100 Jahre nach Beginn des ersten Weltkriegs: Hände weg von der Ukraine!

Auf einer der größten Kundgebungen des „Euro-Maidan“ in Kiew wurden von angeblich 150.000 Anwesenden die so genannten „10 Punkte des Maidan“, 10 Forderungen nach gesellschaftlicher Veränderung, beschlossen: Was ist aus diesem Programm geworden, das immer wieder den linken Kritikern der ukrainischen Entwicklung entgegengehalten wird? Ihnen wird ja vorgeworfen, sie verrieten die sozialen Aspekte des Euro-Maidan und verhöhnten geradezu den demokratischen Aufbruch des Landes.

An die Punkte 1. und 10. sei hier nun erinnert. Sie lauten:

* 1. Das Volk soll regieren, nicht die Oligarchen!

* 10. Keine Zusammenarbeit mit repressiven internationalen Finanzinstitutionen!

Konnten diese demokratischen Ideen durchgesetzt werden?

 

Eindeutiges Ergebnis!

Nach den Wahlen in der Ukraine erweisen sich die sozialen Forderungen des Maidan als nackte Illusionen. Die nächste Oligarchenclique ist an der Macht, die Abhängigkeit vom „repressiven internationalen“ Finanzkapital nimmt für das Volk desaströsen Umfang an.

Mit Petro Poroschenko herrscht nun einer der reichsten ukrainischen Oligarchen! Er verfügt über eine komfortable breite Mehrheit, allerdings blieben die Bürger der Aufstandsgebiete im Osten des Landes ausgeschlossen. Gegen sie wurde und wird Krieg geführt!

Präsident Poroschenko verfügt über beste Beziehungen zur EU, zu den USA und zum internationalen Finanzkapital.

In seiner Regierung sind unverändert die ukrainischen Faschisten aus der Swoboda-Partei und dem berüchtigten Rechten Sektor vertreten, die auf dem Maidan paramilitärisch und bewaffnet auftraten. Die ukrainischen Faschisten haben bei den Wahlen zwar keine großen Stimmanteile gewonnen, trotzdem sitzen sie heute in Regierung und Staatsapparat bzw. unterstützen diese als Berater. Daran haben die Wahlen gerade nichts geändert, denn sie haben sich diese Plätze mit nackter Gewalt erobert! Das ist das bittere Ergebnis des Maidan. Daran ändert auch nichts die Demagogie von Bundesregierung bis zu den Grünen, die diese Tatsachen wider besseres Wissen verleugnen. An den Händen dieser Kräfte klebt das Blut der 40 Aktivist/innen, die in Odessa bei dem von diesen Kräften gelegten Brand des Gewerkschaftshauses lebendig mit verbrannten. Trotzdem: Die Faschisten werden als treue Handlanger im Kampf für die „europäische“ Ukraine gesehen und die von ihnen ausgehende Gefahr konsequent geleugnet. Der Terror auf den Straßen der Ukraine durch den „rechten Sektor“ wurde bereits von der so genannten Übergangsregierung legalisiert, indem man diese Kräfte zur „Nationalgarde“ aufwertete als zuverlässige militärische Unterdrückerformation…

 

Die „repressiven internationalen Finanzinstitutionen“ diktieren!

Unverändert ist Arseni Jazenjuk Regierungschef (der mit dem Hitlergruß auf dem Maidan!), der der Partei der Oligarchin Julia Timoschenko angehört. Er selbst ist übrigens im „Zivilberuf“ Bankmanager. Das passt bestens.

Jazenjuks Übergangsregierung in Kiew klagte gleich nach ihrem mit Hilfe des Maidan vollführten Putsch, nach der Flucht des Präsidenten Janukowitsch seien nur noch 310.000 Euro in der Staatskasse gewesen. Die Schulden des Landes aber belaufen sich auf 75 Milliarden US-Dollar, aktuelle Zahlungsverpflichtungen werden gar auf 130 Milliarden Dollar beziffert. Der Staat ist völlig überschuldet und damit total abhängig von den „repressiven internationalen Finanzinstitutionen“ des Kapitals, mit denen der Maidan die Zusammenarbeit verboten haben wollte. Die Realität sieht bekanntlich anders aus: Poroschenko und Jazenjuk betreiben ihren Staatshaushalt aktuell mit einem 17-Mrd.-Dollarkredit des Internationalen Währungsfonds (IWF). Weder die EU, die wie die USA geschlossen hinter Poroschenko und seiner Truppe steht, noch der IWF geben sich irgendwie Mühe, ihren repressiven Charakter zu verschleiern. Diese Kredite sind an drakonische Bedingungen gegenüber der Bevölkerung geknüpft. Jazenjuk hat gehorsam verkündet, diese zu erfüllen. Kernpunkte sind,

