Der Bundeswehrskandal in Afghanistan – kein Wunder und kein Einzelfall

BILD ueber BundeswehrskandalEmpörung und Moralpredigten aller Orten, nachdem die Fotos
von Leichenschändungen in der BILD und in anderen Medien auftauchten.
Kriegsminister Franz Josef Jung moralisierte: „Die Bilder erregen Abscheu!“.
Reinhold Robe, SPD und Wehrbeauftragter des Bundestages forderte „sofortige und
schonungslose Aufklärung“. Angela Merkel meinte öffentlich, das sei „schockierend
und abscheulich“. Die Liste der berufsmäßigen Moralapostel ließe sich beliebig
verlängern. Und natürlich waren sich alle einig: Das liegt nicht an der
Bundeswehr, sondern es handelt sich um Einzelfälle. Der frühere
Generalinspekteur der Bundeswehr, Ex-General Harald Kujat erklärte, dies sei
ein Problem der Gesellschaft und meinte: „Wie soll die Bundeswehr in wenigen
Wochen oder Monaten das, was an Fehlentwicklungen in 18 Jahren entstanden ist,
ändern?“ Also sind die Eltern, die Lehrer und alle anderen schuld, nur die
Bundeswehr und die Regierung waschen ihre Hände in Unschuld!

Das Dumme war nur, dass nach den ersten Veröffentlichungen
auf einmal hunderte Skandalfotos und hunderte Einzelfälle bekannt wurden. Und
es ist ja nicht der erste Skandal in den die deutsche Regierung, die Bundeswehr
und die Geheimdienste verwickelt sind.

Einige der jetzigen Täter stammen aus dem
Gebirgsjägerbataillon 233 in Mittenwald, das bereits traurige Berühmtheit
dadurch erlangt hat, dass sich dort  seit
1952 alljährlich die deutschen Gebirgsjägerveteranen aus Hitlers Wehrmacht auf
dem Hohen Brendten bei Mittenwald versammeln. Das Gebirgsjägerbataillon 233
sieht sich in stolzer militärischer Tradition. So sagte Gebirgsjäger-General
Reinhardt als Gastredner bei einem der Treffen, diese Truppe stünde „in der
gelebten Tradition der Gebirgstruppe, die sehr bewusst für Werte steht, die
Richtschnur unseres Handelns sind, diese Männer waren unsere Vorbilder.“ Die
Werte des Gebirgsjägerbataillons, die nach den Worten des Generals Richtschnur
und Vorbild der heutigen Bundeswehrgebirgstruppe ist, waren während des Zweiten
Weltkriegs Kriegsverbrechen: Auf der griechischen Insel Kephallonia haben sie
1943 über 4000 gefangene italienische Soldaten erschossen. Außerdem hat die
Elitetruppe die Deportation der griechischen Juden unterstützt. Antifaschisten
und Antimilitaristen demonstrieren deshalb gegen die Traditionstreffen in
Mittenwald.

Ständig gibt es Skandale wie den von Coesfeld, wo Ausbilder
Rekruten z.B. mit Stromstößen, Tritten und Schlägen misshandelten. Professor
Michael Wolffsohn von der Bundeswehruniversität München forderte ungestraft bei
einer Fernsehdiskussion bei Sandra Maischberger am 5. Mai 2004: „Als eines der
Mittel gegen Terrorismus halte ich Folter oder die Androhung von Folter für
legitim.“ Das zeigt die geistige Haltung in der Führung der Bundeswehr. Daran ändern
auch Wolffsohns Klarstellungsversuche angesichts der Empörung über diese
Äußerung, er halte Folter nach wie vor für illegal. Legitim („vertretbar“) sei
eben nicht dasselbe wie legal. 1997 wurde enthüllt, dass der Neonazi Roeder ein
gern gesehener Gast bei der Bundeswehr war. 1996 hatten Soldaten des
Gebirgsjägerbataillons Schneeberg auf dem Truppenübungsplatz Hammelburg
Horrorvideos mit Hinrichtungs- und Vergewaltigungsszenen gedreht – zur
Vorbereitung auf einen Einsatz in Bosnien. Im jährlichen Bericht des
Wehrbeauftragten wurden 2005 rund 5600 Beschwerden unter anderem über
Schikanen, Diskriminierungen und Beleidigungen erfasst. Schon im Juli 2005
veröffentlichte der „Stern“ brutale Fotos von KSK-Mitgliedern  (Kommando Spezialstreitkräfte) aus Afghanistan.
Die Liste der Skandale ist unvollständig, zeigt aber, dass schon seit langem
klar ist, dass die Bundeswehr immer mehr solche Vorfälle in ihren Reihen hat.

