Trotz Unterzeichnung – das Nein zu CETA,TTIP, TISA! bleibt aktuell!

Trotz massenhafter Proteste und schärfster Kritik auf beiden Seiten des Atlantiks haben Kanada und die Europäische Union am 30. Oktober 2016 das CETA-Abkommen (1) unterzeichnet. Aber die Umstände enthüllen einmal mehr die tiefe Krise der EU und ihrer internationalen Beziehungen. Und nicht nur das, auch die bürgerlichen Parteien, speziell die reformistisch-sozialdemokratischen Parteien geraten immer tiefer in deren Sumpf.
Der breite europaweite Widerstand gegen dieses und andere Abkommen (TTIP, TISA) hätte fast die Unterzeichnung verhindert, die am letzten Donnerstag (27.10.2016) in Brüssel feierlich erfolgen sollte. Aber Kanada-Premier Trudeau sagte ab und blieb lieber erst einmal zuhause.
Denn Belgien (Sitz der EU-Institutionen!!) durfte nicht unterzeichnen, da mehrere belgische Regionalparlamente „Nein!“ sagten. Aber erst die Unterzeichnung durch alle EU-Mitglieder macht CETA zumindest vorläufig gültig. Dieses Verfahren hatte Kommissionsboss Juncker grollend zubilligen müssen, nachdem seine arrogante Forderung – nur Stunden nach der Brexit-Pleite -, CETA und TTIP gingen die Länder nichts an, sondern allein die EU, einen europaweiten Entrüstungssturm ausgelöst hatte.

Nein zu CETA, TTIP, TISA bleibt aktuell!
Nur vorläufig gültig sind die Unterschriften deshalb, weil nun auch die Parlamente der 28 Mitgliedsländer dem Vertrag zustimmen müssen. Offen sagen bürgerliche Kommentatoren dazu, allein das sei eine Horrorvorstellung. Und das ist nur zu berechtigt. Jede Parlamentsdebatte gibt neue Gelegenheiten, gegen diese Freihandelspolitik zu protestieren, erneut die demokratischen Bewegungen zu mobilisieren, die Öffentlichkeit aufzurütteln und ein Nein der Parlamente zu fordern. Deshalb: Das Nein zu CETA, TTIP, TISA bleibt aktuell!
Die Arbeiter-Bewegung und die Völker – sie haben Erfahrung mit solchen „Freihandelsabkommen“. Ihr Widerstand ist breit, was gar nicht selbstverständlich ist. Gerne verkaufen die Kapitalisten und reformistischen Gewerkschaftsführer solche Verträge als im Arbeiterinteresse. Trotzdem: Viele Kolleg/innen in Gewerkschaften und Betrieben nahmen an Massendemos teil oder unterzeichneten eine der zahlreichen Petitionen. Denn eine breite Öffentlichkeit hat erkannt: Die von den Führern der EU großspurig angekündigten mehr und besseren Jobs gibt es gar nicht, sondern oft nur anwachsende Armut. Z. B. die Erfahrung mit dem NAFTA-Abkommen (USA, Kanada und Mexico): Es führte nicht zu Wirtschaftswachstum, sondern zu Niedriglöhnen, zu Erwerbslosigkeit und zur Vernichtung der schwächeren, im verschärften Wettbewerb unterlegenen Unternehmen.
Das ist aber das Grundprinzip dieser Verträge, nicht die Folge irgendwelcher Fehler und Mängel: Diese Abkommen liegen nur im Interesse der größten imperialistischen Monopole.

Krise der EU!
Erst das Brexit-Votum der Briten, jetzt die ungewissen Aussichten von CETA-TTIP und Co. Die Zustimmung der belgischen Regionalparlamente in letzter Minute wurde Freitagnacht zustande gebracht, mehr als einen Tag nach der abgesagten Unterschriften-Show, nach einem mehrtägigem Verhandlungsmarathon, in dem die „sozialistische“ belgische Regierung, assistiert vom sozialdemokratischen EU-Parlamentschef Schulz, den „widerstrebenden“ Vertretern der Wallonie (ebenfalls „Sozialisten“), der Region Brüssel, und anderer Regionalgremien das „Ja“ abrang. Wie viele Gelder flossen, was für finanzielle und anderweitige Zusagen bei diesem Gefeilsche gemacht wurden, ist noch nicht bekannt.
Offen sprechen die Führer der EU und der Mitgliedsstaaten nun davon, dass die EU Gefahr läuft, unter diesen Umständen nicht mehr als seriöser Verhandlungspartner akzeptiert zu werden.
Bebend vor Wut hetzten die Schäubles und Merkels, die Oettingers und Steinmeiers, von einer „winzigen Minderheit“ dürfe nicht das Wohl der EU abhängig gemacht werden, das paralysiere die ganze EU! Welche Arroganz! Nach wie vor nichts gelernt aus den vergangenen Pleiten!!

