Mit Jörg Hofmann wurde ein Mann zum neuen Vorsitzenden gewählt, der nicht für offensiven Klassenkampf der Mitglieder steht, sondern für Sozialpartnerschaft. Diese Feststellung muss sein, auch wenn die IG Metall in den letzten Jahren kämpferischer geworden ist, mehr Aktionen in der Betrieben initiierte und durchaus jüngere, kämpferische Kräfte am Werk sind.
Aber die Gewerkschaft steht und fällt mit dem Streik! Ohne Streik ist eine Gewerkschaft Bittsteller, auch wenn sie IG Metall heißt! Die IG Metall hat aber in den Tarifrunden der letzten Jahre nicht wirklich gestreikt! Sie hat mit Warnstreiks gepiekst, ist aber nie mehr zur Urabstimmung geschritten und damit erst recht nicht zu echten Streiks. Die letzten „großen“ Streiks fanden 1995 in Bayern und 2003 im Osten (um die 35-Stunden-Woche!) statt. Letzterer durch den damaligen Vorsitzenden Zwickel vorzeitig abgebrochen und praktisch verloren.
Jörg Hofmann ist ein Mann der Warnstreikzeit ohne Urabstimmung und Streik, sowohl als Bezirksleiter in Baden-Württemberg wie auch als für Tarifpolitik zuständiger Zweiter Vorsitzender. Hofmann steht für Tarifverträge wie das Pforzheimer Abkommen, das die Türen zur (immerhin bezahlten) betriebsbezogenen Rückkehr zur 40-Stunden-Wochenarbeitszeit sperrangelweit aufriss und den Kolleg/innen den letzten Nerv raubte, die für die 35-Stundenwoche gestreikt hatten und im Alltag weiter für sie kämpfen! Er steht nicht für Arbeitszeitverkürzung.
Wie war Hofmanns Haltung zum Tarifeinheitsgesetz Merkels und ihrer Arbeitsministerin Nahles (SPD!!!)? Viele Kolleg/innen, nicht nur in der IG Metall, sondern auch bis hin zum Ver.di-Vorstand durchschauten, dass gesetzlich erzwungene (von Nahles im Bundestag lyrisch besungene) „Einheit“ ein vergiftetes Geschenk ist, ein Angriff auf das Streikrecht! Hofmann und sein Chef Wetzel verhinderten entschiedenen Widerstand der IG Metall. Sie predigen Vertrauen in die Regierung des Kapitals und leben abgeschottet von der Betriebspraxis in ihrem Frankfurter Hochhaus, das mehr einer Konzernzentrale gleicht als einem offenen Haus für Arbeiter/innen und Angestellte und ihre zunehmend existenziellen Nöte. Ihnen sind die Probleme der Metaller/innen gerade in nicht optimal organisierten Betrieben entweder nicht vertraut oder egal oder beides.
Auf dem Kongress „Erneuerung durch Streik 2″ im Herbst 2014 in Hannover erfuhr man, dass selbst ein Mercedes-Werk (Traditionsclaim der IG-Metall, sollte man denken!) wie das in Wörth nicht optimal organisiert ist (ich nenne keine Zahlen), und die Kolleg/innen dort mit großem Engagement, aber gegen große Probleme um eine Verbesserung des Organisationgrades kämpfen. Wie erst sieht es in kleineren und mittleren Betrieben aus? Da sind oft noch nicht mal die Hälfte der Belegschaft Mitglieder. Ist es da ausgeschlossen, dass auch mal eine andere Gewerkschaft stärker ist oder das einfach frech behauptet? Da steht dann das Tarifeinheitsgesetz gegen die IG-Metall! Was ist, wenn diese nicht nachweisen kann, dass sie die größte Gewerkschaft im Haus ist, eine andere aber wohl? Stellen sich die Vorsitzenden der IG Metall öffentlich hin und behaupten, solch ein Fall könne nicht eintreten?
Nein, das können sie nicht. Und wenn das passiert, wäre der Metalltarifvertrag in solch einem Betrieb Vergangenheit! Hofmann steht nicht für das uneingeschränkte Streikrecht seiner Mitglieder!
Was hatte der Gewerkschaftstag zum Streik zu sagen? Was schrieb er dem neuen Vorstand ins Aufgabenheft.
Die IG Metall plant ein neues Streikkonzept
Mit bis zu 24-stündigen Warnstreiks will die IG Metall mehr Druck auf die Arbeitgeber machen, so das auf dem Kongress diskutierte Konzept zur neuen Streiktaktik: Es soll die IG Metall für Mitglieder und Neumitglieder attraktiver machen. Die neuen 24-Stunden-Warnstreiks soll es in ausgewählten Schwerpunktbetrieben geben, ohne Urabstimmung. Statt der Urabstimmung sollen solche Aktionen durch eine betriebliche Abstimmung legitimiert werden. Für die beteiligten Mitglieder aber ist dann eine pauschale Streikunterstützung vorgesehen, während es bisher für Warnstreiks nichts gab. Auch davon erhofft man sich natürlich einen Kick für die Mitgliederwerbung. Allerdings soll ein noch festzulegender Organisationsgrad die Voraussetzung zur Teilnahme an den neuen Lang-Warnstreiks sein. Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Werdet stärker, werbt mehr Mitglieder!
