Korrespondenz:

Eine Erklärung von Mikis Theodorakis

 (übernommen von http://www.deanreed.de/onlinezeitung/)

Wieder meldet sich ein Künstler zu Wort! So wie wir es von
Dean Reed kannten, nutzt der griechische Sänger Mikis Theodorakis seine
Popularität, um ein Vorhaben der Politischen Kommission der Palamentarischen
Versammlung des Europarates zu kritisieren. Nachfolgenden Text fand ich auf der
Internetseite der „Kommunistischen Initiative Wien“.

Erklärung

Der Europarat hat entschieden, die Geschichte abzuändern.
Sie zu verdrehen, indem die Opfer mit den Tätern auf eine Stufe gestellt
werden. Die Helden mit den Verbrechern. Die Befreier mit den Besatzern und die
Kommunisten mit den Nazis.

Er ist der Meinung, dass die größten Feinde der Nazis, also
die Kommunisten, Verbrecher seien und sogar gleichwertig mit ihnen. Und jetzt
ist er besorgt, und er beklagt sich, dass die Schergen Hitlers von der
internationalen Gemeinschaft verurteilt wurden, gleiches noch nicht mit den
Kommunisten geschehen ist.

Aus diesem Grunde schlägt er vor, diese Verurteilung jetzt
durch die Vollversammlung des Europarates vollziehen zu lassen.

Inzwischen macht er sich darüber Sorgen, dass „das
öffentliche Bewusstsein für die von den diktatorischen kommunistischen Regimes
begangenen Verbrechen sehr unterentwickelt ist“. Und auch darüber, dass
„kommunistische Parteien immer noch legal und in einigen Ländern immer
noch aktiv sind und sich nicht von den Verbrechen distanziert haben“.

Mit anderen Worten, der Europarat verkündet im voraus die
Verfolgung von Kommunisten in Europa, die noch keinen Widerruf geleistet haben,
wie er ihnen dereinst schon von den Henkern der Gestapo oder den Folterern auf
der KZ-Insel Makronisos abverlangt worden war. Vielleicht beschließen sie
morgen, die kommunistischen Parteien zu verbieten, und auf diese Weise die Tür
zu öffnen für den Geist von Hitler und Himmler, die ja bekanntlich ihre
Karriere mit dem Verbot der kommunistischen Parteien und dem Einkerkern von
Kommunisten in die Todeslager begannen.

Am Ende jedoch ertranken sie selbst im Blut ihrer Opfer, dem
der 20 Millionen Toten der kommunistischen Sowjetunion und dem von Tausenden
und Abertausenden ermordeter Kommunisten, die ihr Leben opferten und die sich
in Griechenland und in ganz Europa an die Spitze des nationalen Widerstandes
stellten.

Aber die Herren im Europarat sind nicht die ersten in ihrem
Verlangen, die von der Geschichte und den Völkern verurteilten Methoden
wiederaufleben zu lassen, weil ihnen schon ihr großer Bruder zuvorgekommen ist,
die USA, die mit Hitler-Methoden ganze Völker hinopfern, wie im Irak, das sie
in ein zerstörtes Land verwandelt haben, voll mit amerikanischen Gefängnissen,
in denen täglich Tausende unschuldiger Opfer auf grauenvolle Weise gequält
werden.

Über dieses große Verbrechen gegen die Menschlichkeit
verliert der Europarat kein Wort, und ebensowenig über das moderne hitlerische
Folterlager von Guantánamo.

Warum also sollten wir diesen Leuten glauben, dass sie
ernsthaft wegen der Menschenrechte besorgt sind, wenn sogar ihr eigenes Haus,
Europa, zu einem Tummelplatz für die Flugzeuge der CIA geworden ist, die
beladen sind mit Menschen, die jeglicher Rechte beraubt wurden und die in
Spezialgefängnisse in eben dieses Europas gebracht werden, um dort gefoltert zu
werden?

Solche Bürger können keine Ankläger sein. Vor dem Gericht
der Geschichte, das eines Tages die unzähligen Verbrechen ihres großen Bruders
von Vietnam bis Chile und von Südamerika bis Irak verurteilen wird, werden sie
sich wegen Tolerierung, wenn nicht gar Mitschuld verantworten müssen.

Unglücklicherweise bin ich heute gezwungen, eher im Namen
der Toten als im Namen der Lebenden zu sprechen. Im Namen meiner gefallenen
kommunistischen Genossen, derer, die die Gestapo kennengelernt haben, die
Todeslager und die Hinrichtungsplätze erduldet haben, um den Nazismus
auszulöschen und die Freiheit zum Sieg zu führen, habe ich diesen
„Herren“ lediglich ein Wort zu sagen: SCHANDE!

