Bismarck dressiert den Reichstag des Norddeutschen Bundes ( zeitgenössische Karikatur)
Selbst die herrschende Klasse hat Schwierigkeiten mit dem 200. Geburtstag von Bismarck, der früher problemlos als Held und „Begründer des Deutschen Reiches“ gefeiert wurde. Vor und nach dem 1. imperialistischen Weltkrieg wurden in Deutschland viele hundert Bismarck-Gedenkstätten errichtet.
Doch heute muss sogar der reaktionäre Bundespräsident Gauck sich „kritisch“ zu Bismarck verhalten. So bemängelte er bei der offiziellen Feier des 200. Geburtstages im Deutschen Historischen Museum in Berlin die „Verfolgung der Sozialisten“ und die „Einschränkung der Pressefreiheit“. Aber er würdigte ihn vor allem für die Einigung Deutschlands, seine Sozialreformen und betont, es habe „kein gerader Weg von Bismarck zu Hitler“ geführt. Damit will er Bismarck in Schutz nehmen. Doch es ist ein merkwürdiges „Lob“. Denn offensichtlich führte ein ungerader Weg von Bismarck zu Hitler. Und er möchte vertuschen, dass diese Linie bis heute weiter geht.
Der Kampf um ein demokratisches Deutschland
Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten, die sich deutlich früher auf nationaler und demokratischer Grundlage organisierten, herrschte in Deutschland Kleinstaaterei aus kleinen und kleinsten Fürstentümern, Königreichen reaktionärster Prägung. Deutschland war ein Flickenteppich. Während sich in anderen Staaten der Kapitalismus entfalten konnte, war Deutschland rückständig. Insbesondere Preußen war von der Herrschaft des Landadels, der Juncker, geprägt. Die preußischen Könige zählten zu den reaktionärsten Kräften.
Während in England und Frankreich Revolutionen zu bürgerlicher Freiheit führten und die Bourgeoisie als aufstrebende Klasse an die Macht brachten, wurde in Deutschland die bürgerliche Revolution von 1848, an der sich Karl Marx und Friedrich Engels aktiv beteiligten, blutig niedergeschlagen. Die progressivsten Kräfte in dieser Revolution strebten ein geeintes Deutschland auf demokratischer Grundlage an. Sie wollten die Herrschaft des Adels stürzen und die Kleinstaaterei beenden. Kirche und Staat sollten getrennt sein.
Ein imperialistisches Deutschland
Mit der Niederlage der Revolution von 1848 wurden die Weichen für ein reaktionäres Deutschland gestellt. Es wurde mit drei Kriegen und dem Blut zehntausender Soldaten und Zivilisten gegründet. Nachdem Bismarck 1862 preußischer Ministerpräsident und Außenminister wurde, zettelte er 1864 einen Krieg gegen Dänemark an, bei dem er Schleswig und Holstein eroberte. 1866 besiegte er Österreich. Daraufhin wurde er 1867 Kanzler des Norddeutschen Bundes, der unter der Führung Preußens stand. 1870/71 schlug er Frankreich in einem grausamen Krieg. Die kapitulantenhafte Haltung der französischen Bourgeoisie führte damals zum Aufstand der Pariser Kommune, der ersten proletarischen Revolution. Bismarck half der herrschenden Klasse Frankreichs bei der blutigen Niederschlagung der Kommune. Preußen eroberte in diesem Krieg Elsass und Lothringen. Marx und Engels lehnten dies scharf ab und erklärten, dass dies zu weiteren Kriegen in Europa führen werde. Auf der Grundlage dieser militaristischen Eroberungen wurde 1871 der preußische König Wilhelm I in Versailles bei Paris zum deutschen Kaiser ausgerufen. Es blieb ein Reich der Kleinstaaterei, der Spaltung der Menschen, der Unterdrückung.
Mit dem Sozialistengesetz wurde die revolutionäre Arbeiterbewegung und die damals noch revolutionäre SPD verboten. Die opportunistischen Kräfte in der SPD um die Bewegung von Lassalle unterstützte Bismarck beispielsweise mit einem zinslosen Kredit von 2500 Talern für ihre Zeitung. Zugleich versuchte Bismarck mit der Einführung einer Kranken- und Rentenversicherung die Arbeiterbewegung zu befrieden. Doch das klappte nicht. Unter dem Einfluss von Marx und Engels stärkte sich die SPD und behielt ihren revolutionären Kurs.
Marx meinte, das Deutsche Reich sei „ein mit parlamentarischen Formen verbrämter, mit feudalem Beisatz vermischter, schon von der Bourgeoisie beeinflußter, bürokratisch gezimmerter, polizeilich gehüteter Militärdespotismus …“ (K. Marx und F. Engels, Ausgew. Schriften in 2 Bdn. Bd. II, Berlin 1952, S. 25)
Bismarck schmiedete geschickt ein Bündnis der alten feudalen Grundbesitzer mit der aufkommenden Kapitalistenklasse. So entwickelte er Deutschland auf besonders rückschrittlichen, militaristischen und aggressiven Grundlagen. Als er starb, war der Weg in den ersten Weltkrieg vorgezeichnet, den Kaiser Wilhelm zielstrebig ging.