Dass die Bundesrepublik tief in den menschenverachtenden so
genannten „Anti-Terror-Kampf“ des US-Imperialismus, der selbst brutaler Terror
ist, verstrickt ist, zeigt sich z.B. am Fall des Deutschen Khaled al-Masri, der
2003 in Mazedonien vom CIA verschleppt, misshandelt und in Afghanistan
inhaftiert wurde. Ein deutscher Ermittler des Bundesnachrichtendienstes mit dem
Decknamen „Sam“ soll an seinen illegalen Verhören beteiligt gewesen sein.
Innenminister Otto Schily war frühzeitig über die Entführung informiert, ohne
etwas für den deutschen Staatsbürger zu unternehmen. Es besteht sogar der bis
heute ungeklärte Verdacht, dass deutsche Behörden an der Entführung beteiligt
waren.

Bei dem Bremer Murat Kurnaz verlief das ganze ähnlich. Im
November 2001 in Pakistan verhaftet und in Afghanistan, später dann in
Guantanamo inhaftiert, berichtet er, dass er von deutschen Soldaten, nach
seinen Worten von Mitgliedern des KSK (Kommando Spezialstreitkräfte), in dem
afghanischen US-Foltergefängnis in Kandahar (im Süden Afghanistans) mitbewacht
wurde. Bei Verhören sollen ebenfalls Ermittler des Bundesnachrichtendienstes
dabei gewesen sein. Als die USA 2002 den deutschen Behörden die Freilassung von
Kurnaz anboten, lehnten diese ab, obwohl sie sich offiziell angeblich für ihn
einsetzten. So wurde er nach langjähriger grausamer Inhaftierung erst im August
2006 frei gelassen.

Gnadenlos - HindenburgDie offizielle Propaganda für die Auslandseinsätze der
Bundeswehr malt ein ansprechendes Bild: Soldaten sind „Aufbauhelfer“ oder auf
„Friedensmission“. Man sieht Fotos von lächelnden Soldaten, die glückliche
Kinder auf dem Arm haben und ihnen Spielzeug oder Süßigkeiten schenken. Ein
General eröffnet feierlich einen Brunnen oder eine neue Schule. Dann wieder
wird berichtet, wie beliebt angeblich die Bundeswehr bei der Bevölkerung ist,
weil sie für Ruhe und Ordnung sorgt.

Bei all dieser wunderbaren Propaganda wundert man sich nur,
warum es dann in den von der Bundeswehr besetzten bzw. mitbesetzten Ländern so
viele Menschen gibt, die dagegen kämpfen und dass deshalb Waffen für die
„Befriedung“ eingesetzt werden. Doch darüber erfährt man kaum etwas.

In eine weitere Propagandalüge der Bundesregierung kommt
nach und nach Licht: Die Kampfeinsätze des KSK (Kommando Spezialstreitkräfte)
sind streng geheim. Berichte über deren Taten oder Untaten gibt es nicht. Die
Medien halten sich weitgehend an diese Zensur und berichten meist nur, was sie
von der Pressestelle der Bundeswehr dazu erhalten. Soviel aber ist schon klar
und auch offiziell nicht mehr bestritten: Das KSK kämpft im Rahmen der
berüchtigten, von der US-Armee kommandierten Kriegsaktion „Enduring Freedom“ mit,
und zwar auch im Süden Afghanistans! Denn „Enduring-Freedom“-Aktionen laufen
weitgehend nur dort! Die Mär, die Bundeswehr baue im Norden Afghanistans auf,
ist damit widerlegt!

Tatsächlich ist die Bundeswehr eine Besatzungstruppe. In
Afghanistan wird dies deutlich. Da das afghanische Volk sich immer stärker
gegen die NATO-Truppen wehrt, hat sich die Bundeswehr mittlerweile in ihren
Lagern verschanzt und wagt sich nur noch schwer bewaffnet und in größeren
Gruppen raus. Laut Spiegel-online werden sie momentan sogar von den Rambos der
KSK bewacht. Kein Wunder! Die Lage der Menschen in Afghanistan hat sich seit
der „Befreiung“ durch die US-Truppen und die NATO dramatisch verschlechtert.
Die Regierung besteht aus Marionetten der USA und aus Drogenbaronen. Nach
Angaben der Stuttgarter Zeitung vom 12.9.06 wird dieses Jahr eine
Rekord-Opiumernte erwartet. Die Menschen hungern, haben kein sauberes Wasser,
ihre Häuser werden von der NATO zerstört. Nur eine kleine korrupte und
verkommene Elite profitiert von der Besatzung. Es ist bedauerlich, dass der
Widerstand weitgehend von den reaktionären Taliban geführt wird. Wir wünschen
uns das anders und unterstützen alle progressiven, antiimperialistischen
Kräfte. Der Widerstand der afghanischen Völker ist gerecht.

