„Wir sind Papst!“. So titelte Bild tatsächlich am Mittwoch,
dem 20.04.2005 nach der Wahl des Kardinals Ratzinger zum neuen Papst Benedikt
XVI. So manipuliert Bild die Stimmungen im Land und missbraucht zugleich die
Gefühle vieler ehrlich gläubiger Menschen.
Die Bildschlagzeile war nur der Höhepunkt eines Medienrummels
um den verstorbenen und den neuen Papst,. der seit Ostern, genau genommen schon
länger auf allen Kanälen lief. Es gab kein Entrinnen. Eine massive ideologische
Einflussnahme durch die Herrschenden unseres Landes.
ARD und ZDF kappten mitten im Satz alle laufenden Sendungen,
als Karol Wojtyla, alias Johannes Paul II., verstorben war. Und nicht anders
ging es am 19. April, als sich der weiße Rauch über dem Vatikan verbreitete und
kurz darauf mit dem sicheren Sinn des vatikanischen Managements für Showeffekte
der Kardinal Josef Ratzinger als Benedikt XVI präsentiert wurde.
Da war aus der Papstwahl, vordergründig betrachtet doch nur
eine Angelegenheit der Katholiken, längst eine nationale Affäre geworden. Bundespräsident
und Kanzler, Stoiber und Merkel, ja sogar Ratzingers Namensvetter Josef
(Joschka) Fischer, gratulierten hemmungslos, waren stolz für Deutschland usw.
Und der CDU-Kandidat Rüttgers in NRW entblödete sich nicht, sich prompt mit einer
der aggressiveren Äußerungen Ratzingers in den letzten Tagen zu solidarisieren,
der in alter Inquisitionsmanier gesagt hatte, dass der katholischen Glauben den
anderen Religionen doch überlegen sei. Zeitungskommentatoren sorgten sich
bereits, ob das dem Rüttgers nicht entscheidende Stimmen kosten könnte. Aber den
Papst braucht das nicht zu kümmern. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt zum
Tachelesreden.
Die Nachrichtenmoderator/innen der deutschen
Fernsehanstalten erstarben denn auch schier vor Ehrfurcht, wechselweise schwarz
oder rot gewandete ältere Herren bevölkerten tagelang die Bildschirme.
Zeitungen, die sich gerne „kritisch“ geben, vergaßen alle
Kritik. Josef Ratzinger galt zeit seines öffentlichen Wirkens als konsequenter
Reaktionär, als bewusster Vertreter der deutschen wie der internationalen
Reaktion. Er, der exakt passend zur Strauß-Landesregierung als Erzbischof von
München und Freising regierte, wurde nun, schon Tage vor der Papstwahl,
weißgewaschen. „Der Zeitgeist ist ihm nicht geheuer“ schmeichelt die
Stuttgarter Zeitung, der „Spiegel“ spricht milde, Ratzinger stehe für
Kontinuität im Sinne Wojtylas.
Ratzinger steht genauso wie sein Vorgänger
für Frauenfeindlichkeit,
für die Verweigerung der
Gleichberechtigung in der Kirche
für eine reaktionäre Sexualmoral,
die Frauen und Männern verbieten will, sich der Erkenntnisse der modernen
Wissenschaften bei der Gestaltung ihres gemeinsamen Lebens zu bedienen
für das Zölibat, also den Zwang
zur Ehelosigkeit für die Priester inklusive aller, von der Kirche vertuschten
bzw. geduldeten Folgen wie Kindesmissbrauch durch „Geistliche“, verlogene Moral
gerade diese „Moralwächter“, die eben doch in de facto – Ehen leben mit
allen, eigentlich normalen Folgen.
Ratzinger aber steht als bisheriger „Präfekt der
Glaubenskongregation“ des Vatikans, einer Wächterbehörde über die ideologische
Reinheit des Glaubens auch persönlich für Unterdrückungsmaßnahmen innerhalb der
Kirche. Die gefeuerten Professoren Küng und Drevermann, denen die Lehrerlaubnis
entzogen wurde, oder die Anführer der vom Gespann Wojtyla/Ratzinger bekämpften
so genannten Befreiungstheologie in Südamerika können ein Lied davon singen.