Beendet wurde dieser imperialistische Raubkrieg durch die Novemberrevolution von 1918. Doch auch diese Revolution erlitt eine Niederlage. Die SPD, die mittlerweile völlig verbürgerlicht war, schloss ein Bündnis mit dem Kapital und den Generälen der Reichswehr zur Rettung der Herrschaft des Kapitals. Sie erlaubte den Generälen der Reichswehr die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht und organisierte die blutige Niederschlagung der Revolution. So konnten die alten reaktionären Kräfte weiter wirken. Als die SPD den General und Feudalherren in preußischer Tradition Hindenburg gegen den kommunistischen Kandidaten Ernst Thälmann 1932 zum Reichspräsidenten wählen ließ, übergab dieser kurz darauf die Macht an Hitler. Zugleich verweigerte die SPD-Führung die von der KPD vorgeschlagene antifaschistische Aktionseinheit. Wieder hatte sie die Herrschaft des Kapitals gerettet.
1932, ein Plakat der SPD: Sie rief auf den General und Feudalherren Hindenburg, der in der Tradition Bismarcks stand, zu wählen. 1933 gab Hindenburg Hitler die Macht.
Und in der Tradition Bismarcks wurde der 2. Weltkrieg vorbereitet, um Deutschland zur führenden Macht in Europa zu machen. Das Ergebnis ist bekannt.
Bismarcksche Tradition wirkt weiter
Auch nach dem zweiten Weltkrieg und der Befreiung Deutschlands vom Faschismus wirkten die rückschrittlichen Traditionen Bismarcks weiter. Adenauer sorgte für die Spaltung Deutschlands, um eine fortschrittliche Entwicklung zu verhindern. Alte Nazis und reaktionäre bürgerliche Kräfte sicherten dem Kapital vereint wieder die Macht. Mit dem KPD-Verbot stand Adenauer in der Tradition Bismarcks und des Sozialistengesetzes. Die SPD half wieder, indem sie die Spaltung Deutschlands unterstützte, die Wiederaufrüstung und Gründung der Bundeswehr ermöglichte sowie das KPD-Verbot befürwortete. Später war sie aktiv bei den Berufsverboten an der Verfolgung revolutionärer Kräfte beteiligt.
An vielen Stellen wirkt der rückschrittliche Geist Bismarcks und die Verhinderung der demokratischen Revolution 1848 weiter.
So sind die 16 Bundesländer ein Überbleibsel der Kleinstaaterei. Sie nutzen der Spaltung des Volkes und der Zersplitterung beispielsweise im Bildungswesen, wo bis heute rückständige Strukturen erhalten sind. Der Rassismus und Antisemitismus Bismarcks hat seine Fortsetzung in den faschistischen Organisationen bis heute gefunden. Der preußische Untertanengeist lebt in der Bundesrepublik. Wo in anderen Ländern mutig gekämpft wird, schauen viele in Deutschland darauf, im Rahmen der von der Obrigkeit erlaubten Grenzen zu bleiben. Das Herrenmenschentum, die angebliche Überlegenheit der Deutschen, der Führungsanspruch des deutschen Kapitals in Europa – das alles steht in Bismarckscher Tradition. Man kann das gut in der arroganten, Oberlehrerhaften Haltung gegenüber Griechenland sehen.
Es gibt daher keinen Grund, den 200. Geburtstag von Bismarck zu feiern. Es gibt aber viele Gründe, an sein verbrecherisches Wirken zu erinnern. Und es gibt noch mehr Gründe, gegen die Bismarcksche Tradition und alle Überreste seiner reaktionären Politik zu kämpfen.
dm
Ludwig Pfau, 1849: Badisches Wiegenlied
Schlaf mein Kind, schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.
Deinen Vater hat er umgebracht,
deine Mutter hat er arm gemacht
und wer nicht schläft in guter Ruh,
dem drückt der Preuß die Augen zu.
Schlaf mein Kind, schlaf leis.
Schlaf mein Kind, schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.
Der Preuß hat eine blutige Hand,
die streckt er übers badische Land
und alle müssen stille sein,
als wie dein Vater unterm Stein
Schlaf mein Kind, schlaf leis,
Schlaf mein Kind, schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.
Zu Raststatt auf der Schanz,
da spielt er auf zum Tanz,
da spielt er auf mit Pulver und Blei,
so macht er alle Badener frei.
Schlaf mein Kind, schlaf leis.
Schlaf mein Kind, schlaf leis,
dort draußen geht der Preuß.
Gott aber weiß, wie lang er geht,
bis dass die Freiheit aufersteht,
und wo dein Vater liegt mein Schatz,
da hat noch mancher Preuße Platz.
Schrei´s mein Kindlein, schrei´s:
Dort draußen liegt der Preuß!
Das badische Wiegenlied entstand nach der blutigen Niederschlagung der demokratischen Revolution von 1848 vor allem durch preußische Truppen. Es zeigt den großen Hass im Volk gegen das reaktionäre Preußentum. Das Lied kann man bei youtube hören: