Solidarität mit den Kolleg/innen bei Opel!

In der Nacht zum Samstag, dem
16.Oktober, standen im Opelwerk in Bochum alle Bänder still. Es folgten 7 Tage
eines selbständigen Streiks, der offiziell nie einer war. Die Werkstore wurden
besetzt, so dass aufgrund der besonderen Zulieferfunktion des Bochumer Werkes
bis Mittwoch drei andere Werke von GM in Europa lahm gelegt wurden. Das traf
den Mutterkonzern General Motors in Detroit empfindlich.

Das war die richtige Antwort auf die zuvor ergangene Mitteilung der GM
Zentrale, in Europa 12.000 Arbeitsplätze zu streichen. Die Hauptlast von 10.000
Stellen soll Opel in Deutschland tragen, aber auch die anderen
GM-Töchter, Vauxhall und Saab sollen sich am Abbau beteiligen. Der größte
Autokonzern der Welt beschäftigt in Europa 62.000 Menschen. Etwa 33.000
Menschen sind es in Deutschland, verteilt auf den Stammsitz in Rüsselsheim,
Bochum, Leverkusen und Eisenach. Allein in Rüsselsheim und Bochum stehen
jeweils 4.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel. Nicht nur die Opelaner wissen, was
das für ihre Zukunft bedeuten würde, auch der Bevölkerung sind die Konsequenzen
bewusst. So gab es in Rüsselsheim spontane Schülerdemonstrationen mit der Frage
nach der Zukunft in ihrer Stadt. Auch das ganze Revier stand und steht hinter
Opel. Immerhin hängen hier nochmals rund 5000 Arbeitsplätze bei Zulieferern und
Dienstleistern dran. Als 1962 der erste Kadett in Bochum vom Band lief, war das
der rettende Ersatz für sterbende Hüttenanlagen und Kohlezechen.
Industriearbeitsplätze entstehen zur Zeit aber in Osteuropa und China. Das
wissen die Menschen, und so sehen viele Betroffene schon Hartz IV auf sich
zukommen, sehen sich ihr Haus verlieren, wissen, jetzt geht es um die Existenz.

Der Streik brach nicht nur deshalb in Bochum aus, und nicht in Rüsselsheim,
weil es eine kampferprobte Belegschaft ist, sondern weil das gesamte Bochumer
Werk auf dem Spiel steht. Opel hat, wie auch andere Autohersteller,
Überkapazitäten. Das heißt, würde ein Werk wegfallen, würde deshalb nicht ein
Auto weniger produziert werden. Derzeit werden der Astra Caravan und der Zafira
in Bochum gefertigt und der Betriebsrat befürchtet ein Auslaufen der
Automontage 2009. Wohl zu Recht, denn Konzernfinanzchef Devine erklärte das
Sparprogramm von 500 Mill. Euro jährlich nur zum ersten Schritt. „Dies sind
kurzfristige Maßnahmen. Reicht das auf lange Sicht aus? Bestimmt nicht
.“
(Handelsblatt 15/10/04) General Motors erklärtes Ziel ist es, die Arbeitskosten
um 30% zu drücken. Devine beschönigt den Weg dorthin nicht: „Wir müssen
schwierige Dinge tun. Was jetzt kommt, wird hässlich.
“ (HB 13/10/04)

350.000 Autos könnte GM in Europa mehr produzieren, aber eben nicht verkaufen,
und das ist ein Problem. In Deutschland sank der Absatz von Opel von 316
Tausend Autos im Jahr 2000 auf 247,4 Tausend im Jahr 2004 (FR 14/10/04), bei
gleichzeitig leichtem Rückgang der Gesamtneuzulassungen in diesem Zeitraum. Mit
der Folge, dass auch der Marktanteil von Opel, der 1991 bei 17% lag, auf 10,1%
im Jahr 2004 einbrach. Das heißt der Marktanteil anderer Hersteller hat sich
vergrößert, darunter Daimler-Chrysler und BMW. Letzterer konnte seinen
Beschäftigten sogar im Juli eine Erfolgsbeteiligung von 153,4 Prozent eines
Bruttomonatsgehalts auszahlen. Hier zeichnet sich eine allgemeine gesellschaftliche
Tendenz ab, dass bestimmte Bevölkerungsschichten über mehr Einkommen verfügen,
weshalb „Premiummarken“ besser dastehen, als Hersteller von
Massenautos, denn hier dreht sich die Spirale aus Arbeitslosigkeit/Lohnkürzungen
und damit weniger Kaufkraft und Konsum weiter abwärts. Zudem bauen auch
Premiumhersteller wie z.B.: Mercedes mit der A-Klasse oder BMW mit dem 1er
verstärkt Massenautos, was die Konkurrenzschlacht weiter verschärft, was jeder
leicht an den hohen Preisnachlässen oder Sonderaktionen der Autohersteller
nachvollziehen kann. Laut dem Autoinformationsdienst Edmunds.com stockte GM
seine Preisnachlässe weiter auf, um den Bestand von über einer Million
unverkaufter Fahrzeuge abzubauen. Durchschnittlich 5.200 Dollar Rabatt pro
Fahrzeug stellen einen neuen Rekord dar. Weltweit verlor GM 130 Millionen
Dollar im Autogeschäft. Doch durch die Gewinne der Finanztochter GMAC, konnte
GM im letzten Jahr noch einen Reingewinn von 440 Mill. Dollar verbuchen. Mit
Arbeitsplatzabbau, Auslagerungen und Lohnsenkungen wird nun versucht, wieder
profitabel und höchst profitabel zu werden. Doch andere Autohersteller werden
einem Vorteil eines Konkurrenten nicht tatenlos begegnen. Opel-Europa-Chef
Henderson kündigt schon an: „Wenn ein Konkurrent die Preise weiter senkt,
müssen wir erneut handeln.
“ (W.a.S. 17/10/04). Die Spirale dreht sich
weiter. Die Konzerne führen ihre Vernichtungsschlachten und die Werktätigen
sollen dafür bluten.

