Zufällig bewegte ich
mich gerade dort, wo eine Horde Polizisten in Kampfmontur von der Seite in den
Demozug einbrach und anfing, wie wild Leute hin und herzuschubsen. Es
entwickelte sich ein hektisches Gerangel, bis sich die Demo-Leute formierten
und lautstark „haut ab! haut ab!“ skandierten. Auch von den Lautsprecherwagen
her wurde die Polizei aufgefordert, diese Übergriffe zu unterlassen.
Schließlich zogen sich die Robocops zurück. Die Demonstranten hatten sich nicht
provozieren lassen!

Verhaftung bei der Anti-NATO-Demo München 2007Keine zehn oder fünfzehn Minuten später wieder Stress mit
den Grünen: Angeblich hatte jemand ein Plastikabsperrband (rot-weiß, wie man es
auf Baustellen benützt), das die Polizei unnötigerweise entlang der Demoroute
gespannt hatte, zerrissen. Anlass genug, dass sich drei Polizisten (!!) auf
diesen Mann stürzten, ihn zu Boden warfen und dann in ein Polizeiauto zerrten
(so wurde der Zwischenfall über Lautsprecher geschildert). Der Demozug blieb
mindestens eine Viertelstunde stehen. Wenig später gab es den nächsten von der
Polizei provozierten Stopp. Und etwa so ging es weiter. Trotz Allem blieb die
Stimmung in der Demo gut. Die Leute, obwohl wieder mal nach Blöcken
(Antiimperialistischer Block, Friedensinitiativen ….) aufgestellt, verhielten
sich sehr solidarisch und es gelang der Polizei nicht, die Demonstranten in
„Friedliche“ und „Gewaltbereite“ zu spalten – denn die Provokationen gingen gezielt
gegen den „schwarzen Block“, Autonome und ihr Umfeld.

Es war schon gegen 16 Uhr – die Demo dauerte also schon fast
4 Stunden – als in der Sonnenstraße, etwa einen halben Kilometer vor Demo-Ende,
die Knüppelgarden noch einmal hart zuschlugen. Von weitem sah ich schon einen
großen Pulk schwarz gekleideter Cops (das sind die SEK’s) am Rand der Demoroute
stehen und dachte mir bereits, da kommt noch was. Und so war es dann auch. Wieder
drängelte und provozierte die Polizei ohne einen ersichtlichen Anlass. Ein
Demonstrant, der sich abseits auf einen Betonpfeiler gesetzt hatte, wird von
der Polizei heruntergezerrt und schlägt mit dem Kopf aufs Pflaster. Der
Rettungswagen muss kommen. Die Demo steht wieder lange Zeit am Platz.

Die Demo war von Polizei umringtWenig später, am Stachus, beschließt die Demoleitung, die
Demo aufzulösen und nicht mehr bis zum ursprünglich vorgesehenen Platz der
Schlusskundgebung, dem Lenbachplatz, weiterzumarschieren. Erstens, weil die
Leute nun schon mehr als vier Stunden unterwegs waren, zweitens, weil die
Polizei im Vorjahr nach der Schlusskundgebung durch Greiftrupps noch zahlreiche
Teilnehmer festgenommen hat.

Übrigens war die Anzahl der Demonstranten auf 6 000 bis 7
000 geschätzt worden, die Presse brachte laut Polizeiversion am Montag die Zahl
3 000 – bei 3 500 Polizisten im Einsatz!!!

Insgesamt gab es 46 Festnahmen – die meisten (wieder laut
bürgerlicher Presse) wegen Beleidigung. Ja, Beamtenbeleidigung ist allemal
einen Prügeleinsatz wert!

Nun, aufgrund der mutigen, aber besonnenen Haltung der
Demonstranten – in München ist man solche Polizeiprovokationen eben langsam
gewöhnt – konnte die Demo gegen die NATO-Kriegstreiber doch noch erfolgreich
beendet werden. Zu dritt konnten wir etwa 500 Zeitungen und etwas mehr an Aufrufen
zum G8-Gipfel in Heiligendamm verkaufen bzw. verteilen.

S.N.