Sie haben sich lediglich an den offensichtlichen Widersinnigkeiten der
katholischen und anderen Kirchen versucht abzuarbeiten, einiges zu
modernisieren und verständlicher zu machen. Das reicht unter einem wie
Ratzinger, um ernste Schwierigkeiten zu bekommen.
Der neue Papst steht nicht allein, aber trotzdem auch
persönlich, für die Verteidigung der Metaphysik und des Idealismus, für die
Verteidigung der Wissenschaftsfeindlichkeit des katholischen Glaubens, für die
Bekräftigung jenes Widersinns von der Dreifaltigkeit eines im Himmel lebenden
Gottes (Vater, Sohn und heiliger Geist), für Heiligsprechungen und für die
Verteidigung des absurden Marienglaubens einschließlich des Dogmas von der
„unbefleckten Empfängnis“, das ja nicht nur einen biologischen Unsinn hochhält,
sondern auch die Sexualität, eine der schönsten Seiten des Menschseins, als
schmutzig diffamiert. Das ist die Welt Wojtylas und seines Nachfolgers
Ratzinger.
Stabstelle des Imperialismus
Enver Hoxha wies 1978 anlässlich der Bestellung Wojtylas zum
Papst und dem merkwürdig schnellen Tod von dessen Vorgänger Johannes Paul I.
nach nur gut 30 Tagen im Amt hellsichtig darauf hin, dass damit im Vatikan,
einer weltweit zentralen Schaltstelle der imperialistischen Macht, die
Interessen des westlichen Imperialismus an der Niederschlagung des ehemalig
sozialistischen Ostblocks zum Durchbruch verholfen worden war.
Wie sympathisch, dass damals Wojtylas Kurz-Vorgänger
Johannes Paul I. als lachender Papst bezeichnet werden konnte! Das
Papsttum mit allem ideologisch reaktionären Pomp und Mummenschanz drum
herum –
alles schön und gut! Aber wenn es für den Imperialismus gilt, einen ganzen,
in offensichtlicher Krise befindlichen Staatenblock niederzuringen, der ihm im
Weg stand, der immer noch den Sozialismus propagierte, auch wenn er ihn längst
verraten hatte, der ihm den ungehemmten Zugriff auf riesige Ressourcen an
menschlicher Arbeitskraft, Kapitalien und Bodenschätzen verwehrte, dann hört
auch bei den Soutanenträgern der Spaß auf. Dann wird klargestellt, dass es eine
erstklassige, eine in die strategischen Konzeptionen eingepasste Wahl des
Kirchenoberhauptes braucht! Papstwahl nach Machtinteresse ist in der Geschichte
nichts Neues.
Dass Johannes Paul I. in dieses Machtkalkül eventuell nicht
passte, Karol Wojtyla als Pole dafür aber umso besser, das liegt offen zutage.
Enver Hoxha hat darauf hingewiesen, wie sehr das scheinsozialistische Polen
durch seine massiven Zugeständnisse an die katholische Kirche bereits zum
Vorposten der weltweiten Reaktion innerhalb des Ostblocks geworden war.
Außerdem war Karol Wojtyla als brillanter Kopf bekannt, als machtbewusst und in
allen Belangen der Politik innerhalb des Ostblocks mit allen Wassern
gewaschen. Einer wie er gehörte auf den „heiligen Stuhl“. Das Ergebnis damals
spricht für sich. An der Spekulation, ob seinerzeit aktiv nachgeholfen wurde,
beteiligen wir uns mangels Beweisen nicht.
Mittlerweile erfolgte bekanntlich dieser Zugriff des Westens
auf den „Ostblock“. Dieser Schlag wurde dem toten Wojtyla in praktisch allen
Nachrufen als Hauptverdienst gutgeschrieben.
