Diskussion um linkes Wahlbündnis

Aus Kiel erhielten wir einen Brief eines MLPD-Genossen zur Bundestagswahl
und zu einem linken Wahlbündnis und die Antwort eines Kieler Genossen
zugesandt. Als Anregung für die Diskussion veröffentlichen wir diesen
Briefwechsel.

Brief eines MLPD-Genossen: 

Lieber X,

ich habe mich entschlossen, zur Bundestagswahl die
MLPD/Offene Liste zu unterstützen, nachdem PDS, WASG und Oskar Lafontaine ein
gemeinsames breites Linksbündnis abgelehnt haben. Zu einem Info-Nachmittag am
XXX um XXX Uhr lade ich dich (euch) recht herzlich ein in den Seminarraum in
XXX ein.

Liebe Grüße

Y

 

Antwort eines Kieler Genossen an die MLPD

Lieber Genosse Y,

vielen Dank für die Einladung. Ich selber kann und möchte
sie nicht wahrnehmen, da wir am Tag zuvor unsere große Feier haben und der
Sonntag für die Familie reserviert ist. Hauptgrund ist aber das ich die
Kandidatur der MLPD für nicht sinnvoll halte.

Realistisch betrachtet wird die MLPD weit unter 1% liegen,
so dass keine Chance besteht auf dem parlamentarischen Wege Einfluss auf die
Politik zu nehmen. Deshalb kann eine Kandidatur im jetzigem Stadium nur zwei
positive Dinge bewirken:
1. Durch die Wahlwerbung erfahren mehr Menschen von de MLPD und ihren Zielen
2. Ihr erneuert euren Parteienstatus (ist wichtig fürs Finanzamt)

Den Brief von Stefan Engel an Oskar Lafontaine habe ich
gelesen und mich gewundert wie blauäugig ihr da herangeht. Selbstverständlich
antwortet er nicht, selbstverständlich wird es keine gemeinsame Liste geben,
denn es liegen Welten zwischen Euch und der PDS und der WASG. Die beiden
letzten denken nicht im Traum daran irgendwann einmal dem Volk die Macht zu
übertragen. Mit solchen abgrundtiefen reformistischen und revisionistischen
Organisationen kann es kein Bündnis was zur Machtausübung in diesem Staat
dient, geben.

Stefan Engel, schreibt an Lafontaine:

„Wir würden diese
Kandidatur
(die der MLPD, Anm. von mir) allerdings
zurückstellen, wenn es tatsächlich gelänge, ein linkes Wahlbündnis aller
relevanten linken Parteien mit Ihnen an der Spitze zustande zu bringen.“

Ihr wäret also bereit gewesen eure Ziele, die
Machtergreifung des Proletariats auf marxistisch-leninistischen Grundlagen, die
Prinzipien und Grundsätze einer ML-Partei, gegen eine Bündnis aus Scheinlinken
mit Oskar Lafontaine an der Spitze zu tauschen. Das macht mich sehr
nachdenklich.

Die MLPD sieht zwischen Lafontaine „wesentliche Übereinstimmungen im Kampf gegen Hartz IV, das als Ganzes
zurückgezogen werden muss, einer tatsächlichen Bekämpfung der Arbeitslosigkeit
auf Kosten der Unternehmergewinne, einer Verteidigung der sozialen
Errungenschaften der Arbeiterbewegung, einer aktiven Friedenspolitik, einem
aktiven Schutz der natürlichen Umwelt und einem Vorrang für Kreislaufwirtschaft
und erneuerbarer Energie, einem aktiven Kampf für wirkliche Gleichberechtigung
der Frauen, im antifaschistischen Kampf usw.“

Also das ganze politische Spektrum wird abgedeckt. Sind da
die Unterschiede zweitrangig?

„Zwischen den Parteien
gibt es selbstverständlich auch wesentliche strategische Unterschiede, die
allerdings in der jetzigen Situation zur Schaffung einer neuen linken
Opposition zurückgestellt werden müssten.“

Was meint Stefan wohl damit? Was will er einfach mal unter
den Teppich kehren? Nehmen wir zwei Beispiele aus dem Programm der MLPD, die
zurückgestellt werden müssten:

„Erst durch den Sturz
der kapitalistischen Herrschaft und den Aufbau der sozialistischen
Gesellschaftsordnung werden alle Formen der Ausbeutung und Unterdrückung der
werktätigen Massen abgeschafft. Die Wirtschaftskrisen und die Kriegstreiberei
werden überwunden, die Produktivkräfte von den kapitalistischen Fesseln befreit
und die Einheit von Mensch und Natur wiederhergestellt und höherentwickelt.“

Das müsstet ihr garantiert zurückstellen! Denn weder Oskar,
noch die PDS und schon gar nicht WASG haben vor, den Kapitalismus zu stürzen.
Im Gegenteil, sie wollen und sollen dazu beitragen, den Kapitalismus zu
erhalten.