* die Gas-und Heizkosten für die total verarmte Bevölkerung um etwa 40 Prozent anzuheben,

* die Grund-, Niedrig-und Nettolöhne auf dem jetzigen Stand einzufrieren,

* die staatlichen Ausgaben merklich herunterzufahren, was u. A. in großem Umfang weitere Arbeitslose und weiteren Sozialkahlschlag bedeutet

* Subventionen für Strom zu senken und

* Ausnahmeregelungen bei der Mehrwertsteuer für Landwirtschaft und andere Sektoren zurückzufahren, was viele Bauern und Kleingewerbetreibende ruinieren wird.

Die Kehrseite: gewaltiger Reichtum der „Oligarchen“! Die bleiben ungeschoren: Oft ehemalige KP-Funktionäre mit besten Beziehungen zum Staat, die sich nach 1990 schnell enorme Reichtümer aneignen konnten. Das Kapital der 100 reichsten Oligarchen (laut der ukrainischen Forbes): 37,5 Prozent des gesamten Bruttoinlandsprodukts!

Wenn man hier an den 2. Punkt der 10 Punkte des Maidan erinnert („2. Nationalisierung der Schlüsselindustrien!“) – davon ist weit und breit nichts zu sehen. Im Gegenteil: Poroschenko („Schokoladenkönig“), der selbst über einen riesigen Süßwarenkonzern und weitere Kapitalien verfügt, kündigte heuchlerisch an, seine Firmen zu verkaufen, wobei er sicherlich einen Riesenreibach machen würde. Würde sein Konzern „nationalisiert“, hätte er nichts zu verkaufen.

 

Die EU greift zu, koste es was es wolle!

Nun schaffen die imperialistischen Mächte der EU Tatsachen. Hier hat das imperialistische Deutschland eindeutig die Führungsrolle. Der Rat der EU, Merkel voran, ließ Poroschenko am 27. Juni 2014 das noch mit Viktor Janukowitsch ausgehandelte Assoziierungsabkommen Ukraine-EU unterschreiben. Poroschenko reiste dazu eigens nach Brüssel zum EU-Gipfel. Er sprach danach vom „wichtigsten Tag für die Ukraine seit ihrer Unabhängigkeit 1991“.

Das mag er so sehen. Wer sich dieses Abkommen auch nur oberflächlich anschaut, erkennt, dass die EU ein weiteres Land in ihre Abhängigkeit bringt, dass ein weiteres Land der ehemaligen Sowjetunion nun direkt an westliche Kapitalherrschaft angedockt wird (näheres dazu: „Wozu dient das Assoziierungsabkommen …“ in: Arbeit Zukunft, Nr. 2, März 2014, S. 3 bzw. http://www.arbeit-zukunft.de/index.php?itemid=2185).

Das Abkommen schafft den Anschluss der Ukraine an die Militärpolitik der NATO und schiebt deren Einfluss ein weiteres Mal direkt an die russische Grenze vor, entgegen den von der Nato und Deutschland im Rahmen des Zwei-plus-Vier-Abkommens gemachten Zusagen, dies nicht zu tun!

 

100 Jahre I. Weltkrieg – nichts gelernt?!

Die Auseinandersetzung um dieses Abkommen hat die gesamte Ukraine-Krise ausgelöst und diesen brandgefährlichen Krisenherd heraufbeschworen. In vollem Bewusstsein dieser Tatsache wird das Abkommen nun mit der willfährigen Poroschenko-Regierung unter Dach und Fach gebracht. Der Konflikt wird also von Deutschland und der EU bewusst weiter verschärft!

Im Jahr 100 nach Beginn des ersten Weltkrieges durch die imperialistischen Mächte, voran das Deutsche Kaiserreich, wird in beunruhigender Weise die Kriegsgefahr immer weiter angeheizt. Und wieder ist der deutsche Imperialismus, geführt von einer Koalition aus Christ- und Sozialdemokraten vorne mit dabei.