Was dieser Umbruch sozial bewirkte, liegt offen zu Tage: Massenarmmut in
unvorstellbaren Formen und Ausmaßen, politische Reaktion auf der ganzen Linie,
Rückkehr nicht nur der Kirche, nein aller möglichen Religionen, Kassierung der
Rechte der Frauen in weiten Landstrichen, urtümliche kapitalistische Missstände
für die Werktätigen in den funktionierenden Teilen der Wirtschaft,
Gewerkschaftsunterdrückung, Niedriglöhne, Arbeitsemigration in allen nur
denkbaren Formen bis hin zum Menschen- und vor allem Frauenhandel, die
entfesselte Geißel der Nationalismen mit barbarischen Kriegen und Kleinkriegen,
mittels derer sich die imperialistischen Staaten wie auch Deutschland ihre
Einflussgebiete zu sichern versuchen. Egal, was die Menschen erlitten und
erleiden – für die „Schafe“ des römischen Oberhirten und
seine Unterhirten „vor Ort“ ist reichlich „Arbeit“ dabei herausgesprungen.
Der Papst – ein Kämpfer für Gerechtigkeit und Frieden?
Wojtyla, und indirekt auch Ratzinger, wird von den
bürgerlichen Medien und von den öffentlichen Ideologen zu Gute gehalten,
Kriege, speziell den Bush-Krieg im Irak angeprangert, den Frieden gefordert,
die Unterdrückung des palästinensischen Volkes durch Israel kritisiert, die
sozialen Missstände der kapitalistischen Wirtschaft verdammt und die
Unterwerfung der Menschen unter die Verwertungszwänge des weltweiten Kapitals
beklagt zu haben. Sie hätten daher zu Recht gewaltigen Zulauf, nicht zuletzt
unter der Jugend. Solche Klage führt Müntefering zur Zeit zwar auch, aber
Wojtyla und Ratzinger betreiben dieses Geschäft natürlich unter Berufung auf
Bibel und katholische Glaubensdogmen. Man hält ihnen außerdem zu Gute, sich
angeblich für die Zusammenarbeit der Religionen eingesetzt zu haben und damit
viel ideologischen Zündstoff für Kriege und Unruhen in der Welt angefasst zu
haben.
Die Illusion, die in all diesen Aktivitäten steckt, soll
offensichtlich für die bare Münze genommen werden. Hier, gerade hier machen
diese Herren ihren Job professionell. Besser hunderttausende Jugendliche und
Gläubige, wie z. B. für den Sommer im „heiligen“ Köln geplant, versammeln sich
und veranstalten ein kollektives, mit schöner Musik, frommen Diskussionen und
einer salbungsvollen Ratzinger-Rede untermaltes Jammern über die
kapitalistischen Zustände, als dass Hunderttausende ihre Energie in den aktiven
Kampf gegen den Kapitalismus und Imperialismus investieren. Betet, aber
überlasst das Kämpfen anderen. Organisiert Euch nicht in kämpferischen
Gewerkschaften, sondern tretet bei aller Kritik an den Missständen des
Kapitalismus für den Ausgleich mit dem Kapital und den Kapitalisten ein, auch
wenn dieser eine Illusion ist (wie gerade di aktuelle Situation in Deutschland
beweist).
Keine Glückwünsche an den neuen Papst!
Was bleibt? Wir haben nicht vergessen, welch reaktionäre
Rolle der neue Papst gespielt hat. Wir wünschen ihm kein Glück. Wir sehen, wie
viele Menschen der Kirche enttäuscht den Rücken kehren. Und wir unterstützen
dies.
Aber die Hauptaufgabe im dieser Auseinandersetzung steht
erst vor uns, vor den Materialisten und Kommunisten: Den praktischen Nachweis
zu erbringen, dass Mitmenschlichkeit und Solidarität im praktischen Kampf gegen
das Kapital entstehen, dass sie dort zu Hause sind, dass der Materialismus eine
humane Einstellung und Weltsicht ist, die mitmenschlich und solidarisch ist,
und nichts mit der kapitalistischen Raffgier gemein hat.
Wir haben zu zeigen, den Beweis zu erbringen, dass wir der
Jugend eine reale humane Perspektive erschließen können, die die katholische
Kirche ihnen, unterstützt von Millionen Dollar und Euro in religiöser Manier
und mit großem Pomp lediglich vorgaukeln kann.
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