Mikis Theodorakis, 22.12.2005

Übersetzung aus dem Griechischen: Heike Schrader, Wien

Siehe auch: mikis-theodorakis.net

Leserbrief

Betr.:
Aufruf gegen das Vorhaben der Politischen Kommission der Parlamentarischen
Versammlung des Europarates, Theodorakis-Erklärung

Liebe
Genossen von ‚Arbeit-Zukunft‘,

ihr
unterstützt vorbehaltlos die Protestaktion gegen das Vorhaben eines Gremiums
des Europarates, mehr öffentliches Bewusstsein für die ‚Verbrechen totalitärer
kommunistischer Regimes‘ zu schaffen.

Ihr
veröffentlicht die Theodorakis-Erklärung, die sich vehement für die
revisionistischen ‚kommunistischen‘ Parteien einsetzt. Dabei ist euch bekannt,
welche Rolle Theodorakis in der Vergangenheit gespielt hat, dass er, mal mehr –
mal weniger, die revisionistische ‚kommunistische‘ Partei Griechenlands
vorbehaltlos unterstützte, aus ihr austrat und wieder in sie eintrat. Dies ist
doch jedem von uns bekannt – oder?

Theodorakis
ist also ein ‚Kommunist‘. Seid Ihr wirklich dieser Meinung? Seid Ihr als
‚Marxisten-Leninisten‘ tatsächlich dieser Meinung?

Seid Ihr
wirklich und ernsthaft der Meinung, dass Klaus von Raussendorf, alias ‚Brede‘,
der 30 Jahre lang für die Stasi als Spion im bundesdeutschen Außenamt
arbeitete, ein ‚Kommunist‘ war oder noch ist, also der Mann, der jetzt zu den
großen Wortführern der Kampagne gegen das Vorhaben des Europarates zählt? Also
ehrlich: sind diese Leute ‚Kommunisten‘? Ist das, wofür sie in der Vergangenheit
gekämpft haben, also wofür Herr von Raussendorf als Stasi-Agent gekämpft hat
oder wofür Theodorakis, der ‚gefeierte große Künstler‘ gekämpft hat,
‚Kommunismus‘? Für euch wahrscheinlich ‚irgendwo‘ ja. Für mich nicht. Ich
glaube, an diesem Punkt unterscheiden wir uns und werden wir uns immer
unterscheiden.

Solltet
ihr tatsächlich dieser Meinung sein, so identifiziert ihr euch mit den
revisionistischen Totengräbern des Kommunismus. Es tut mir leid, dass ich das
so deutlich sagen muss, aber es stimmt. Es ist leider die Wahrheit.Gut.
Vereinigt euch mit diesen Totengräbern und ihr seid in bester Gesellschaft, in
der Gesellschaft von Verrätern.

Unbestreitbar
ist, dass die gleichen Leute, die jetzt aufschreien angesichts des reaktionären
Vorhabens eines Gremiums des Europarates, auf Initiative eines konservativen
schwedischen Politikers, nicht müde wurden in den sechziger und siebziger
Jahren, und schon davor, Stalins ‚Verbrechen‘ zu verurteilen und die
konterrevolutionären, menschenfeindlichen und verlogenen Regimes in Osteuropa
als ‚kommunistisch‘ zu verteidigen. Und sie tun dies auch heute noch. Aus der
Geschichte des Revisionismus haben sie nichts, aber auch gar nichts gelernt.
Sie sind eifrige Anhänger des DDR-Revisionismus und DDR-Nostalgiker und tun so,
als wenn es 1989 nicht gegeben hätte, als das Stasi-Regime von der
DDR-Bevölkerung davongejagt wurde.

Und ihr,
ihr ‚Marxisten-Leninisten‘, die ihr euch standhaft weigert, die Geschichte des
Revisionismus aufzuarbeiten und seine Verbrechen an den Pranger zu stellen,
auch ihr scheint aus der Geschichte nichts gelernt zu haben und nichts lernen
zu wollen. Alle eure Absichtserklärungen in dieser Beziehung sind nicht das
Papier Wert, auf dem sie stehen. Es gibt auf Eurer Homepage noch nicht einmal
eine Rubrik, die sich mit der Geschichte des Revisionismus beschäftigt, wohl,
weil dies nicht gar nicht beabsichtigt ist.

Ihr lasst
euch von den geschworensten Feinden Stalins und der sozialistischen Sowjetunion
vor den Karren spannen! Ich fasse es nicht!

Euer
politisches, antirevisionistisches Bewusstsein verliert sich scheinbar im
Nichts und Eure Nähe zur so genannten Deutschen ‚Kommunistischen‘ Partei
scheint sich ebenfalls im Nichts zu verlieren, eine Partei, die die
chinesischen Verhältnisse als ’sozialistisch‘ versteht und für den Faschisten
Milosovic demonstrieren lässt. Wann werdet Ihr hingehen und mit diesen
Verrätern an der kommunistische Ideen nach Den Haag marschieren, um ‚Freiheit
für Slobodan Milosovic‘ zu rufen? Wann werdet Ihr endlich in die DKP oder in
die PDS eintreten?

