Die militärische Intervention Russlands in Syrien markiert eine weitere Etappe in der Internationalisierung dieses Krieges. Wenngleich alle imperialistischen Mächte und ihre Verbündeten in der Region ihren Willen, den Islamischen Staat (IS) zu bekämpfen, bekunden, so verfolgt doch jede ihre eigenen Ziele. Die Völker der Region, insbesondere das syrische, die in die Zange genommen werden, versuchen, aus den Kampfzonen, die sich immer weiter ausdehnen, zu fliehen…
Militärische und diplomatische Offensive Putins
Die Militärintervention in Syrien erlaubt es Putin, sich als nicht zu übergehenden Akteur in dieser Region zu profilieren. Er wischt die Kritiken der westlichen Staatsmänner, die ihm vorhalten, die Stellungen der Oppositionskräfte gegen das Regime Assads, welche sie seit Monaten unterstützen, zu bombardieren, mit einer Hand beiseite. Putin konfrontiert sie mit ihren eigenen Widersprüchen und verweist auf die geringen „Resultate“ ihrer eigenen Bombardements bei der Zurückdrängung des IS. Er macht darauf aufmerksam, dass die Waffen, die in großer Menge an diese „gemäßigt islamistischen“ Gruppen geliefert wurden, letztendlich in den Händen der IS-Kämpfer gelandet sind.
Aber Putin und die russischen Generäle wissen sehr gut, dass ohne Bodentruppen die Luftschläge allein nicht ausreichen, um die vom IS besetzten Gebiete zurückzugewinnen. Deshalb zählen sie auf die syrische Armee, die iranischen Truppen und die der libanesischen Hisbollah.
Abgesehen davon will Putin sich nicht auf eine ausschließliche Allianz mit dem syrischen Regime und Iran beschränken, was ihm die Türen der Waffenmärkte von Saudi-Arabien verschlösse. Letzteres hat übrigens gerade russische Militärausrüstungen bestellt und es hat auch die „Mistral“ bezahlt, welche die ägyptische Armee verstärken werden!
Von den saudischen staatlichen Fonds wurden 10 Milliarden Dollar in Russland investiert. Übrigens gibt es auch noch ein anderes Feld, auf dem ihre Interessen konvergieren: den höheren Preis des Barrel Öl, ihrer Haupteinnahmequelle.
Auf politischer Ebene ist die Unterstützung von Baschar Al Assad nur ein Element des Kräfteverhältnisses, das Putin herstellen will, um die Interessen des russischen Imperialismus zu verteidigen. Er hat ihn als Kommiss nach Moskau bestellt, um ihm zu bedeuten, dass er sich entscheiden müsse, die Macht im Austausch für seinen Schutz abzugeben. Putin will zeigen, dass er einen Verbündeten nicht „im Stich lässt“, wie es die westlichen Staatsmänner in Ägypten, Tunesien etc. gemacht haben, und er will sich als Garant der Integrität Syriens darstellen.
Dagegen gibt es Völker, die meinen können, dass er sie „im Stich lässt“, wie die Palästinenser, die im Aufstand gegen die reaktionäre Regierung Netanjahu stehen. Putin hat sich die Mühe gegeben, sich mit ihm zu treffen und ihm zu versichern, dass er von der Militäroffensive nichts zu befürchten habe, auch wenn Israel aktiv am Krieg beteiligt ist.
Das Risiko des Steckenbleibens
Wenn sich Putin sehr offensiv zeigt, muss er dennoch mit dem Risiko des Steckenbleibens rechnen, in das sein Expeditionskorps geraten kann, umso mehr als die syrische Armee geschwächt ist und auf große Schwierigkeiten vor Ort trifft.
Er weiß auch, dass wenn er in diesen Krieg eintritt, er ein Ziel für die Angriffe der Gruppen werden wird, die sich zum IS bekennen oder die gleichen Ziele haben.
Er entschied soeben, Truppen an der Grenze zu Afghanistan zu stationieren, um zu vermeiden, wie er sagte, dass dieses Land in den Einfluss des IS gerät und eine Basis wird, um die militärischen Aktionen und den Einfluss in die Nachbarländer auszuweiten.
Diese Bedrohung ist nicht fiktiv. Die Taliban haben mehrere Offensiven gestartet, deren spektakulärste die Einnahme der Stadt Kundus, 70 km von der Grenze zu Tadschikistan, gewesen ist. In diesem Land, das Mitglied der durch Putin gegründeten „Organisation des kollektiven Sicherheitsvertrags“ ist, hat Russland die größte Militärbasis außerhalb seiner Grenzen.
Kundus ist auch die Stadt, in der die US-Luftwaffe ein einwandfrei identifiziertes Krankenhaus von „Ärzte ohne Grenzen“ mit hunderten Opfern bombardiert hat. Das ist ganz klar ein Kriegsverbrechen, nicht ein „Versehen“.
Putin verliert keine Gelegenheit, den USA und der NATO vorzuwerfen, ihre Militärpräsenz in Afghanistan eingeschränkt zu haben und die Taliban nicht ausgemerzt zu haben.
Obama verlängert die Militärpräsenz in Afghanistan
Die Einnahme von Kundus, die nur eine der zahlreichen Operationen der Taliban ist, hat Obama veranlasst, seinen Plan des militärischen Rückzugs zu revidieren. Er hat die Beibehaltung eines Kontingents von 9800 Mann in 2016 entschieden, während er einen fast völligen Rückzug zum Ende seiner Amtszeit vorsah. Mehrere hohe politisch und militärisch Verantwortliche haben sich für eine Verstärkung der US-Militärpräsenz ausgesprochen und betont, dass diese Entscheidung einem „künftigen Präsidenten“ obliege.
Eine Konfrontation zwischen imperialistischen Mächten
Seit dem Beginn der vom US-Imperialismus und seinen Verbündeten geführten Kriege in Afghanistan, im Irak und schließlich in Syrien verurteilen wir sie und widersetzen uns der Beteiligung des französischen Imperialismus. Wir haben die Positionen bekämpft, die darin bestehen, eine „Berechtigung“ unter dem Vorwand des „Kampf gegen den Terrorismus“ zu finden. Heute stellt sich die Politik Putins als „Gegengewicht“ gegen die US-Hegemonie dar. Aber es handelt sich um eine Politik einer imperialistischen Macht, die geschickt die Irrtümer und Schwierigkeiten ihrer Rivalen ausnützt und nicht um eine Politik, welche die Interessen der Völker verteidigt.
Diese Internationalisierung des Kriegs in Syrien entwickelt sich nicht im Sinne einer progressiven Lösung.
Übersetzung aus „La Forge“, Zeitung der Kommunistischen Arbeiterpartei Frankreichs, Nov. 2015