Mit der neuen Metalltarifrunde 2007 zieht eine wichtige
gesellschaftliche Auseinandersetzung herauf. Erfahrungsgemäß setzen die
Tarifkämpfe in der Metallindustrie die entscheidenden Wegmarken für die
Entwicklung der Löhne und Gehälter, kurz, die Entgelte im ganzen Land. Erste
Diskussionen innerhalb der Tarifkommissionen in den Tarifkampfbezirken der IG
Metall haben bereits stattgefunden.
Am 6. Februar 2007 will der IG Metall-Vorstand dann eine so
genannte Forderungsempfehlung an die Tarifkommissionen herausgeben und die
Tarifverträge kündigen. Diese laufen dann zum 31. März ab.
Bis 26. Februar soll in der IG Metall die
Forderungsdiskussion laufen, die dann mit Beschlüssen in den Tarifkommissionen
zum Abschluss gebracht werden.
Am 26. Februar will der IG Metall-Vorstand offiziell die
Forderung beschließen.
Danach geht es in die eigentliche Tarifrunde: Verhandlungen
beginnen in den einzelnen Tarifgebieten.
Am 28. April um 24 Uhr endet bundesweit die Friedenspflicht,
dann können Streiks beginnen, erfahrungsgemäß erst Warnstreiks, bevor es
überhaupt zu Urabstimmungen und regulären Streiks kommt. Da in den östlichen
Bundesländern keine Schieds- und Schlichtungsabkommen gelten, sind dort
übrigens Streiks und Aktionen bereits mit dem Auslaufen der Tarifverträge am
31. März zulässig.
Bis jetzt liegen nach unseren Erkenntnissen keine Beschlüsse
über eine Forderung zur Tariflohnerhöhung vor, weder von Vertrauensleutekörpern
der Metallindustrie, noch von anderen Gremien. Aber zweifellos sagt es schon
etwas aus, wenn aus der Großen Tarifkommission in Baden Württemberg
Meinungsäußerungen zu hören sind, dass das Tarifergebnis keineswegs unter 6 %
liegen dürfe! Das zeigt, dass angesichts der rapide gestiegenen Gewinne der
Firmen, des enorm gestiegenen Leistungsdrucks und des damit einhergehenden
massiven Anstiegs der Produktivität und des konjunkturellen Aufschwungs
einerseits und andererseits der ständig zunehmenden Belastungen durch steigende
Steuern und Sozialabgaben sowie durch den ungebremsten Sozialabbau die
Kolleg/innen an der Basis endlich eine deutliche Lohnerhöhung erwarten. Gerade
der letzte Faktor wird vom IG Metall-Vorstand traditionell aus der
Forderungsdiskussion herausgehalten mit der Begründung, die Gewerkschaft könne
nicht ausgleichen, was die Regierung den Kolleg/innen wegnimmt. Das ist ein Argument, das die Basis nicht akzeptieren
sollte. Sie sollte für das kämpfen, wofür die Kampfkraft, die Solidarität und
die Geschlossenheit reichen!
Wir schlagen allen Kolleg/innen, in den Betrieben, in den
Vertrauensleutegremien, in den Tarifkommissionen vor, angesichts dieser Lage
eine Forderung von mindestens 10% zu erheben, diese mit
Mindestbetragsforderungen für die unteren Entgeltgruppen abzustützen und schon
im Vorfeld klar jeden Angriff auf die 35-Stundenwoche und die anderen
Tarifstandards zurückzuweisen.
Dieser Standpunkt wird nicht zuletzt durch die so genannten
Rahmendaten unterstützt, mit denen der IG Metall-Vorstand die
Forderungsdiskussion steuern will. Er will erfahrungsgemäß die Forderungen
bremsen und mäßigen. Trotzdem zeigen diese Daten, dass 10 % absolut
gerechtfertigt sind.
