Nach drei Monaten ist der längste Ärztestreik Deutschlands vor seinem Ende, sofern das Ergebnis zwischen Arbeitgebern und Marburger Bund von den ca. 22.000 Uniklinikärzten angenommen wird. Nun hat in kommunalen Krankenhäusern ein Arbeitskampf begonnen. Bei der Urabstimmung stimmten 97,1 Prozent der Mitglieder des Marburger Bundes für einen Streik in den rund 700 Kliniken. Gerne hätte der Marburger Bund den erkämpften Tarifabschluss der Uniklinikärzte auch für die rund 70.000 Ärzte der Krankenhäuser der Städte und Gemeinden übernommen, doch die Vereinigung kommunaler Arbeitgerberverbände (VKA) lehnt dies ab. Montgomery, Vorsitzender des Marburger Bundes, erklärt die extrem hohe Streikbereitschaft auch mit einer „schier unerträglichen Arbeitgeberarroganz“.
Landespolitiker hingegen begrüßen den Abschluss. Der Vorsitzende der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL), Niedersachsens Finanzminister Möllring (CDU) erklärte sogar: „Wir freuen uns, dass der Marburger Bund heute unser Angebot angenommen hat.“ Die ausgehandelten Gehälter entsprechen einem Angebot der Länder vom 11. Mai, welches die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di übernommen hatte. Es ist davon auszugehen, dass die Ärzte in der Urabstimmung dem Tarifvertrag zustimmen werden. Dann erhalten Berufsanfänger 15 bis 17 Prozent und Oberärzte 20% mehr Gehalt. Von der ursprünglichen Forderung nach 30 Prozent war der Marburger Bund schon vor Wochen abgerückt. Montgomery betonte: „Wir haben eine ganze Reihe von Dingen erreicht.“ „Die Ärzte werden deutlich besser bezahlt, bisher massenhaft kostenlos geleistete Mehrarbeit wird endlich vergütet. Der lange Streik hat sich insgesamt ausgesprochen gelohnt“, sagt Montgomery. Die Kampfbereitschaft der Ärzte ist vor allem deshalb so hoch, da neben den Kürzungen von Weihnachts- und Urlaubsgeld im Jahr 2003 die unbezahlte Mehrarbeit unerträglich wurde. Wenn jetzt die Überstunden zumindest bezahlt werden, ist das ein Erfolg, nur ist hier die Gefahr, dass sich so faktisch eine Arbeitszeitverlängerung einschleicht.
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di nannte die Tarifeinigung „im Prinzip identisch“ mit ihrem Abschluss. Ver.di bedauert, dass der Marburger Bund aus der Tarifgemeinschaft ausgetreten ist. Ver.di argumentiert, dass der Abschluss zeige, dass es sinnvoll sei, für den Bereich gemeinsam zu verhandeln. Natürlich ist es sinnvoll, dass die Beschäftigten im Gesundheitsbereich gemeinsam kämpfen, aber wenn aus welchen Gründen zunächst auch immer, sich die deutliche Mehrheit der Ärzte in ver.di nicht aufgehoben fühlt, so ist ihr kämpferischer Streik mit dem Marburger Bund deshalb nicht weniger unterstützenswert. Dass Ärzte einen derartigen Arbeitskampf führen hat es bisher noch nicht in Deutschland gegeben. So wurde in Medienberichten nichts unversucht gelassen, den Streik zu diffamieren. Im bevorstehenden Streik der Ärzte der kommunalen Krankenhäuser geht es dann auch gleich weiter. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes Landsberg erklärte sogleich: „Die Ärzte spielen mit dem Feuer“ und bringt sogleich das Lieblingsargument, dass die Akzeptanz der Patienten sehr viel geringer ausfallen wird, als an den Uni-Klinken. Ärzte gegen Patienten oder Pflegepersonal ausspielen zu wollen, hat schon im Streik der Uni-Klinikärzte nicht funktioniert. In der Vergangenheit haben Ärzte immer wieder große Zugeständnisse gemacht, doch jedem Beschäftigtem im Gesundheitsbereich ist klar, dass der größte Umbau des Gesundheitssystems bevorsteht. Es laufen gewaltige Privatisierungsmaßnahmen, so soll jede 4. Klinik geschlossen werden. Was die Pläne der Bundesregierung für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich und die Patienten bedeuten wird in der nächsten Ausgabe von Arbeit-Zukunft untersucht. (J.T.)