Den Beschäftigten in Bochum hat man angeboten, dass sie sich bei einer
Kostenreduzierung um 30%, zumindest für das Nachfolgemodell nach 2009 bewerben
können. Also das letzte Hemd geben und dann nicht mal eine Zusage, das hat
einen Grund, denn GM hat schon lange beschlossen, das Nachfolgemodell in Polen
bauen zu lassen.
Schon im Sommer hatte GM entschieden, dass das Bochumer Werk ab 2005 die Hälfte
seiner Jahresproduktion des Zafira nach Gleiwitz in Polen abgeben muss. 100.000
Stück sollen dann, im Ende der 90er Jahre eröffneten Werk, in Polen produziert
werden. Der durchschnittliche Stundenlohn eines polnischen Arbeiters beträgt
7,- Euro, in Bochum sind es 33,- Euro. Im internen Vergleich der europäischen
GM Werke wird Gleiwitz sogar mit nur 15% Lohnkosten geführt zu 100% in Bochum
und Rüsselsheim. (Nebenbei steht Eisenach bei 77%.) Die 15% berücksichtigen die
niedrigeren Sozialausgaben in Polen. Eine zehnjährige Steuerbefreiung gab es in
Polen noch obendrauf.
Doch dieser Kostenvorteil war nicht der einzige Grund für die Verlagerung nach
Polen. 1997 sah der US-Rüstungskonzern Lockheed Martin neue Absatzmärkte in den
in die Nato drängenden osteuropäischen Ländern. Zum Kauf standen 48 US
Kampfjets vom Typ F16. Oats Schwarzenberger von Lockheed Martin erklärte 1997:
Wenn jemand so etwas benötigt oder haben möchte, dann ist es zweitrangig,
ob er es sich im Moment leisten kann.(…) Aber wir sagen, es gibt immer Mittel
und Wege solche Probleme zu lösen, ohne dass man gleich einen Bankeinbruch
verüben muss
.“ (Monitor 22/7/04) Es ist überhaupt zu bezweifeln, ob sich
bei einem Bankeinbruch 3,5 Mrd. Dollar hätten erbeuten lassen, so teuer war der
Rüstungsdeal, den die US-Regierung finanzierte. Im Gegenzug wurde den Polen
Investitionen von 6 Mrd. Dollar zugesagt. Und so erhielt GM 100 Mill. Dollar
von Lockheed Martin, die in den Ausbau des Werkes Gleiwitz investiert wurden.
Insgesamt sollen über GM 800 Mill. Euro nach Polen fließen, obwohl Rüsselsheim
nur zu rund 60% ausgelastet ist. Der Stellvertretende Verteidigungsminister
Zemke erklärte ungezwungen: „Ohne das Kompensationsgeschäft im Rahmen der
Rüstungsbeschaffung wäre die Produktion des Opel Zafira nicht von Deutschland
nach Polen verlagert worden. Wir rechnen damit, dass dadurch bis zu 4000
Menschen in Polen Arbeit finden
.“ Es geht also nicht immer nur darum,
Kosten zu sparen.

In einem an die Kollegen in Bochum verteilten Flugblatt erklärten der Vorstand
und der Gesamtbetriebsrat, Rüsselsheim und Bochum „wettbewerbsfähig
machen zu wollen, dabei steht in Rüsselsheim die modernste Produktionsstrasse
(Leanfield). Ferner heißt es: „nach Lösungen zu suchen, um die
Personalanpassungen im Rahmen der geplanten Restrukturierung sozialverträglich
zu gestalten
.“ Suchen? Nirgendwo finden sich die Forderungen der
Streikenden nach Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen und nach Bestandsgarantie
der Opelstandorte wieder. Als könnte es überhaupt sozialverträgliche
Massenentlassungen geben. In der Abstimmung über ein Ende des Streikes oder der
Fortführung, wurde den Kollegen folgende irreführende Fragestellung vorgelegt: „Soll
der Betriebsrat die Verhandlung mit der Geschäftsleitung weiterführen und die
Arbeit wieder aufgenommen werden?“
Ja oder Nein? Dabei hätte der Streik
doch gerade die Verhandlungen stärken können. Die Werke in Rüsselsheim und
Antwerpen standen still, und GM verlor pro Tag runde 30 Mill. Euro. Peanuts zu
den 3 Mrd. Dollar, die General Motors der Arbeitskampf in Flint/Michigan 1998
kostete. Die Verhandlungen können zu welchem Ergebnis auch immer führen. Die
Bochumer sind jederzeit wieder streikbereit. An dem europaweiten GM-Aktionstag
beteiligten sich 100.000 Kollegen aus 13 Standorten. Die Kampferfahrungen, die
Streitkultur an den offenen Mikrofonen, der Zusammenhalt der Opelaner,
Delegationen anderer Autobauer und die große Solidarität haben den Rücken der
Opelaner für die nicht leichte Zukunft gestärkt. (J.T.)