Sozialdemokraten an der Betrugsfront!
Aber nicht Änderungen des eigentlichen CETA-Textes wurden ausgehandelt, sondern Zusatzprotokolle. Wallonen-Chef Magnette: Angeblich sei da mehr Schutz für die Bauern und die Konsumenten in der gesamten EU reingeschrieben worden. Auch rechnete er sich angebliche Verbesserungen bei den berüchtigten Schiedsgerichten zu.
Das war im Übrigen auch Siegmar Gabriels Trick: Mit Kanada eine Art Anhang zum CETA und zu den Schiedsgerichten auszuhandeln, mit dem er die SPD regelrecht zum Ja für CETA pressen musste.
Denn die Freihandelspolitik stürzt europaweit besonders Sozialdemokraten in schwere existenzielle Nöte. Unter ihren Mitgliedern sind zahlreiche CETA-Gegner, die genau wissen, welche Schäden diese Abkommen zeitigen. Also müssen gerade ihre Führer alles an Getrickse und Demagogie aufbieten, damit ihre Parteien, Fraktionen und Abgeordneten mitspielen. Daher jetzt diese Flut von Zusatzprotokollen und ähnlichem. Es ist äußerst umstritten, ob solche Zusätze juristisch bei Streitfällen überhaupt zählen. Es besteht aber kein Zweifel: Ob solche angeblichen Verbesserungen gelten, hängt nicht zuletzt davon ab, dass Arbeiter/innen und Völker weiter aktiv darum kämpfen. Nicht Papier zählt, sondern Macht.

CETA- Kritik auch in Kanada:
Tatsächlich stand der Anti-CETA-Widerstand bereits in den Foyers der EU Bürokraten zu Brüssel. Da meldete der Deutschlandfunk, dass auch Kanada-Premier Trudeau mit massiver Kritik konfrontiert ist. Kanadas Grünen-Chefin Elisabeth May vorm Parlament in Ottawa zu Trudeau: Die Schiedsgerichte für Investoren seien „eine schamlose Geschäftemacherei mit der Unmoral“. Sie seien „eine Art Paralleljustiz“ für angeblich im Wettbewerb benachteiligte Unternehmen, die souveräne Staaten verklagen. Der kanadische Grünen-Rechtsexperte Gus Van Harten sekundiert entlarvend: „Die Bezahlung für die Mitglieder dieser Schiedsgerichte hängt immer noch von der Anzahl der Klagen von Investoren ab. Das ist eine Hauptsorge bezüglich ihrer Unabhängigkeit…“ Auch wenn die Arbeitsweise der Gerichte inzwischen überarbeitet sei – öffentlich statt geheim, mit Berufungsmöglichkeit, fragte Van Harten Herrn Trudeau: „Warum nimmt man dieses politisch giftige System zum Schutz ausländischer Investoren nicht einfach aus CETA heraus?“ Immerhin klare Worte, die eines der wesentlichen Argumente des europäischen Widerstands gegen CETA stützen: Die Schiedsgerichte gehören gestrichen! Sie sind ein einziger Angriff auf die demokratischen Rechte der Völker und eine von den Monopolen und Konzernen finanziell abhängige, illegale Sonderjustiz. Trudeaus Antwort? Er unterschrieb CETA!

Weiter im Kampf gegen CETA, TTIP, TISA…!
Böses schwant den Herrschenden für die Zukunft. Nach den CETA-Unterschriften in Brüssel gibt’s keine Entwarnung, auch für TTIP nicht. Schon rufen Luxemburgs Außenminister Asselborn und der Österreichs Vizekanzler Mitterlehner nach einem totalen Neustart der TTIP-Verhandlungen. Warum wohl?
Weil, wo immer die Völker der EU gegen deren Politik kämpfen oder über die imperialistische EU-Politik abstimmen können, für die Chefinnen und Chefs der EU Gefahr angesagt ist. Die EU-Bosse spielen mit ihrer antisozialen und antidemokratischen Politik nicht nur Rechten, Nationalisten und Nazis in die Hände, sondern haben mit ihrer Arroganz auch den breiten demokratischen und antikapitalistischen Widerstand auf den Plan gerufen, über den sie heute jammern und gegen den sie hetzen. Ihre Vorwürfe, so werde die EU handlungsunfähig gemacht – sie fallen ihnen auf die eigenen Füße. Arbeiterinnen, Arbeiter, Angestellte, Erwerbslose, Bauern, Alt und Jung, Frauen und Männer: Lassen wir nicht nach im Kampf gegen diese Schandverträge. Es bleibt dabei:
Nein zu CETA, TTIP und den anderen Freihandelsabkommen!

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Anmerkung: (1) CETA: Comprehensive Economic and Trade Agreement; Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen