Grün schimmerndes „Fleisch“, stinkend, von Gefrierbrand überzogen,
dreckig und Ekel erregend – fast täglich taucht in irgendwelchen Kühlhäusern,
Restaurants usw. Gammelfleisch auf. Und das ist nicht der erste
Gammelfleischskandal! Schon mehrfach hatte man in Kühlhäusern vergammeltes
Fleisch entdeckt und immer versprochen „hart durchzugreifen“. Geschehen ist
nichts!
Das kann auch nicht verwundern. Lebensmittelskandale gehören
zum Alltag der kapitalistischen Lebensmittelindustrie und ihrem Streben nach
Profit.
Beim Skandal in der Nudelindustrie, wo unter anderem in
Birkel-Frischei-Nudeln Hühnerkot, tote Hühnermembryonen und ähnliche
„Leckereien“ gefunden wurden, geschah am Ende nichts. Birkel und andere Firmen
wurden frei gesprochen, weil alles fein säuberlich sterilisiert worden und
damit nicht mehr „gesundheitsgefährdend“ war. Die Behörden, die vor dem Verzehr
der „leckeren Frischei-Nudeln“ gewarnt hatten, mussten sogar Schadensersatz an
die Firmen zahlen. Nach dem Gerichtsurteil hätten sie erst warnen dürfen, wenn
gesundheitsschädliche Keime in den „Frischei-Nudeln“ gefunden worden wären. Der
Verkauf von Kot als Lebensmittel ist also dann nicht strafbar, wenn dieser
vorher steril gemacht wird! Das ist die Logik des kapitalistischen
Profitsystems! Auch bei späteren Skandalen, wie dem Verkauf von BSE-verseuchtem
Fleisch, geschah wenig. Ein paar markige Politikerworte – und dann ging es
weiter wie bisher. Allein in Bayern ist das jetzt der dritte
Gammelfleischskandal!
Staatliche Behörden kontrollieren immer weniger und
oberflächlicher
Auch der jetzige Gammelfleischskandal ist nicht etwas durch
den Eifer der Behörden aufgedeckt worden. Einer der jetzt betroffenen
Fleischgroßhandelsbetriebe wurde insgesamt achtmal(!!!) von der so genannten
Lebensmittelüberwachung „kontrolliert“, ohne dass es zu Beanstandungen kam! Auch
nachdem im Dezember 2005 die Mannheimer Lebensmittelbehörden verdorbenes und
umetikettiertes Gammelfleisch dieses Betriebes beschlagnahmt und darüber eine
Meldung nach Bayern erstattet hatten, fanden die bayrischen „Kontrolleure“
nichts. Sie kontrollierten die Bücher, aber nicht das Fleisch in den
Kühlhäusern! Und sie gaben sich mit einer Erklärung des Fleischgroßhändlers
zufrieden, das Fleisch sei von einem italienischen Lieferanten umetikettiert
worden.
Erst als ein Spaziergänger im Wald einen Koffer fand, der
Unterlagen über Schweinereien in diesem Betrieb enthielt, und man anscheinend
auch keine Möglichkeit mehr sah, das unter den Teppich zu kehren, wurden die
bayrischen Behörden tätig.
Seit Jahren wird von Seiten der Herrschenden systematisch
daran gearbeitet, die Lebensmittelkontrolle zu verschlechtern. In München, wo
das Fleischgrossunternehmen, das als Hauptschuldiger bei dem jetzigen Skandal
gilt, seinen Sitz hat, ist die Lebensmittelkontrolle so kompliziert organisiert
und zudem drastisch reduziert worden, dass kaum jemand noch durchblickt. Das
betroffene Kühlhaus wurde von amtlichen Tierärzten überwacht, die von der Stadt
München bezahlt werden. Sieben dieser Veterinäre werden nur noch auf
Stundenbasis bezahlt und können damit jederzeit keine Aufträge mehr erhalten,
wenn sie unangenehm auffallen. Sie sind vollkommen vom Wohlwollen ihres
Auftraggebers abhängig. Die Stadt München hat jedoch keine fachliche Aufsicht;
die liegt bei der Regierung von Oberbayern und den dortigen Amtstierärzten. Im
Rahmen von Kosteneinsparungen wurden die Kontrollen reduziert. Das städtische
Kreisverwaltungsreferat, dass für die Lebensmittelkontrolle zuständig ist, hat
für eine Millionenstadt wie München nur noch 45 Planstellen für Kontrolleure
und davon sind nur 35 besetzt. 1991 gab es noch ca. 4000 Kontrollen, 2001 nur
noch 1500.
