Dessau, am 26.03.05: Trauerzug für Oury Jallow
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NIE WIEDER!!!
Verbrannt in seiner Zelle – Kein Vergessen und kein Vergeben!
Trauerzug in Dessau
26.03.05 – Hauptbahnhof Dessau 12 Uhr
Wer kennt Oury Jallow oder Laye Kondé? Wer weiss etwas über ihre Leben und
deren Familien, die sie zurückließen, über ihre Gefühle und Ängste? Wer weiß,
wie sie starben und warum?
Am 7. Januar kamen in den Händen der Polizei zwei Afrikaner zu Tode. Am 7.
Januar war in Deutschland einfach ein Tag, wie jeder andere. Gewöhnlich. Ein
Tag, der für viele Menschen schon längst der Vergangenheit angehört und damit
wie so oft in Vergessenheit gerät. Schlicht ein Freitag im ersten Monat des
neuen Jahres, nicht mehr und auch nicht weniger.
Es gibt aber auch Menschen mit angespannterem Gedächtnis, die nicht so leicht
vergessen. Aber was soll´s, da sind einfach ein paar Leute mehr, für die der 7.
Januar etwas verdeutlicht. Nämlich das Weiterwirken der unrühmlichen
Kolonialgeschichte dieses Landes und des Kontinents. Es sind Leute, die den Tod
zweier Afrikaner einfach als Beweis für das Fortbestehen von vergangenen
Verhältnissen in der Gegenwart sehen. Ein einziger Alptraum. Die Fakten:
Oury Jallow und Laye Kondé, beide aus Sierra Leone, starben, weil sie und ihres
gleichen in diesem Land nicht willkommen sind. Sie starben, weil sie sich in
einem Land wiedergefunden haben, in dem man nicht müde geworden ist
„Ausländer Raus!“ zu schreien. Sie starben, weil ihnen der deutsche Staat
und die deutsche Gesellschaft nur Ausschluss und Isolation, Zerstörung und
Abschiebung entgegen brachten, wie vielen, vielen anderen Menschen auch.
Oury starb an einem Bett festgebunden im Polizeigewahrsam der Stadt Dessau. Er
verbrannte dort bei lebendigem Leibe. Ein Suizid meinen die Beamten gesehen zu
haben.
Laye starb in der Stadt Bremen. Seine Lungen waren aufgefüllt mit einem
Getränk, welches ihn die Polizei erst befahl, dann zwang zu trinken. Es sollte
ihn zum Übergeben und die im Magen vermuteten Drogen zum Vorschein bringen.
Wollt ihr mehr Informationen erhalten? Sollten wir objektiver sein? Wie sieht
es damit aus: Gemäß eines Artikels der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ vom 9. März
wurden allein im Januar diesen Jahres jede Stunde ein rechtsextremes Verbrechen
begangen.
Offiziell beliefe sich die Anzahl auf 745 Verbrechen und 39 Gewaltakte von
Rechtsextremen in Deutschland. Im letzten Jahr gab es den Statistiken zu Folge
7.943 Verbrechen und 489 Gewaltverbrechen der rechtsextremen Szene.
Denken Sie, dass Oury und Laye in diesen Statistiken ein Platz zukam?
Es besteht zumindest kein Zweifel, dass solch hässliche Verbrechen im Stillen
begangen werden, so wie die Behörden sich um dessen Vertuschung oder
Verharmlosung als Unfall bemühen. Verbrechen, welche vor langer Zeit ein
täglicher Schrecken für viel Menschen des nicht-europäischen Erbes waren.
Aber was wir hier berichten, das ist nichts neues. Es wird wohl weder Euch noch
uns als Neues gelten. Und Ihr werdet es genau wie wir ziemlich genau wissen.
Wird nicht das, was normal genannt wird? Ist dies nicht banal, eine alltägliche
Begebenheit, auch wenn nicht für Sie oder Ihn persönlich? Aber dann sehen Sie
dies wieder nicht als Ihr Problem an. Es ist ja jemand Anderem zugestoßen. Wenn
Sie dies lesen sollten, dann werden Sie sich vielleicht unwohl fühlen oder
sogar aufgebracht sein. Das dürfte auch eine normale Reaktion sein. Sie werden
wie wir an diese Gleichgültigkeit gewöhnt sein.
Und nun noch einmal zurück zu einigen Informationen, welche von der Tageszeitung
herausgegeben wurden. Einer Studie des Konflikt-. und Gewaltforschers Wilhelm
Heitmeyer zufolge sei die große, schweigende Masse überwältigend groß. 60
Prozent aller Deutschen glauben, dass schon zuviele Ausländer in diesem Land
leben würden. 69 Prozent sind angenervt, weiterhin mit den Verbrechen gegen die
Europäischen Juden in Verbindung gebracht zu werden. Von diesen 69 Prozent
bezeichnet sich gut die Hälfte politisch als Mitte.
In Dessau wies der ermittelnde Staatsanwalt die Möglichkeit zurück eine zweite
unabhängige Autopsie zu unternehmen. Dabei hätten dort unbeantwortete Fragen
gelöst werden können, wie: war sein Handgelenk wirklich gebrochen oder nicht?
Nun scheinen sie ihre Gedanken geändert zu haben und die Behörden bereiten
Schwierigkeiten für die öffentliche religiöse Beisetzung eines Afrikaners, der
vielen Freund und Bruder war.
Freunde von Oury sagten, sie würden die Prozession mit oder ohne Genehmigung
der Behörden durchführen. Und sie werden nicht halt machen, die eigentlichen
Ereignisse in Dessau anzuklagen. Seit solch starke Positionen häufig bezogen
wurden, bedeutet es für die, welche es widerstanden ihre Köpfe zu senken, oft
allein gelassen zu werden. Deswegen ist es um so wichtiger, dass wir ihr
Streben unterstützen und Oury einen würdigen Abschied erweisen, zumindest
einen, den letzten.
Abschließende Worte. Es wird Sie weder viel Zeit in Anspruch nehmen noch viel
Geld kosten, Ourys Freunde für das zu unterstützen, was ihm zu Lebzeiten in
diesem Land vorenthalten wurde: Würde und Respekt. Es wird nur ein einziger Tag
ihres Alltages sein. Kommen Sie nach Dessau.
Wir fordern:
Eine zweite und unabhängige Autopsie
Eine unabhängige Ermittlung der Umstände Ourys Tod
Einen Gerichtsprozess gegen die verantwortlichen Polizeibeamten wegen Tötung
Entschädigung für die Familie Oury Jallows
Ein Ende der Polizeikontrollen und –gewalt
Gerechtigkeit!!!
Oury Jalloh: Elf Wochen nach dem Feuertod eines Afrikaners
Mehr info: http://www.thevoiceforum.org/dessau