Beim Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr sind bisher 18
deutsche Soldaten umgekommen. Natürlich haben deutsche Soldaten auch Afghanen
umgebracht. Darüber schweigt unser Kriegsministerium aber. Kriege erziehen
nicht zu menschlichem und mitfühlendem Verhalten. Die Stuttgarter Zeitung vom
26. Oktober brachte einen Artikel über die Bundeswehr unter dem Titel „Immer
mehr Fälle von Verrohung“. Das ist bei einer imperialistischen Armee nicht
verwunderlich. Die Besetzung fremder Länder, die Unterdrückung der Bevölkerung,
die Ermordung von Menschen führen zu einer Verrohung. Und natürlich ist auch
die Erziehung in einer Armee, die solche Einsätze durchführt, eine ganz andere
als in einer Armee, die nur im eigenen Land zur Verteidigung steht. Truppen wie
das KSK werden mit ausgesprochen großer Härte ausgebildet. Sie wären sonst für
ihre geheimen, hochriskanten und brutalen Aufträge unbrauchbar. Die „normalen“
Einheiten, die im Ausland eingesetzt werden, werden ebenfalls entsprechend hart
trainiert. Brutalität ist Bestandteil des imperialistischen Soldatenlebens.

Edelste Tugenden - MoltkeOhne dass wir von den neuen Skandalen wussten, haben wir in
„Arbeit Zukunft“, September 2006, S.11-13 einen Artikel „Kriegseinsätze der
Bundeswehr und Kriegsneurosen“ veröffentlicht, in dem es heißt:

„Seit die Bundeswehr wieder Kriegseinsätze im Ausland
durchführt, gibt es auch wieder Tote, Verletzte und ebenso schwerste psychische
Störungen.“ Und weiter: „Und manche Störungen werden nicht oder erst dann
entdeckt, wenn es zu spät ist. Neben denen, die nämlich äußerlich sichtbar
versagen, zusammenbrechen und ihr ganzes Leben nicht mehr im Griff haben,
kommen aus Kriegen auch immer wieder Menschen zurück, die emotional völlig
erkaltet und aggressiv geworden sind. Viele dieser Menschen finden nie wieder
in ein normales Leben zurück. Sie sind entwurzelt und können keine menschlichen
Beziehungen mehr eingehen. Sie werden häufig kalte Verbrecher, grausame Mörder.
So zieht der Krieg seine blutige Spur auch im Zivilleben weiter.“

Man muss ergänzen: Nicht nur im Zivilleben! Die Verrohung
findet im Krieg statt und kann dort ausgelebt werden. Nicht umsonst sind
Neonazis und Abenteurer während des Krieges in Jugoslawien scharenweise nach
Kroatien und Bosnien gezogen, um dort das Mordhandwerk lernen zu können und
ihrer Brutalität ungestraft freien Lauf lassen zu können. Die imperialistischen
Kriege sind ein guter Platz, um Perversionen, Asozialität, Mordgelüste in jeder
Form auszuleben.

Es ist deshalb übelste Heuchelei, wenn nun die Politiker der
deutschen Kriegsparteien, die tausende Soldaten ins Ausland geschickt haben, um
dort deutsche Großmachtpolitik durchzusetzen, von „Abscheu“ und „Ekel“ reden
sowie „rasche Aufklärung“ fordern. Diese Phrasen sind sattsam bekannt. Sie
werden bei jedem Skandal heruntergeleiert.

Die Vorfälle in Afghanistan sind ein abscheulicher und Ekel
erregender Skandal! Aber der eigentliche Skandal besteht darin, dass Regierung
und Kapital deutsche Truppen wieder zu Militäreinsätzen in die ganze Welt
schicken – für ihre Macht- und Profitinteressen. Sie drängeln sich regelrecht
nach immer mehr und immer gewalttätigeren Einsätzen. Im Libanon haben sie
ausdrücklich freie Hand – das heißt Freiheit zum Waffeneinsatz – gefordert und
sind nun beleidigt, dass die libanesische Regierung nicht völlig auf ihre
Souveränität verzichten will. Sie wollen möglichst schnell wieder etwas in der
Welt zu sagen haben.

Für das deutsche Volk bedeutet das Milliarden Euro
zusätzliche Lasten. Es bedeutet, dass immer mehr junge Menschen ihr Leben für
die deutsche Großmachtpolitik lassen müssen. Es führt zu einer Verrohung des
Militärs und einer schleichenden Militarisierung mit einer immer stärkeren
Einschränkung der bürgerlichen Rechte und Freiheiten. Wenn jetzt Kriegsminister
Jung auch noch den Einsatz der Bundeswehr im Inneren fordert, dann kann man das
nur als Drohung gegenüber der eigenen Bevölkerung auffassen.

Wir fordern:

Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr!

Rückzug aller Bundeswehrsoldaten!