Spenden helfen
CSU-Chef Stoiber verkündete einst stolz, die CSU bewege sich
mit ihrer Politik auf der „Leberkäs-Etage“. Tatsächlich gibt es viele
Beziehungen zwischen großen Fleischkonzernen und Mandatsträgern der CSU. Schon
Franz-Josef Strauß fädelte auf dem Gut des Rosenheimer Fleischfabrikanten März
1983 mit Schalck-Golodkowski den Milliardenkredit für die DDR ein. Auf der
aktuellen Spendenliste der CSU steht der Allgäuer Moksel-Fleischkonzern mit
30.000 Euro.
Als vor einem Jahr in Bayern mehrere tausend Tonnen
Schlachtabfälle zur Herstellung „leckerer“ Tütensuppe, Konserven und anderer
Lebensmittel verkauft und teilweise verarbeitet wurden, schimpfte der bayrische
Verbraucherminister Schnappauf über dieses „Dreckszeug“ und forderte harte
Strafen. Dann wurden ein paar Kommissionen eingesetzt, die berieten und
berieten und berieten. Und wie im Märchen heißt es: Wenn sie nicht gestorben
sind, dann beraten sie noch immer. Dafür verhinderten Bayern und fast alle
Länder im Bundesrat, dass das sehr verwässerte Verbraucherinformationsgesetz
(VIG) verabschiedet wurde. Die Nahrungsmittelindustrie läuft Sturm dagegen. Nun
nach dem aktuellen Skandal soll das Gesetz verabschiedet werden. Allerdings
bietet es kaum Schutz. Denn nach diesem Gesetz dürfen Behörden gar nicht von
sich aus Informationen verbreiten, sondern der Verbraucher muss sie selber
anfordern. Woher soll er aber wissen, dass es Informationen über Gammelfleisch
oder andere verdorbene Lebensmittel gibt? Und bevor der Verbraucher die
angeforderten Informationen erhält, werden die betroffenen Hersteller um
Stellungnahme gebeten. Unter Berufung auf Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse
und wegen drohender Wettbewerbsnachteile können diese die Weitergabe von
Informationen verhindern (nach Süddeutsche Zeitung, 7.9.06, S.5). Ein tolles
„Informations“gesetz!
„Gammelig ist nicht gleich verdorben“
So schreibt die Stuttgarter Zeitung am 9.9.06 und klärt ihre
Leser auf, dass 4 Jahre altes und noch älteres Tiefkühlfleisch zwar Ekel
erregend stinken und von Gefrierbrand angefressen sein kann, dass das aber
durchaus nicht bedeutet, dass solches Fleisch nicht mehr „genießbar“ sei! Ganz
schlau erklärt das Blatt dem sicher erstaunten Leser: „Gammelig aber ist, zumindest
in den Augen der Experten, nicht mit verdorben gleichzusetzen.“ Verdorben sei
Fleisch erst, wenn es gefährliche Bakterien wie Salmonellen oder
Botulinusbazillen enthalte.
Das zeigt sehr deutlich, was für gammelige und verdorbene
„Experten“ sich das Kapital herangezogen hat. Es zeigt, wie gammelig und
verdorben dieses System ist!
Rassistische Hetze gegen die „Döner-Mafia“
Um von den wahren Ursachen abzulenken, sprach der Chef der
Sonderkommission, die in diesem Fall ermittelt, ohne jeden Beweis von einer
„Döner-Mafia“. Zwar war das meiste Gammelfleisch zu Döner-Spießen verarbeitet,
aber die Händler waren deutsche Profiteure. Doch man scheut nicht vor
rassistischer Hetze, um die Spuren zu verwischen.