Der IG-Metall-Vorstand geht von folgenden Basisdaten aus:
- Ein
überdurchschnittliches wirtschaftliches Wachstum in der Metallindustrie von 5 %
- Die Lohnstückkosten
sind in 2006 um mehr als 4% gesunken und liegen unter dem Niveau des Jahres
2000! Eine Entwicklung, in der sich der gewaltige Produktivitätszuwachs in
dieser Branche niederschlägt. Dieser ging und geht massiv auf Kosten der
Beschäftigten und rechtfertigt eine deutliche Lohnerhöhung. Hieraus erklärt
sich unter anderem auch die Tatsache, dass – im offenen Widerspruch zu dem
üblichen Gejammer über „hohe Löhne“ und „Standortnachteile“ – die Wirtschaft
Deutschlands „Exportweltmeister“ ist. - Der IG
Metallvorstand geht von einem so genannten Verteilungsspielraum von 4,1 % für
Entgelterhöhungen gesamtwirtschaftlich und von 6,5 % in der Metallindustrie
aus. Dies deckte sich in etwa mit den oben erwähnten Äußerungen aus der
Tarifkommission in Baden-Württemberg. Die IG Metall errechnet diesen Wert aus
den vermuteten Preiserhöhungen, die dem Kapital am Markt möglich sind und aus
den Produktivitätszuwächsen. Eine solche Rechnung aber unterstellt
unausgesprochen, dass der Anteil der Entgelte an den Umsätzen der Unternehmen
durch die geforderte Tariferhöhung gleich bleibt.
Auch das muss von den Kolleg/innen nicht akzeptiert werden.
Dagegen spricht, dass die Anteile der Personalkosten an den
Unternehmensumsätzen auf Grund der Rationalisierungswellen ständig sinken, dass
die Unternehmen anteilig also immer weniger für ihre Beschäftigten zahlen.
Deshalb ist es überhaupt nicht im Interesse der
Lohnabhängigen, auf diesen Verteilungsspielraum einzugehen. Deshalb fordern wir
mehr, deshalb fordern wir mindestens zehn Prozent!
Das Kapital hat in den zurückliegenden Jahren die schwierige
Lage der Arbeiter und Angestellten, die Millionen von Arbeitslosen, die
ständigen Massenentlassungen, die Erpressung mit Verlagerungsdrohungen genutzt,
um die Löhne in vielfältiger Weise zu drücken. Da wurde unbezahlte Mehrarbeit
verlangt und in einigen Betrieben durchgesetzt. Da wurde mehr Flexibilisierung
auf Kosten der Beschäftigten erzwungen. Da wurden in manchen Unternehmen Leistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld
gekürzt. Da sanken die Reallöhne, wenn man die Preissteigerungen berücksichtigt.
Das Kapital nahm keinerlei Rücksicht. Es hat seine Interessen nach
Profitmaximierung gegen die Beschäftigten durchgesetzt.
Derzeit ist die Lage anders: Die Produktion brummt. In
einigen Bereichen herrscht bereits Arbeitskräftemangel. Oft kommt die
Produktion nicht hinter den Aufträgen her. Das ist ein günstiger Zeitpunkt für
Lohnerhöhungen. Denn derzeit sind Arbeiter und Angestellte objektiv in einer
starken Position. Sie müssen sich dessen bewusst werden! Nur wenn man Macht
hat, kann man in den Auseinandersetzungen mit dem Kapital etwas erreichen.
Jetzt haben Arbeiter und Angestellte bessere Kampfbedingungen.
Karl Marx sagte dazu:
„Das Maximum des Profits ist daher begrenzt durch das
physische Minimum des Arbeitslohns und das physische Maximum des Arbeitstags.
Es ist klar, daß zwischen den beiden Grenzen dieser Maximalprofitrate eine
unendliche Stufenleiter von Variationen möglich ist. Die Fixierung ihres
faktischen Grads erfolgt nur durch das unaufhörliche Ringen zwischen Kapital
und Arbeit, indem der Kapitalist ständig danach strebt, den Arbeitslohn auf
sein physisches Minimum zu reduzieren und den Arbeitstag bis zu seinem
physischen Maximum auszudehnen, während der Arbeiter ständig in der
entgegengesetzten Richtung drückt.
Die Frage löst
sich auf in die Frage nach dem Kräfteverhältnis der Kämpfenden.“
(Marx: Lohn, Preis, Profit. Marx/Engels, MEW Bd. 16, S. 149)
Und weiter, mit geradezu unheimlicher Aktualität:
„Diese wenigen Andeutungen werden genügen, um zu zeigen, daß
die ganze Entwicklung der modernen Industrie die Waagschale immer mehr
zugunsten des Kapitalisten und gegen den Arbeiter neigen muß und daß es
folglich die allgemeine Tendenz der kapitalistischen Produktion ist, den
durchschnittlichen Lohnstandard nicht zu heben, sondern zu senken oder den Wert
der Arbeit mehr oder weniger bis zu seiner Minimalgrenze zu drücken. Da nun die
Tendenz der Dinge in diesem System solcher Natur ist, besagt das etwa, daß die
Arbeiterklasse auf ihren Widerstand gegen die Gewalttaten des Kapitals
verzichten und ihre Versuche aufgeben
soll, die gelegentlichen Chancen zur vorübergehenden Besserung ihrer Lage auf
die bestmögliche Weise auszunutzen? Täte sie das, sie würde degradiert werden
zu einer unterschiedslosen Masse ruinierter armer Teufel, denen keine Erlösung
mehr hilft.“ (Marx: Lohn, Preis, Profit. Marx/Engels, MEW Bd. 16, S. 151)
Die derzeit günstige Lage muss also ausgenutzt, die
Kampfkraft in den Betrieben voll ausgespielt werden. Es gibt für die Arbeiter
und Angestellten keinen Grund, auf das Kapital Rücksicht zu nehmen. Das Kapital
hat sehr deutlich gezeigt, dass es selbst seine Interessen mit voller Kraft
vertritt. Da braucht es keine Fürsprecher in der Arbeiterbewegung, die zur
Rücksichtnahme gegenüber dem Verhandlungspartner auffordern. In schlechteren
Zeiten wird das Kapital die Lager der Arbeiter und Angestellten sowieso
ausnutzen, um die Löhne wieder nach unten zu drücken. Man muss sich also keine
Sorgen um das Kapital machen sondern um die Arbeiter und Angestellten.
Um die Kampfkraft so gut wie möglich zu stärken, ist
Solidarität und Zusammenarbeit dringend nötig. Statt einem „Bündnis“ mit dem
Kapital brauchen wir ein Bündnis in der Arbeiterklasse. Alle Gewerkschaften
müssen untereinander ein Bündnis der Solidarität schließen, dass sie nicht
jeweils allein dem Kapital gegenüberstehen, sondern solidarische Unterstützung
erhalten und geben.
Wir schlagen darüber hinaus vor, dass überall öffentlich die
Forderung nach 10% erhoben wird, dass sie auch für Rentenerhöhungen, für die
Erhöhungen von ALG II/Hartz IV-Leistungen und für die unterstützenden
Sozialhilfeleistungen gestellt wird. Gewerkschaften und die Interessenverbände
dieser Gruppen müssen zusammen arbeiten. Da sind die Interessenverbände dieser
Gruppen gefragt. Und wir sagen: Jeder Erfolg der Tarifrunde erhöht den
Forderungspielraum auch für alle anderen Gruppen. Der Erfolg liegt im Interesse
aller, die von den Entgelten der Arbeitenden wie der erwerbslosen Menschen
abhängen! Deshalb:
Alle gemeinsam gegen das Kapital!
Alle gemeinsam für mindestens 10 % mehr!
Redaktion Arbeit Zukunft