Aber man belässt es nicht bei dem Ukraine-Abkommen. Am gleichen Tag wurden entsprechende Abkommen mit Moldawien und Georgien abgeschlossen und damit erneut Öl ins Feuer gegossen. In beiden Ländern gibt es bereits bewaffnete Konflikte mit Russland. Aber wie bereits 1914, vor 100 Jahren: Nichts bringt imperialistische Mächte zur Besinnung, wenn es um Macht, Beherrschung, Ausbeutung der Reichtümer fremder Völker und Länder geht.

 

Bürgerkrieg in der Ukraine!

Diese Politik der ukrainischen Bourgeoisie, der EU, der NATO, der USA und Deutschlands rief bald nach Ausbruch der Maidankrise in der Ukraine massive Proteste hervor. Im vielen Teilen des Landes wurden die Lenindenkmäler, Symbole des Kampfes gegen das Kapital und für die internationale Solidarität der Arbeiter/innen, für Frieden, Sozialismus und Fortschritt, gegen Angriffe der Faschisten verteidigt. Dort, wo diese die Oberhand haben, wurden sie konsequent zerstört.

Russland nahm der Ukraine die Krim weg, unter Bruch des Völkerrechts, aber offensichtlich mit starker Unterstützung breiter Teile der Krimbevölkerung. Außerdem sicherte es damit seine Flottenstützpunkte ab und verhinderte vorerst den Zugriff der EU und des US-Kapitals auf vermutete riesige Schiefergaslager (Fracking!) vor der Krim-Küste. (Von solchen Gaslagern hat die Ukraine übrigens noch mehr!).

Im Osten der Ukraine erhob sich ein Aufstand von Teilen der Bevölkerung. Die Aufständischen riefen – um Slawjansk und Donezk – Volksrepubliken aus, die sich vorhandener Waffen bemächtigten, angeblich aber auch Waffen aus Russland beschaffen können. Sie setzen erfolgreich und mit harten Folgen für die Kiewer Truppen Flugabwehrraketen und einige Panzer ein, von denen EU und USA behaupten, nur „Putin“ könne diese geliefert haben. Beweise haben sie dafür nicht.

Sie behaupten, russische Agenten führten den Aufstand, und auf russischer Seite der Ostgrenze stünden Truppen bereit zum Einmarsch. Auch hier gibt es keine ernsthaften Beweise. Der Chef der finnischen Militäraufklärung wies entsprechende US-Behauptungen zurück. In der Region gebe es weder aktive Kampfhandlungen noch russische Präsenz, sagte Admiral Georgij Alafuzoff, Chef des militärischen Nachrichtendienstes Finnlands, in einem Interview der Fernseh-und Radiogesellschaft Yle. „Meines Erachtens sind das hauptsächlich Einwohner der Region, die mit dem jetzigen Stand der Dinge unzufrieden sind.“ (Quelle: Horst Hilse in Scharf Links, 23.04.2014).

Teile der Aufständischen im Donbass setzen ihre Hoffnung auf die Unterstützung durch Russland, doch offensichtlich ist diese Bewegung nicht unter Kontrolle Russlands. Erklärungen des russischen Präsidenten und seiner Regierung werden keinesfalls immer unterstützt, die Diplomatie Russlands wird teilweise heftig kritisiert.

Russisch-nationalistische Kräfte haben in der Aufstandsbewegung sicherlich starke Positionen, aber auch Menschen, die soziale Ziele verfolgen und gar keinen Anschluss an Russland wollen, beteiligen sich. Sie bekämpfen die Kriegspolitik der Kiewer Regierung, deren Anschlusspolitik an den Westen und die EU, deren Sozialkahlschlagspolitik, deren Rassismus und Faschismus. Deshalb ist es eine platte Propagandalüge des Westens, diese Bewegung mit der Bezeichnung „Separatisten“ abzutun. Aufsehen erregte zudem die Tatsache, dass mehrfach Belegschaften der im Donbass starken Montan- und Schwerindustrie den Aufstand mit Streiks unterstützten. Die Arbeiterklasse beteiligt sich!

