Bernd Kleinschmidt (54) ist Betriebsratsvorsitzender in der PS Pressevertrieb-Service GmbH (kurz: PS 12) mit rund 150 Beschäftigten, eine von 6 Zustellgesellschaften des Privat-Zustellers BW-Post in Stuttgart. Jede betreut einen größeren Bezirk in Stuttgart, PS 12 ist zuständig für Stuttgart Süd und Mitte. Nur die Kolleg/innen von PS 12 haben mit Hilfe von ver.di einen Betriebsrat gewählt.
Besitzer der BW-Post sind die Stuttgarter Zeitung, die Stuttgarter Nachrichten und die Südwest-Medienholding.
Gut zwei Jahre ist es her, dass die Betriebsrätin Branka Nadj rausgeworfen werden sollte. Jetzt ist Bernd Kleinschmidt dran. Wie die Kollegin zuvor wird er auch mit einer außerordentlichen („fristlosen“) Kündigung bedroht. Die Geschäftsführung macht ihm eine hammerharten Vorwurf: Er hätte vor dem Arbeitsgericht gelogen, um eine einstweilige Verfügung gegen seinen Arbeitgebers zu erreichen – Prozessbetrug!
Was war geschehen? Obwohl seit Monaten die Dienstpläne der Zusteller/innen bekannt waren und für einen bestimmten Tag ein zustellungsfreier Tag eingetragen war, verlangte die Geschäftsführung, dass an diesem Tag plötzlich gearbeitet werden sollte. Dazu braucht der Arbeitgeber aber die Zustimmung des Betriebsrats. Aber er behauptete, die geänderten Dienstpläne wären längst bekannt, und der BR hätte keine Einwände erhoben. Das bestritt der Betriebsrat und verlangte die Einhaltung des freien Tages bzw., dass PS 12 die Zustimmung des Betriebsrats holt. Nur so kann dieser die Interessen der Kollegen einbringen. Dies verweigerte die Geschäftsführung, so ging die Sache vor Gericht. Dass Bernd Kleinschmidt dort ausgesagt hat, dem Betriebsrat seien die geänderten Dienstpläne nicht vorgelegt worden, macht die Geschäftsführung nun zum Anlass der Kündigung. Sie behauptet, er hätte einfach gelogen.
Da Bernd Kleinschmidt Betriebsratsvorsitzender ist, geht eine Kündigung nur mit Zustimmung seines Betriebsrats. Dieser hat die Kündigung abgelehnt. So muss die Geschäftsführung der PS 12 zum Stuttgarter Arbeitsgericht, damit dieses die Kündigung genehmigt. So steht es im Betriebsverfassungsgesetz. Das soll am 29. Januar 2015 verhandelt werden. Für Bernd Kleinschmidt geht es um Existenz und Lohn, aber natürlich auch um seinen Ruf! Gerade – so berichteten Kollegen von PS 12 – versucht die Firma, Befristete unter Druck zu setzen, Zeugenaussagen gegen Bernd Kleinschmidt zu unterschreiben. Viele Befristete wollen schließlich unbefristet übernommen werden.
Bernd wird von ver.di unterstützt. Seit Gründung des Betriebsrats 2012 mussten seine 7 Mitglieder immer wieder kämpfen und sich wehren. Mehrfach musste das Arbeitsgericht angerufen werden. Alle Verfahren hat der Betriebsrat gewonnen.
Letzte Woche schlug ver.di Alarm. War zunächst für die Verhandlung ein Termin im Februar vorgesehen, hat der zuständige Richter diesen letzte Woche plötzlich auf Donnerstag, 29.01.2015, 11:30 Uhr vorverlegt, was ver.di nicht als gutes Vorzeichen wertet.
Sofort begann man, auf dem Stuttgarter Marienplatz, in der Nähe des PS 12-.Betriebes, mit Mahnwachen, um die Öffentlichkeit zu informieren und um Solidarität zu werben. Seit Donnerstag, 22.01.2015 finden jeden Tag bis zum 28.01. 2015 von 16:00 bis 18:00 Uhr solche Aktionen statt. Am 28.01. spricht der Stuttgarter ver.di-Chef Cuno Hägele auf dem Marienplatz. Am 29.01.2015, vor dem Gerichtstermin gibt es von 9:30 – 11:30 Uhr ebenfalls eine Aktion!
Auch Gewerkschafter/innen aus anderen Gewerkschaften helfen bei der Soli-Aktion. So waren gleich am ersten Tag auch IG-Metall-Fahnen zu sehen! Solidarität darf nicht an Organisationsgrenzen Halt machen.
Die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen bei den Verteilbetrieben der BW-Post sprechen Bände! Die meisten Kolleg/inne arbeiten auf Mindestlohnbasis (8,50 Euro) und in Teilzeit. Viele haben nur befristete Verträge. Bei einem durchaus üblichen 20 Wochenstunden-Teilzeitvertrag kommen brutto ca. 740 Euro heraus, bei einem 25 Stundenvertrag ca. 930! Aber mit solchen Niedriglöhnen geben sich nach Aussagen betroffener Kolleg/innen die BW-Post-Chefs noch lange nicht zufrieden und versuchen, die Kollegen um den Mindestlohn zu bescheißen. Ihr Trick: Sie versuchen durchzusetzen (bzw. in den betriebsratsfreien Gesellschaften haben sie das anscheinend bereits angeordnet!), dass eine feste Zahl von Zustellungen pro Arbeitsstunde definiert wird. Um dieses Pensum zu schaffen, braucht es, milde ausgedrückt, eine sehr sportliche Leistung. Die Zahl der am Tag tatsächlich zugestellten Sendungen soll dann angeblich durch diesen Stundenwert geteilt werden. Nur gerade so viele Stunden sollen dann bezahlt werden. Wenn der Kollege aber länger braucht, ist das sein Problem! Eine Art negativer Akkord!
Klar, dass man da keinen kämpferischen Betriebsrat braucht – also versucht man ihn fertig zu machen!
Deshalb: Solidarität hilft siegen! An unsere Leser: Macht den Fall in Eurem Umfeld bekannt, unterstützt, wenn ihr vor Ort lebt, die Mahnwachen auf dem Stuttgarter Marienplatz. Kommt am 29.01. 2015 zum Stuttgarter Arbeitsgericht! Schickt Solidaritätsresolutionen an ver.di. Zuständiger ver.di-Sekretär: christian.miska@verdi.de.
NB