Auch zurückgestellt werden müsste dieses im Programm
formulierte Ziel der MLPD:

„Die Arbeiterklasse
muss nach dem Sturz der Diktatur der Monopolkapitalisten und der Eroberung der
Staatsmacht die Diktatur des Proletariats errichten und die Produktionsmittel
in gemeinsames Eigentum des gesamten werktätigen Volkes überführen.“

Weder mit Revolution, schon gar nicht mit der Diktatur des
Proletariats und die Übereignung der Produktionsmittel in die Hände des
Proletariats haben die von Euch gewünschten Bündnispartner was am Hut.

Ihr meint man könne im Zuge der Einheit aller mal eben
zurückstellen.

Geht das überhaupt, kann eine kommunistische Partei mal eben
das Ziel der proletarischen Revolution „zurückstellen“?

Marx und Engels schreiben im Kommunistischen Manifest:

„In allen diesen
Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte
Form sie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor.

Die Kommunisten
arbeiten endlich überall an der Verbindung und Verständigung der demokratischen
Parteien aller Länder.

Die Kommunisten
verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es
offen, dass ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz
aller bisherigen Gesellschaftsordnung. Mögen die herrschenden Klassen vor einer
kommunistischen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu
verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen.“

Weiter schrieb Stefan dem Oskar:

„Ich glaube, dass es
Millionen gibt, die die Einheit der Linken bei den Bundestagswahlen begrüßen
würden.“

Darin sind gleich mehrere Denkfehler.

1. Dass die „Millionen“ im Kapitalismus der Manipulation der
Medien ausgesetzt sind und ihnen wichtiges Hintergrundwissen verwehrt bleibt,
führt (mag’s bei Lenin nachlesen) dazu, dass sie nur gewerkschaftliches
Bewusstsein entwickeln, aber noch lange kein kommunistisches. Das müsste der
Vorsitzende einer Partei, die sich marxistisch-leninistisch nennt, eigentlich
wissen. Folglich halten sie das für links und oppositionell, was ihnen die
bürgerlichen Medien als solche verkaufen.

2. Aus einem Bündnis MLPD-WASG-PDS oder gar noch DKP unter
dem Vorsitz Oskar Lafontaines muss nichts Linkes herauskommen. Es ist eher unwahrscheinlich.
Dass da nichts herauskommt, was auch nur die Ausgangslage für Kommunisten
verbessert, halte ich für sicher.

3. Der dritte Denkfehler ist m. E., dass es nicht um die
Einheit der Linken ging. Sie sind ein buntscheckiges Sammelsurium der verschiedensten
Richtungen. Deren Einheit kann es nicht geben. Aber dazu bedarf es eines Kerns,
der weiß, wo es lang geht, eines kommunistischen Kerns. Also einer starken
Kommunistischen Partei. Das aber kann und wird die MLPD nicht sein, denn diese
kommunistische Partei wird ihre revolutionären Ziele nicht je nach Bedarf
rausholen oder zurückstellen können und wollen wie ihr es vorhattet.

4. Stefan erweckt in seinem Brief den Eindruck, durch die
von ihm gewünschte Einheit der Linken könne man die sozialen Schweinereien der
Schröder-Regierung und die neuen der Merkel-Regierung zurücknehmen oder
verhindern. Er meint, das könne durch die durch eine
MLPD-WASG-PDS-DKP-Bundestagsfraktion erreicht werden. Sicher, wenn sich eine
entschiedene Opposition im Parlament mit einer ebenso entschiedenen
kämpferischen Massenbewegung außerhalb des Parlaments ergänzen würde, wäre das
von Nutzen. Ich bezweifle aber das die MLPD ideologisch und personell dazu in
der Lage ist.

Die MLPD-WASG-PDS-DKP soll, folgt man Stefan Engel, dann die
Bewegung gegen den Sozialraub anführen? Nein, danke, lieber nicht. Die
Niederlage ist vorprogrammiert! Und die Arbeiterklassen bekommt einen neuen
Dämpfer im sinne „Hat ja doch alles keinen Zweck“.

Hinzu kommt das meines Wissens gar keine gesetzliche
Grundlage für so ein Bündnis auf Bundesebene besteht. Es hätte also eine neue
Partei gegründet werden müssen. Wären deine Genossen dann in beiden Parteien
Mitglied gewesen? Einer revolutionären und einer
reformistisch/revisionistischen? Marx würde sich im Grabe umdrehen!

Bitte habe nun Verständnis dafür, dass ich die Kandidatur
einer Partei, die sich marxistisch-leninistisch nennt und in entscheidenden
Fragen revisionistisch handelt, nicht unterstützen kann.

Ich kann nur empfehlen die Energie und Kraft – die
Abwesenheit von Euren Familien und all die Mühe die so eine Kandidatur mit sich
bringt – für den außerparlamentarischen Kampf, für die Mobilisierung der
Arbeiterschaft gegen ihre Feinde und dazu gehören auch WASG, PDS und DKP, zu
nutzen.

Kommunisten sollten dieses Einheitstamtam nicht mitmachen
und es auch nicht fördern. Sie sollten mit richtigen Argumenten an die
Öffentlichkeit gehen und sich zusammenraufen. Sie müssen Massenkampf,
Massenwiderstand und die Organisierung des Klassenkampfs auf ihre Fahne
schreiben.

Es grüßt dich mit revolutionären Grüßen
dein Genosse X aus Kiel