Meine
Illusionen in Eure Lernfähigkeit sind erloschen.

Ihr
bildet nichts als das Schwanzende des Revisionismus.

Statt zu
verlangen, dass die Verbrechen des Revisionismus aufgearbeitet werden, dass sie
verurteilt werden als die Verbrechen von Konterrevolutionären, die unsere Sache
schändlich verraten haben, die unserer Sachen unendlichen Schaden zugefügt
haben, sie besuhlt haben, die Sache, für die Millionen von Menschen ihr Blut
gaben, für die Millionen von ehrlichen Kommunisten auf den Schlachtfeldern der
Sowjetunion und woanders starben, tut ihr euch mit ihnen zusammen, weil ein
gemeinsamer Feind gefunden wurde, gegen den es sich auch mit diesen Leuten
kämpfen lässt: einen tatsächlich antikommunistischen schwedischen Konservativen.
Großer Applaus! Welch eine Heldentat!

Es ist
unbestreitbar, dass die osteuropäischen Regimes, die sich nach dem
konterrevolutionären Putsch in der Sowjetunion 1953 entwickelten, den
Kommunismus verrieten und einen Restaurationsprozess einleiteten, der
schließlich zu dem führte, was sich 1989 oder 1990 in diesen Ländern
folgerichtig ereignete.

Die
Tatsache, dass ihr dies nicht sehen wollt, dass ihr dies wie die
DKP-Revisionisten irgendwie für ’sozialistisch‘ oder ‚kommunistisch‘
betrachtet, verführt euch dazu, die Verbrechen dieser pseudosozialistischen
Regimes zu leugnen, wie es der Stasi-Mann Klaus von Raussendorf tut.

Ihr
versucht, die ‚Kommunistische Partei‘ neu aufzubauen? Merkt ihr gar nicht, dass
ihr schon in eurer Anfangsphase euch schon wieder im revisionistischen
Fahrwasser bewegt und immer tiefer in dieses Fahrwasser, diesen Sog
hineingeraten werdet?

Warum
sagt ihr nicht laut und deutlich wie es sich für Bolschewisten gehört: Wir
sehen das, was nach 1953 kam, nicht als ‚kommunistisch‘ an. Die Verbrechen, die
in dieser Zeit passierten, waren keine Verbrechen wahrer Kommunisten, sondern
die von Verrätern. Man versucht sie, uns Kommunisten auf demagogische Weise
anzuhängen. Die Zeit davor, in der Sowjetunion, in Albanien ist ganz anders zu
beurteilen. Eine Gleichsetzung dieses Sozialismus mit dem in der DDR, in
Ceausescus Rumänien oder im China Mao Tse-tungs oder im Kampuchea von Pol Pot
ist nicht möglich, sie ist demagogisch. Sie ist deshalb demagogisch, weil man
Kapitalismus und Sozialismus nicht gleichsetzen kann, auch wenn der
Kapitalismus in jenen Ländern rote Fahnen hisste und sich hinter roten Fassaden
versteckte, um die ehrlichen Kommunisten und die ehrlichen Proletarier zu
betrügen.

Warum
sagt ihr nicht: Ja, wir versuchen, unser eigenes Haus in Ordnung zu bringen,
mit dem Verrat an der kommunistischen Sache abzurechnen und wir stellen diese
Verbrechen selbst an den Pranger, bedingungslos, wie es sich für lernfähige
Kommunisten gehört. Wir brauchen keine Hilfe von schwedischen Konservativen.
Aber wir lassen nichts auf die sozialistische Sowjetunion, wir lassen nichts
auf Stalin kommen, wir lassen nichts auf Enver Hoxha und das sozialistische
Albanien kommen!

Ich bin
tief enttäuscht über eure Haltung! Und werde natürlich den Aufruf nicht
unterschreiben, den Ihr wahrscheinlich schon eifrig unterschrieben habt!