Der Gewerkschaftstag hat den neuen Vorstand um Jörg Hofmann und Christiane Benner beauftragt, bis zur nächsten Tarifrunde solch ein Streikkonzept auszuarbeiten. Der zugehörige Leitantrag „Beteiligungsgewerkschaft IG Metall“ wurde einstimmig angenommen.
Die durchaus kämpferische Verwaltungsstelle Esslingen profilierte sich in der Debatte. Die Stuttgarter Zeitung zitiert einen Esslinger Antrag zu diesem Konzept. Das Szenario der Esslinger: „Streikunterstützung ist die wichtigste Satzungsleistung“. Doch gehörten Urabstimmung, Streik und Aussperrung schon lange nicht mehr zur Erfahrungswelt der Mitglieder. Kaum einer könne sich noch erinnern, in einer Tarifrunde Streikgeld erhalten zu haben. Und, eine tagtägliche Kritik aus vielen Betrieben aufgreifend, schreiben die Esslinger: „Es ist ärgerlich, wenn unsolidarische Nichtmitglieder nach einem Tarifabschluss vorrechnen können, dass sie durch Nichtteilnahme an Warnstreiks finanzielle Vorteile genießen“, gegenüber den Kolleg/innen, die die Warnstreiks durchgezogen hätten, mit Lohnverlust, versteht sich. Also: Schneller und einfacher zum mit Geld-unterstützten 24-Stunden Warnstreik!
Natürlich wäre ein entschiedeneres Vorgehen ein begrüßenswerter Schritt in Richtung auf mehr und kämpferischere Aktionen. Folgerichtig hat Gesamtmetall, die Vertretung der Metall-Kapitalisten, gleich Protest und (klar doch!) schwere Bedenken angemeldet. Die Stuttgarter Zeitung (24.10.2015): Die Gesamtmetall-Chefs fürchten, „dass Mitgliedsfirmen durch Tagesstreiks schwer getroffen werden könnten“. Ach nee, wirklich?? Ist ja wohl der Sinn von Streiks?
Gesamtmetall will versuchen, sich mit der IG Metall auf ein „Regelwerk für die Phase bis zum Beginn einer Urabstimmung“ zu verständigen, um die Ausstände in geordnete Bahnen zu lenken. Man habe aber wenig Hoffnung auf, so die Stuttgarter Zeitung, „zeitnahe gesetzliche Änderungen“. Tatsächlich – da ist sie wieder, die Gesetzeskeule. „Nahles, übernehmen Sie!“ Soll die Regierung nach dem Tarifeinheitsgesetz nun auch noch per Gesetz wirksamere Warnstreiks verbieten? Aufgepasst! Wenn wir pennen, der Gegner jedenfalls pennt nicht.
Eine kritische Bemerkung zum Schluss: Die Unternehmer nehmen die Drohung der Urabstimmung sichtlich ernst. Warum nehmen wir sie nicht so ernst? Warum lautet die Antwort auf das von den Esslinger Kollegen gezeichnete Szenario nicht: Gerade die schnelle Urabstimmung brauchen wir!? Betriebliche Befragungen sind eben keine Urabstimmung, die alle zusammenschließt. Der Leber-Kompromiss von 1984 zur 35-Stundenwoche, der zwar die 35-Stunden aufs Vertragspapier brachte, aber jedem Betrieb das Recht gab, die Arbeitszeit einzelbetrieblich zu regeln, zersplitterte uns und unsere Gewerkschaft in tausende Einzelbetriebe, in tausende betriebliche Einheiten, die kaum noch zusammenkommen. Folgt die Streiktaktik jetzt immer mehr dieser Zersplitterung? Entwickelt sie noch seltener die Kraft der Urabstimmung an der ganzen Basis, die Kraft der Vollstreiks, in einem kompletten Tarifbezirk? Von einem landesweiten Vollstreik reden wir schon gar nicht mehr.
Die kämpferischen Metaller/innen und Kolleg/innen anderer Gewerkschaften diskutieren über Generalstreiks, ohne je dahin zu kommen. In der Gewerkschaftspraxis soll es dagegen immer mehr Einzelaktionen geben, die nur durch „schnelle betriebliche Abstimmungen“ legitimiert sind. Das ist nicht wirklich die Entwicklung, die die Arbeiterklasse braucht.
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