Kungeleien nach den Kommunal-Wahlen im Kreis Recklinghausen
Es gibt keine Nazis und Faschisten mehr! Heute gibt es nur noch „Rechtspopulisten“ und wenn Adolf heute leben würde, würde er von gewissen sich demokratisch und sogar christlich nennenden Kräften sicherlich auch als „Rechtspopulist“ eingestuft. Und Rechtspopulisten sind zwar Bäbä, aber sie sind für „Freiheit und Demokratie“ durchaus brauchbar. So störte sich der CDU-Europa-Abgeordneten Elmar Brok (Bielefeld) in einem Fernseh-Interview nicht an „Sprüchen der Vergangenheit“ der faschistischen Swoboda-Partei in der Ukraine, so lange sie nur dazu beitragen, das Jannukowitsch-Regime zu stürzen. Auch Greueltaten der Gegenwart stören ihn offenbar nicht.
Wir erinnern uns an den Anspruch der CDU bei vergangenen Wahlen, die Regierung zu stellen, wenn sie bei den jeweiligen Wahlen den höchsten Prozentanteil an Stimmen erhalten hatte. In Recklinghausen hatte die CDU bei den vorletzten Wahlen die meisten Stimmen ergattert und mit den Grünen und der FDP die Mehrheit im Rat zusammengezimmert. Bei den letzten Wahlen – mit den Europa-Wahlen zusammengelegt und trotzdem nur mit einer Beteiligung von 47,8 Prozent, also etwas höher als die in Ägypten – lag aber die SPD vorn. Die CDU störte ihr Geschwätz von früher nicht, sie machte sich daran, zusammen mit den Grünen und den Resten der FDP eine Koalition mit 1 Stimme Mehrheit zu zimmern. Doch gab es außer dem Stadtrat noch andere Gremien zu erobern bzw. zu besetzen, zum Beispiel die „Ruhrregierung“, den Regionalverband Ruhr (RVR). In ihm gab es bis vor den Wahlen 73 Sitze, nun sind es plötzlich 138 – wie das? Das ist fast eine Verdoppelung, die Angaben über die dadurch entstehenden Kosten weichen weit auseinander – von „nur“ knapp 300 000 Euro bis über 1 Million Euro. Wir wollen darüber nicht streiten, uns interessiert: was ist passiert?
Im Kreis Recklinghausen gibt es zwei dem rechten Spektrum zumindest nicht weit entfernt stehende Gruppierungen, die WIR und die UBP. Die Wähler-Initiative-Recklinghausen wurde gegründet von, so kann man hören, ehemaligen Grünen, denen der Kurs dieser Partei nach rechts nicht schnell genug geht; die Unabhängige Bürgerpartei wird von allen im Rat vertretenen Parteien und auch von lokalen Medien als rechtspopolistisch eingestuft – als Gesprächspartner für niemanden akzeptabel. Und nun sitzt nach den Wahlen der Vorsitzende dieser Gruppierung plötzlich in der Verbandsversammlung des RVR, gewählt dank dreier „Leihstimmen anderer Fraktionen“. Hineingekommen ist er – das ist ein offenes Geheimnis – mit Leihstimmen der CDU. Vielleicht nicht ganz so verwunderlich, wenn man weiß, dass er aus dieser Partei kommt: er ist vor etlichen Jahren in Recklinghausens Nachbarstadt Herten einmal als Bürgermeisterkandidat der CDU angetreten und hat damals eine Schlappe gegen den SPD-Kandidaten erlitten. Etwas von dem gemeinsamen Stallgeruch ist wohl noch übrig… Jedenfalls führte unter anderem dieser zusätzliche Sitz im RVR dazu, dass dieser aufgrund neuer Berechnungen nun von 73 auf 138 Sitze aufgebläht werden muss. In Recklinghausen wird die Bevölkerung um Spenden gebeten, um nach den verheerenden Sturmschäden am Pfingstmontag neue Bäume anpflanzen zu können – dafür ist kein Geld da.
Doch der Skandal geht noch weiter: bei den bisherigen 73 Sitzen wäre die CDU im RVR nicht die stärkste Fraktion gewesen; nun sind 65 Überhangsmandate zusätzlich zu vergeben, davon würden auf die SPD als stärkste Fraktion 37 entfallen. Wir haben nicht viel für die SPD übrig, doch wir können ihr nicht ankreiden, dass sie vor der Wahl nicht mit so einer künstlich herbeigeführten Aufblähung gerechnet hat – sie hat auf ihrer Reserveliste nur 19 Kandidaten und kann somit 18 Sitze nicht wahrnehmen. Die CDU lacht sich ins Fäustchen: ihre Reserveliste ist erstaunlicherweise umfangreich genug, als ob die CDU vorher so etwas geahnt hätte; durch diesen – welches Eigenschaftswort passt hier am besten ? – Coup mit den Rechtspopulisten der UBP ist die CDU nun stärkste Fraktion – den Wählerwillen kloppen wir in die Tonne.
Für die UBP ist so ein Gekungel übrigens nicht neu. Bei den Wahlen vor 4 Jahren fehlte ihr ein Mandat, um den Status einer Fraktion im Stadtrat zu erhalten. Doch oh Wunder, eine über die Liste der WIR frisch in den Rat gewählte Stadträtin trat flugs aus der WIR aus und der UBP bei, wo sie, oh weiteres Wunder, nun eine führende Position einnimmt.
Aus der Jamaika-Koaliton ist übrigens bisher nichts geworden. Grüne und FDP spielen wegen des Kuschelns der CDU mit der UBP beleidigt. Wer weiß, vielleicht springt ja für sie auch noch etwas mehr heraus als bei den bisherigen Koalitionsverhandlungen vorgesehen…
Am 1. September werden im Kreishaus Recklinghausen die Mitglieder für die Zwecksverbandsversammlung der Sparkasse Recklinghausen gewählt. Die UBP hat nur 3 Sitze im Kreistag, braucht aber sechs. „Die kriegen wir,“ teilt ihr Vorsitzender schon vorher mit. Wir zitieren aus der lokalen Presse. „Im Gegenzug wird die UBP später ihren Beitrag dazu leisten, dass der CDU-Politiker Lothar Hegemann Verwaltungsratschef der Sparkasse bleiben kann.“
„Küsst die Rechtspopulisten!“ (geklaut bei und updated nach Kurt Tucholsky)