dieser Fragestellung lud das Sozialforum Amper in der Nähe von München zu einer
interessanten Diskussion ein. Gerade in Zeiten, in denen das Kapital tiefe
Krisen durchläuft, machen sich immer mehr Menschen darüber Gedanken, wie man
sich dieser ökonomischen Abwärtsentwicklung stellt und ob es realistische
Auswege aus der ernsten Lage gibt, die immer mehr Menschen erfasst.
Der Referent Bernd
Bücking vom isw (Institut für sozialökologische Wirtschaftordnung) ging der
Frage nach, ob Regionalwährungen, Tauschringe, Negativzins etc. realistische Wege
sind, sich dem Zugriff der kapitalistischen Profitwirtschaft mit ihrem
spekulativen Finanzmarkt zu entziehen.
In der praktischen Arbeit gegen Sozialabbau, in der
Friedensbewegung etc. wird man zunehmend mit Vorschlägen zur Zähmung des Kapitalismus
konfrontiert, altbekannte Ideen etwa, wie der „Neuordnung des Geldsystems“.
Nur hat man sich, wie in meinem Fall, bisher wenig mit
solchen Lösungsvorschlägen auseinandergesetzt. Um mit Aktivisten diskutieren zu
können, die diese Lösungsvorschläge vertreten und verteidigen, ist es ratsam,
sich etwas kundig zu machen.
In einer Broschüre
vom Ökumenischen Netz Bayern heißt es beispielsweise:
„Wo gibt es tragfähige
Lösungsversuche? Ist ‚Wirtschaftswachstum’ die Lösung oder eine neoliberale
Wirtschaftsordnung? Brauchen wir eine Militarisierung der Weltordnung zum Schutz
wirtschaftlicher Interessen? Würde nicht eher eine Neuordnung des Geldsystems
eine gangbare Lösung bedeuten? [Ökumenisches
Netz Bayern in Studientageinladung]
Erreicht werden soll diese Neuordnung des Geldsystems mit
Tauschringen und Regionalwährungen, die ein immer dichteres Netz bilden sollen.
Angestrebt wird offensichtlich die Abschaffung des ungerechten Zinses, was den
Kapitalismus schließlich zähmen soll.
Eine Diskussionseinladung mit dieser Thematik nahm ich Ende
Oktober wahr, von der ich nachfolgend berichten will.
Referent Bernd Bücking, der sich selbst als Sozialist
bezeichnet, ging bei seinem Vortrag nur kurz auf historische Ursprünge der
Regionalisierungsbewegung und auf die unter Linken sehr umstrittene Person des
Silvio Gsell ein, der in der Münchner Räterepublik für kurze Zeit
Finanzminister war und durch Illusionen von „befreiten Zonen“ auf sich
aufmerksam machte und durch seine Unterscheidung zwischen „schaffendem“ und
„raffendem“ Kapital auch Zustimmung in rechten Kreisen erhielt.
Der weitere Vortrag ging dann auf die positiven und bedenklichen
Aspekte von Regionalwährungen und Tauschringen ein. Gut daran ist zumindest,
dass sich Menschen über die ökonomischen Sachzwänge zunehmend Gedanken machen
und anfangen sich tiefere Erkenntnisse über das kapitalistische System
anzueignen. Auch könnten damit kollektive und mitgestaltende Lösungen bei
Menschen angeregt werden.
Doch kann der Kapitalismus mit solchen Lösungsvorschlägen wie
Regionalwährung, Tauschring oder gar durch Forderung der Zinsabschaffung
gezähmt werden?
Gerade hier verwies der Referent zu Recht auf die Einengung
der Finanzwelt durch den Zins und der Verkennung der realen Kräfteverhältnisse
zu deren Abschaffung.
Zwar umkreisen global den Finanz- und Anlagemarkt tagtäglich
die unvorstellbare Summe von 1500 Milliarden US-Dollar, doch ist dies ja nicht
die Ursache sondern Folge der Kapitalisierung. Der oben genannte Vorteil, dass
sich Menschen über die Thematik von Zinspolitik tiefere Kenntnisse aneignen
können, kann zudem dazu führen, dass Tauschring und Regionalwährung als Ausweg
aus der kapitalistischen Profitwirtschaft angesehen werden. Die Verfechter
bleiben dann oftmals bei dieser Frage stehen, kümmern sich dann nur noch über
die doch sehr aufwendige praktische Umsetzung von Tauschringen. Mit dieser
einseitigen Sichtweise, dass man sich etwa durch ein ganzes Netz von
Tauschringen dem Finanzkapital entziehen könnte, hat somit das „Ausklinken“ von
Menschen mit antikapitalistischer Grundeinstellung zur Folge. Die Überwindung
des kapitalistischen Systems wird nicht angestrebt weil ja die Abschaffung des
Zinses als Ziel angestrebt wird und als ausreichend angesehen wird!
Dabei argumentierte Referent Bernd Bücking keineswegs vorwurfsvoll
an die Adresse der Verteidiger, vielmehr versuchte er durch die Vermittlung von
ökonomischen Grundkenntnissen des Marxismus, durch die Klärung von Begriffen
wie Geld, Kapital und Profit zu überzeugen. So wies er unter anderen nach, dass
Kredit bzw. Zins sich nicht als „sich selbst vermehrende“ Eigenschaft dem Geld
zuzuschreiben ist. Die Vermehrung des Geldes in der Hand der Kapitalisten ist
hiernach nicht in erster Linie eine Frage des Wuchers, den es natürlich auch gibt,
sondern eine Frage des Mehrwerts der durch die Ausbeutung menschlicher
Arbeitskraft gewonnen wird.
Aktuelle Zahlen und Daten über die hohe Produktivität heute,
der Lohn- und Gewinnentwicklung in den letzten Jahren im Vergleich etc. waren
interessantes Beiwerk des Vortrags.
Ohne die Geld- und Zinspolitik zu verharmlosen oder deren
Rolle zu negieren, wurde der Nachweis erbracht, dass der Kapitalismus sich
nicht auf diese Problematik eingrenzen lässt. (ro)