Inquisition ein Fortschritt?

Hexenverbrennung - ein juristischer Fortschritt?In einem Interview mit BR-alpha am 16.4.98 sagte Kardinal
Ratzinger, er jetzige Papst Benedikt XVI, „man muss doch sagen, dass
Inquisition ein Fortschritt war, dass nichts mehr ohne „Inquisitio“ verurteilt
werden durfte, das heißt, dass Untersuchungen stattfinden mussten. Ein
Rechtsbewusstsein steckt dahinter.“
Für wie dumm will uns Ratzinger
verkaufen? Er selber weiß bestimmt, dass der Inquisitionsprozess ein Rückschritt
war, verglichen mit dem vorher üblichen Akkusationsprozess, der gerichtlichen
Reaktion auf eine Privatklage. Zur Rolle der Kirche während der Inquisition und
der Hexenverfolgung schreibt Sigmund von Rietzler „Aus der Sphäre, die
vielleicht den meisten Menschen die teuerste und erhabenste bedeutet, aus dem
Heiligtume der Religion, grinst dem Beschauer ein Medusenhaupt entgegen und
hemmt ihm das Blut in den Adern. Unter christlichen Völkern, im Schoße einer
tausend Jahre alten Kultur ist vom 15. bis ins 18. Jahrhundert hinein der
Justizmord zur stehenden Einrichtung geworden.“
(zitiert nach Wisselinck,
Erika: Hexen.)

In Nordeuropa hielt die christliche Religion verhältnismäßig
spät Einzug und hatte einen schweren Stand. Viele vorchristliche Bräuche, vor
allem Fruchtbarkeitsriten, wurden weiter praktiziert. Auf der anderen Seite
begannen im 12. Jahrhundert innerhalb des Christentums Bewegungen, wie zum
Beispiel die Katharer, Missstände in der Kirche und das Papsttum anzugreifen.
Sie bezeichneten sich als „die Reinen“ und führten ein einfaches Leben in
Armut, das viele Menschen überzeugte und ihnen großen Zulauf brachte, bis sie
von Kirche und Staat gemeinsam mit großer Brutalität vernichtet wurden.
Friedrich II. führte 1224 den Feuertod für Ketzer ein, der von Papst Gregor
VII. übernommen wurde. Papst Innozenz IV. erlaubte 1252 die Folter zur
Erpressung von Geständnissen. Der Dominikanerorden wurde mit dem Ziel der
Vernichtung der Ketzer gegründet, und Inquisitoren, deren Aufgabe es ursprünglich
war, Zweifler zum wahren Glauben zurückzuführen, hatten nur noch deren
Ausrottung im Sinn. Die Institution Kirche wollte unumschränkt herrschen und
Konkurrenten beseitigen. Jacob Burckhardt sagt dazu: „Mit der berüchtigten
Bulle Innocenz` des VIII. wird dann bekanntlich das Hexenwesen und dessen
Verfolgung zu einem großen und scheußlichen System. Beiläufig glaube ich mich
zu der Bemerkung veranlasst, dass hier bei längerer Betrachtung jeder Gedanke
an einen ursprünglichen objektiven Tatbestand, an Reste heidnischen Glaubens
usw. verschwindet. Wer sich überzeugen will, wie die Phantasie der Bettelmönche
die einzige Quelle dieses ganzen Wahns ist, verfolge in den Memoiren von Jaques
du Clerc den so genannten Waldenserprozess von Arras im Jahre 1459. Erst durch
hundertjähriges Hineinverhören brachte man die Phantasie des Volkes auf den
Punkt, wo sich das ganze scheußliche Wesen von selbst verstand und sich
vermeintlich neu erzeugte.“
(in: Die Kultur der Renaissance in Italien.)

Dass die Inquisitoren selber nicht an die Schuld ihrer
Opfer, sondern nur an ihre Fähigkeiten als Folterer glaubten, zeigt ein Zitat
aus der „Cautio Criminalis“ des Jesuitenpater Friedrich von Spee, das 1631
anonym herausgebracht wurde: „Und es ist sehr wahr, was neulich der
Inquisitor eines großen Fürsten zu prahlen wagte, dass, wenn unter seine Hände
und Torturen der Papst selber fallen sollte, ganz gewiss auch er sich als
Zauberer bekennen würde.“
(Cautio Criminalis, zitiert nach Wisselinck,
Erika:Hexen).

Quellenangaben nach „Buch und Bibliothek“, Oktober 95:
„Fabrikation des Wahnsinns, Hexenverfolgung in Europa“ von Ingeborg
Neidhardt-Möller