Geliefert wurde von den kriminellen Händlern an alle. So
wurde z.B. beim bekannten Münchner Restaurant „Donisl“ umetikettiertes Fleisch,
dessen Mindesthaltbarkeit längst abgelaufen war, beschlagnahmt. Auch vornehme
Cateringfirmen hatten Gammelfleisch eingekauft.
Die Süddeutsche Zeitung vom 7.9.06 lüftet ein wenig das
Geheimnis: Unter der Überschrift „Die Härte des Marktes“ wird berichtet, dass
auf dem Fleischmarkt ein „erbitterter Preiskrieg“ herrscht. Auftraggeber
diktieren die Preise. „Verhandlungsspielraum gibt es schon lange nicht mehr:
Wenn man sagt, für den Preis kann ich es nicht machen, verliert man den Kunden.
Irgendeiner findet sich immer, der die Dumpingpreise erfüllen kann, wenngleich
nicht mit legalen Methoden“, berichtet ein Caterer, der anonym bleiben will,
der SZ. Einen Tag zuvor habe ihm ein Kunde gesagt, dass es „völlig egal ist,
welche Qualität auf dem Teller landet, Hauptsache der Preis stimmt“.
Die kapitalistische Marktwirtschaft ist also Ursache des
Gammelfleischskandals und aller vorhergegangenen Lebensmittelskandale. Je mehr
man den Preis drücken kann, desto höher ist der eigene Profit. Und der
Konkurrenzkampf ist gnadenlos. Wer nicht billig genug ist, geht pleite.
Da nützt es übrigens auch nichts, teurere Lebensmittel
einzukaufen, wie die frühere Grünen-Umweltministerin von NRW Bärbel Höhn in
einem Interview riet. Sie gibt den Verbrauchern die Schuld, die immer auf
billige Lebensmittel schauen würden. Das verdreht die Tatsachen. Denn
tatsächlich führen die großen Konzerne einen aggressiven Preiskampf gegen die
Erzeuger. Sie wollen auf einem hart umkämpften Markt Profite machen. Das geht
nur, indem die Produzenten gedrückt werden. Oder indem man Gammelfleisch und
andere „Leckereien“ verkauft. Je krimineller, desto höher der Profit!
Und außerdem waren selbst hochwertige Caterer und bekannte Restaurants
wie das „Donisl“ vom Skandal betroffen. Da nützt es nichts, wenn man teuer
bezahlt hat.
Für diejenigen, die sich teure Lebensmittel nicht leisten
können, hat Bärbel Höhn übrigens nur Hohn und Spott übrig. Hartz IV-Empfängern,
die halt auf den Preis achten müssen, um überhaupt Essen auf den Tisch zu
bekommen, gibt sie den weisen Rat: „Nicht alles, was gut ist, ist teuer.
Pellkartoffeln mit Kräuterquark zum Beispiel sind eine gesunde, frische und
günstige Mahlzeit.“ (Stuttgarter Zeitung, 9.9.06, S.2)
Das Gammelsystem muss weg!
Im kapitalistischen System wird es immer wieder
Lebensmittelskandale geben. Für das Kapital zählt die Qualität der Ware nicht,
sondern allein der Profit. Und der Zwang zum Höchstprofit nimmt unter dem Druck
der Konkurrenz immer mehr zu. Es ist sicher richtig, jetzt mehr Kontrollen und
endlich auch Strafen für die kriminellen Händler zu fordern. Aber das reicht
nicht. Das kapitalistische Gammelsystem selbst als Ursache der Verbrechen muss
verschwinden. Wir brauchen ein System, in dem nicht der Profit zählt, sondern
die Interessen der Menschen – der Arbeiter, Angestellten und ihrer Familien,
der Bauern, der Jugend, der Rentner – der Sozialismus!