Diese multi-mediale DVD-ROM ist in der Reihe „Digitale
Bibliothek erschienen. Auf ihr werden umfangreiche Dokumente, Tonbandaufnahmen,
Fotos usw. aus dem 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess auf über 48.000 (!!) Seiten
zugänglich gemacht. So findet man z.B. die Protokolle der 183 Verhandlungstage,
Ausschnitte aus 430 Stunden Tonbandmitschnitten aus der Hauptverhandlung, die
Aussagen von 300 Zeugen, die Einlassungen der Angeklagten, der Verteidiger, der
Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger, die Urteilsbegründung.
Erfreulich kritisch wird sich in der Einleitung mit der
Behandlung der Nazi-Verbrechen durch die bundesdeutsche Justiz
auseinandergesetzt. So wird z.B. dargelegt:
„Zu einer weiteren Hemmung der Ahndungsmoral führte der im
Jahre 1951 verabschiedete Artikel 131 GG, der mehr als 55.000 ehemaligen
NS-Beamten, die im Rahmen der alliierten Säuberungspolitik aus ihren Ämtern
entfernt worden waren, eine Rückkehr in den Staatsdienst ermöglichte.44 Die
Reintegration dieser Beamten, von denen nicht wenige den Funktionseliten des
NS-Regimes zuzurechnen sind, führte zu personellen Kontinuitäten im Bereich der
Justiz und der Bonner Ministerialbürokratie, die bis weit in die sechziger
Jahre wirken sollten… Zahlreiche Politiker demonstrierten öffentlich ihre
Solidarität mit den von der Nürnberger Siegerjustiz verurteilten
»Kriegsverbrechern«, indem sie Generalamnestien forderten oder Gnadengesuche
einreichten.“
[Zur Geschichte des Verfahrens: Der 1. Frankfurter
Auschwitz-Prozess, S. 864-5]
Und weiter:
„Auf recht fragwürdige Weise löste der Gesetzgeber auch das
Problem zahlreicher ehemaliger NS-Juristen, die nach 1945 wieder in den
Staatsdienst zurückgekehrt waren.“
[Zur Geschichte des Verfahrens: Der 1. Frankfurter
Auschwitz-Prozess, S. 870]
Für die Nazi-Mörder gab es immer wieder verständnisvolle
Richter, die mit Freisprüchen und milden Urteilen halfen:
„Obwohl es ausreichende Anhaltspunkte für seine aktive Beteiligung
am Massenmord gab und er damit die Voraussetzungen für Täterschaft erfüllte,
qualifizierten ihn die Richter als Gehilfen, da ihm angeblich der Täterwille
gefehlt habe. Bradfischs Identifikation mit den Zielen des NS-Regimes und seine
steile SS-Karriere reichten dem Gericht nicht aus, um auf seine feindselige
Haltung gegenüber den Opfern zu schließen. Am Ende sollte sich der hohe Grad
seiner Zustimmung zur NS-Ideologie sogar noch strafmildernd auswirken, da er zu
verblendet gewesen sei, um den Unrechtscharakter der Tat erkennen zu können.“
[Zur Geschichte des Verfahrens: . Der 1. Frankfurter
Auschwitz-Prozess, S. 889]
»Endlich ist das
Sühnebedürfnis fast zwanzig Jahre nach Begehung der Straftat nicht mehr so
groß. Die Zeit hat gnädig einen Schleier des Vergessens über die Leiden der
Opfer und die Tränen der Angehörigen gezogen.« So urteilte z.B. das Landgericht
Verden, 2 Ks 1/61, 6.06.1962, in: Rüter, Bd. XVIII, S. 567.
[Zur Geschichte des Verfahrens: Der 1. Frankfurter Auschwitz-Prozess,
S. 895]
48.000 Seiten Dokumentation übersichtlich zu gestalten ist
kein leichtes Unterfangen. Mit der DVD-ROM der „Digitalen Bibliothek“ ist dies
gelungen. Ist die zugehörige Software auf dem PC installiert, was einfach und
problemlos abläuft, kann man in dem Dokument nach Namen, Textstellen, Begriffen
usw. suchen. Man kann das Inhaltsverzeichnis nutzen, um schnell auf
interessante Seiten zu springen. Querverweise führen per Sprungmarken direkt zu
Anmerkungen, Erläuterungen und weiteren Dokumenten. Für Jugendliche ist diese
Form sicher sehr interessant, um selbst in der Geschichte des Faschismus aber
auch der Bundesrepublik zu forschen.
Leider ist die CD-ROM mit 45 Euro aber ausgerechnet für
diesen Kreis sehr teuer. Wenn auch die Materialfülle einen solchen Preis rechtfertigt,
wäre bei diesem Thema ein „jugendfreundlicherer“ Preis wünschenswert.
DVD-ROM, Der Auschwitz-Prozess, Herausgegeben vom
Fritz-Bauer-Institut, Frankfurt/M und dem staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau
ISBN 3-89853-501-0, 45 Euro