Seit Tagen werden von Regierung, Politikern, Unternehmerverbänden,
„Wirtschaftssachverständigen“ und Medien in breiter Front die Empfänger von
Hartz IV angegriffen. Die Empfänger von Arbeitslosengeld II sind zu viele, zu
teuer, Betrüger, arbeitsscheu usw. usf.
Als Hauptargumente werden immer wieder herangezogen, dass
die Ausgaben für das Arbeitslosengeld II stärker steigen als geplant, dass es mehr
Empfänger gibt als vorgesehen und dass es sich kaum lohne zu arbeiten, da der
Abstand zwischen dem Arbeitslosengeld und den untersten Löhnen zu niedrig sei.
Ja, teilweise erhalte ein Arbeitslosengeld II-Empfänger mehr als jemand, der
arbeite.
Doch diese Argumente beweisen gerade das Gegenteil, wenn man
sie sachlich untersucht.
Zum ersten Argument
von den explodierenden Kosten für das Arbeitslosengeld II:
Tatsächlich sollen die Kosten für das Arbeitslosengeld II in
diesem Jahr rund 3 Milliarden Euro höher als geplant liegen. Verschwiegen wird
dabei nur, dass gleichzeitig die Bundesagentur für Arbeit in diesem Jahr rund
4,5 Milliarden Euro Überschuss erwirtschaften wird, weil immer mehr Arbeitslose
von ihr kein Geld mehr erhalten, sondern ins Arbeitslosengeld II abgeschoben
werden, das aus Steuergeldern finanziert wird. Nimmt man alles zusammen, bleibt
also sogar ein Überschuss von 1,5 Milliarden Euro!! Doch mit dem Überschuss der
Bundesagentur für Arbeit soll das Kapital entlastet werden. Es war ja gerade
Ziel der Hartz-Reformen, dem Kapital die Lohnkosten zu senken. Durch den
Überschuss können die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gesenkt und damit
das Kapital um rund 2,25 Milliarden Euro entlastet werden. Die Entlastung der
Arbeiter und Angestellten durch diese Beitragssenkung hingegen wird durch
Steuererhöhungen aufgefressen. Denn da das Arbeitslosengeld II nun nicht mehr
aus Beiträgen sondern aus Steuergeldern bezahlt wird, sind Steuererhöhungen
nötig. Ergebnis: Nur das Kapital spart Milliarden, der Rest der Gesellschaft hat
immer stärker allein für die Arbeitslosen aufzukommen, die das kapitalistische
System täglich schafft.
Zum zweiten Argument
von der steigenden Zahl der Arbeitslosengeld II-Bezieher:
Es ist ja wohl keineswegs Schuld der Arbeitslosengeld
II-Bezieher, dass ihre Zahl permanent steigt. Es ist schon kurios, wenn das den
Menschen, die von den Arbeitslosengeld II-Almosen leben müssen, vorgeworfen
wird. Haben sich diese Menschen selbst arbeitslos gemacht und ins Elend
gestürzt? Nein! Das Kapital entlässt ständig massenhaft Menschen und dieser
Prozess wird weitergehen. Doch das Kapital will für die Folgen seines
Wirtschaftssystems nicht aufkommen. Der Profit wird privat angeeignet, die
sozialen Lasten trägt die Allgemeinheit. Das kapitalistische Wirtschaftssystem
entlarvt sich als durch und durch asozial. Unverfroren und demagogisch schreit
es jedoch „Haltet den Dieb“ und beschuldigt die Opfer.
Zum dritten Argument
von dem zu geringen Abstand zum Lohn:
Ja sicher! Es gibt, wie nun bürgerliche Medien und Politiker
als Argument gegen die Arbeitslosen
ins Feld führen, inzwischen Stundenlöhne in so genannten regulären
Arbeitsverhältnissen von 5-6 Euro! Selbst bei einer 40-Stunden-Woche verdient
man damit zwischen 900 und 1100 Euro brutto! Keiner der zahllosen Missbrauchs-Hetzer
erklärt, wie man damit eine Familie ernähren kann. Selbst wenn man allein lebt,
kann man damit eben nur auf Sozialhilfeniveau existieren. Denn von 900 Euro
brutto bleiben in der Regel ja nur 700 Euro netto. Eine Ehe oder gar Kinder
sind damit ein Luxus. Und gleichzeitig wird ständig rumposaunt, die Deutschen
seien kinderfeindlich und bekämen zu wenig Kinder. Sollte man mit solchen
Löhnen unter dem Existenzminimum Kinder großziehen, dann findet man für diese,
wenn sie aus der Schule kommen, keinen Ausbildungsplatz. Für die Schreier, die
nun gegen den angeblichen Missbrauch des Arbeitslosengeldes II zu Felde ziehen,
ist dies aber kein Anlass irgendetwas gegen
diese Hungerlöhne zu unternehmen, sondern es ist ihnen ein „Argument“, dass das Arbeitslosengeld II zu
hoch sei! Es ist ja wohl paradox, dass von diesen Leuten Nettolöhne von
700-900 Euro als völlig normal
angesehen werden und sie deshalb für die Absenkung
des Arbeitslosengeldes II eintreten, damit es sich wieder „lohnt“ zu solchen Hungerlöhnen zu arbeiten. Wie war doch noch der
Spruch? „Leistung soll sich wieder lohnen!“ – und das für 700-900 Euro! Besser
kann die Menschenfeindlichkeit dieses kapitalistischen Systems nicht entlarvt
werden. Statt irgend etwas zu unternehmen, um den Menschen das Leben zu
verbessern, entsinnen diese Herrschaften immer neue Mittel und Wege, um den
Menschen das Leben schwerer zu machen, um sie tiefer hinab zu drücken – nur damit
das Kapital immer höhere Profite einsacken kann. Den Interessen des Kapitals
wird alles untergeordnet.