Mit
revolutionären Grüßen

G

Stellungnahme zum Leserbrief

Lieber Genosse G,
vielen Dank für Deine ausführliche Stellungnahme, die wir allerdings als unsolidarisch und unberechtigt empfinden.
Wir unterstützen nicht vorbehaltlos die Protestaktion von Mikis Theodorakis und haben auch nicht seinen Aufruf unterschrieben, wie Du unterstellst. Wir haben den Beitrag als Korrespondenz veröffentlicht. Das bedeutet, dass wir nicht in allen Punkten übereinstimmen.
Du unterstellst weiter, dass wir mit einer solchen Veröffentlichung Mikis Theodorakis als „Kommunisten“ anerkennen würden und verweist sehr richtig auf seine wechselvolle politische Karriere und seine Unterstützung der revisionistischen Partei in Griechenland. Das war uns bekannt. Wir haben ihn aber mit dieser Veröffentlichung nicht als „Kommunisten“ geehrt. In der gesamten Veröffentlichung steht nichts dazu. Ebenso haben wir uns nicht mit der gesamten revisionistischen Kampagne identifiziert, die nach Deinem Brief von Klaus von Raussendorf aktiv geführt wird.
Wir wissen, dass der Sozialismus von innen zerstört wurde – durch Leute, die sich als Sozialisten und Kommunisten aufspielten, den Marxismus-Leninismus aber schon lange verbogen, revidiert hatten (Revisionisten), um ihre Herrschaft über die Arbeiterklasse zu errichten. Dies hat zu dazu geführt, dass sich zahllose Menschen vom Sozialismus abwandten und der kommunistischen Bewegung immenser Schaden zugefügt wurde. In unserer Gründungserklärung stützen wir uns auf das Programm der KPD, in dem ausführlich die revisionistische Entartung dargestellt wird. Immer wieder verweisen wir in unseren Veröffentlichungen auf diese Degeneration. Wir haben mehrfach, die Kritiken Enver Hoxhas und des sozialistischen Albaniens an der Entartung in der UdSSR unter Chruschtschow dargestellt und unterstützt.
In dem Aufruf geht es aber darum, einen Angriff im Europarat auf den Kommunismus zurückzuweisen. Er soll als Verbrechen hingestellt werden. Ziel ist ausdrücklich, jede revolutionäre, kommunistische Betätigung verbieten zu können. Dies würde in aller erster Linie die wirklich revolutionären Kräfte treffen. Die Opportunisten würden wie immer Mittel und Wege finden, um sich mit der Situation zu „arrangieren“ und sich an die Verhältnisse „anpassen“. Darin sind sie ja Meister.
Mikis Theodorakis bezieht sich auf diese Angriffe im Europarat. Im Aufruf verteidigt er dabei ausdrücklich den Kampf der Roten Armee gegen den Hitler-Faschismus, der ja bekanntlich von Stalin geführt wurde, und den bewaffneten Kampf der Partisanen für die Befreiung ihrer Länder. Er geht an keinem Punkt in der Erklärung auf die Zeit der revisionistischen Herrschaft ein. Dafür würde er auch kaum Sympathie erwarten dürfen. Wahrscheinlich hat er deswegen darauf verzichtet. Viele Menschen wissen nämlich, dass die UdSSR, die DDR, Rumänien und andere entartete, ehemals sozialistische Staaten hauptsächlich an ihren inneren Widersprüchen zwischen der herrschenden Klasse und dem Volk zugrunde gegangen sind.
In einem Punkt geben wir Dir allerdings recht: Die Auseinandersetzung mit dem Revisonismus und der Entartung der ehemals sozialistischen Staaten und kommunistischen Parteien muss tiefer und konkreter geführt werden. Damit wir bei den breiten Massen dem Sozialismus wieder Ansehen verschaffen können, muss schonungslos aufgedeckt werden, warum er entartete und die Revisionisten ihn zerstören konnten. Trotz Deiner Vermutung, wir wollten das nicht, und Deiner tiefen Enttäuschung sind wir dazu bereit.
Solidarische Grüße
ernst

Leserbrief

Lieber G.

Ich habe von mir aus die Resolution gegen die
Kriminalisierung des Kommunismus durch die EU unterschrieben. Die EU will nicht
den Opportunismus und Revisionismus kriminalisieren, sondern den
Marxismus-Leninismus.

Du wirfst mir und D. vor, Revisionisten zu sein.

Im demokratischen Kampf muss man sich nicht nur mit
Revisionisten, sondern eventuell mit bürgerlichen Demokraten, sogar mit
Tod und Teufel verbünden.

„Keine Aktionseinheit mit Revisionisten“  wie
in den 70er Jahren ist heute nicht durchführbar. Sämtliche sozialen und
Antikriegsbewegungen sind von Revisionisten und Opportunisten dominiert.
Raussendorf selbst sagte Anfang Dezember vor antiimperialistischen und
MLKP-Genossen, dass ihm die Unterschrift der KPD/ML unter eine Irak-Resolution
nicht behage. Er müsse sich dann immer rechtfertigen. Sollen wir ihm diese
Freude machen? Sollen wir uns von den Bewegungen isolieren, um der „reinen
Ideologie“ wegen… Leute …, die sich im Ideologieturm abschotten, fürchten
die Revisionisten nicht. Sie fürchten Leute, die in den Bewegungen mitarbeiten
und die Revisionisten dort kritisieren.

Mit revolutionären Grüßen

F