Poroschenko und seine Regierungsclique wollen unverändert diesen Widerstand im Osten des Landes gewaltsam militärisch brechen. Poroschenko ändert somit grundsätzlich nichts an der brutalen Repression, die schon die so genannte Übergangsregierung gegen den Widerstand ausübte. So tobt jetzt ein Krieg, inzwischen mit Hunderten Toten, vor allem aus der Zivilbevölkerung, die zu erheblichen Teilen, wenn auch nicht geschlossen, den Aufstand unterstützt. Nationalgarde und Soldaten der Armee richteten in Mariupol und anderen Orten Blutbäder an, diese Operation wird zynisch Anti-Terror-Operation (ATO) genannt. Es gibt Hinweise, dass auch westliche Söldner (Blackwater, Academy, von anderen Söldner-Agenturen) mitmorden.

Ende Juni, zu Redaktionsschluss unsrer Zeitung, herrscht ein äußerst brüchiger Waffenstillstand, der angeblich zu Verhandlungen genutzt werden soll. Trotzdem: die Kiewer Regierung fordert kategorisch, dass die Aufständischen ihre Waffen in der Frist des Waffenstillstandes nieder zu legen hätten, nicht einmal eine Generalamnestie will Poroschenko dafür gewähren. Poroschenko droht, ab dem 1. Juli 2014 seinen Krieg im Donbass mit aller Härte weiterzuführen.

 

Russland verliert die jüngsten Auseinandersetzungen

Inzwischen soll allerdings auch mit Vertretern der Aufstandsbewegung verhandelt werden, wobei ein weiterer Oligarch, Viktor Medwedtschuk, ein angeblicher Vertrauter Putins, vermitteln soll.

Die kapitalistische Großmacht Russland steht unter starkem Druck der EU, der NATO und der USA. Diese Konfliktparteien drohen Russland unausgesetzt mit Wirtschaftssanktionen für den Fall, dass sich die inneren Entwicklungen in der Ukraine nicht nach westlichen Vorstellungen richten. EU, Nato, USA, Berlin – sie verhalten sich aggressiv und fordernd. Kein Wort der Kritik an der ukrainischen Regierung.

Russland dagegen ist klarer Verlierer der letzten Auseinandersetzungen. Insbesondere hat es nicht die Assoziierungsabkommen der EU mit der Ukraine, mit Moldawien und Georgien verhindern können. Trotzdem kommen gerade von Russland und den Aufständischen derzeit die einzigen eindeutigen Entspannungssignale:

* Putin ließ die früher ausgestellte Ermächtigung für eine Militärintervention in der Ukraine(!!) vom Parlament wieder einkassieren.

* Zwei im Donbass gefangen gesetzte OSZE-Beobachter-Teams wurden von den Aufständischen bedingungslos freigelassen und können das Gebiet verlassen. Dies zeugt nach unserer Einschätzung nicht von der zügellosen Brutalität, die die Westpropaganda ihnen nachsagt. Solche Geiseln zu behalten wäre Gold wert.

 

Fazit: Schluss mit der aggressiven Politik des Westens!

Mit der Assoziierungspolitik der EU Ukraine haben diese Mächte die „Büchse der Pandora“ geöffnet, haben – inzwischen mit einigem Erfolg – versucht, die Ukraine an den Westen anzubinden und zu einem Vasallenstaat zu machen. Damit haben sie Russland weiter in die Defensive gedrängt, aber gleichzeitig herausgefordert. Russland unterstützt die Gegner dieser Politik in der Ukraine.

Wir sind solidarisch mit den Aufständischen der Ostukraine in ihrem Kampf gegen das Vasallenregime in Kiew. Wir rufen alle Arbeiter/innen in Deutschland und der EU auf, sich hinter ihre Kolleg/innen und Kollegen zu stellen, die gegen die Politik von EU, NATO und USA sowie Deutschlands in der Ukraine kämpfen. Wir haben doch dieselben Feinde und Gegner! Die Hetze gegen Menschen, die einen Aufstand wagen(!), der sich gegen die imperialistische Besitznahme der Ukraine richtet, darf bei uns nicht verfangen! Stehen wir an der Seite der kämpfenden Menschen in der Ukraine.

Unsere Forderungen an Berlin, Brüssel, die USA, an die ukrainische Regierung bleiben, 100 Jahre nach dem Beginn des ersten Weltkriegs:

 

Die Waffen nieder!

NATO und EU raus aus der Ukraine

Keine Bundeswehrangehörigen in die Ukraine!

Keinerlei Truppenverstärkungen im Osten!

Weg mit dem Assoziierungsabkommen EU-Ukraine!

 

Denn: Unser Feind steht im eigenen Land!