Um diese drei verlogenen Argumente zu untermauern, gibt es
nun fast täglich Berichte über angeblichen Missbrauch von Arbeitslosengeld II.
Da werden Zahlen durcheinander gewirbelt und aus dem Zusammenhang gerissen. Einzelfälle
werden groß aufgebauscht. Über die wirklichen Betrüger und Abzocker, unsere
Herren Politiker und Unternehmer, hingegen wird vornehm geschwiegen. Leute, die
Millioneneinkommen haben, sind ja heilig und dürfen gegen Menschen, die am
untersten Rand der Gesellschaft leben, zügellos hetzen.
Die wahnsinnige Hetze hat ein Ziel: Sie soll spalten! Die da
oben kennen natürlich die Fakten. Sie wissen, dass z.B. die Bundesagentur für
Arbeit in diesem Jahr 4,5 Milliarden einspart. Aber sie wollen Stimmung machen.
Arbeitende sollen gegen Arbeitslose aufgebracht werden. Die da unten sollen
sich gegenseitig beneiden: Der eine den anderen für die Arbeit, der andere den
einen für sein Arbeitslosengeld II. Teile und herrsche! So ist es immer, wenn
neue Kürzungen geplant sind: Mal sind die Arbeiter und Angestellten zu teuer,
ihre Löhne zu hoch, oder sie arbeiten zu wenig, die Arbeitszeiten müssen verlängert
werden. Dann wieder kommen die Rentner an die Reihe, von denen es auch zu viele
gibt und die zu teuer sind. Dann sind es die Studenten, die zu lange zu
studieren und keine Studiengebühren zahlen wollen. So nehmen sich das Kapital
und seine Politiker immer einzelne Gruppen raus, hetzen und spalten, um so
leichter neue Angriffe und Kürzungen durchzubekommen.
Arbeiter und Angestellte, Rentner, Jugendliche usw. usf.
dürfen auf diese Tricks nicht hereinfallen! Wer jetzt zuschaut, wie die
Arbeitslosen zum Sündenbock gemacht und neue Kürzungen durchgedrückt werden,
der darf sich nicht wundern, wenn er als nächster drankommt. Oder meint irgendjemand,
dass mit den nun stattfindenden Kürzungen beim Arbeitslosengeld II Schluss ist?
Die nächsten Angriffe im Gesundheitswesen, bei den Renten, in der Bildung, bei
den Löhnen und Arbeitszeiten sind schon in Vorbereitung.
Deshalb ist es notwendig unter allen Arbeitern und
Angestellten und bei ihren Familien den Gedanken der Solidarität und des
Zusammenhaltes zu verbreiten. In den Gewerkschaften muss dringend gefordert
werden, dass diese gegen die Kürzungen beim Arbeitslosengeld II Stellung
beziehen und etwas untenehmen. Die Proteste in Frankreich haben gezeigt, dass
es anders geht, wenn alle zusammen halten. Da hat sich das Kapital auch eine
kleine Gruppe Jugendlicher herausgegriffen und versucht zu spalten. Doch die
Menschen haben begriffen, dass sich das gegen alle richtet und
zusammengehalten. Nur geschlossen kann man dem Kapital entgegentreten. Und nur,
wenn man Solidarität übt, kann man auch selbst erkennen, welche Kraft die
Menschen unten, die Arbeiter, Angestellten, ihre Familien usw. usf. real haben.
Wer so kämpft, kann sich dann auch daran wagen, dieses
System grundsätzlich in Frage zu stellen. Denn im kapitalistischen System mit
der Ware Arbeitskraft, Profit und Konkurrenz kann man die sozialen Probleme
durch entschlossenen Kampf bestenfalls mildern, nicht aber lösen. Das zeigen
gerade die jetzigen Auseinandersetzungen um das Arbeitslosengeld II sehr
deutlich. Deshalb reicht es auf Dauer nicht, sich gegen die ständigen Angriffe
des Kapitals zu wehren. Das System selbst muss abgeschafft und durch eine Gesellschaftsordnung
ersetzt werden, die den Menschen statt dem Profit dient.
dm