Vor 500 Jahren wurde in Württemberg der Aufstand des „armen Konrad“ grausam und brutal vom Adel niedergeschlagen. Zu diesem Anlass erschien ein „historischer Roman“ von Jürgen Seybold im Silberburg-Verlag, Tübingen mit dem anspruchsvollen Titel „Der arme Konrad“. Der Titel erweckt den Eindruck, es ginge hier um die Hintergründe, das Leben, den Kampf des „Armen Konrad“, verpackt in eine Romanhandlung.
Doch man wird schwer enttäuscht. Denn die Geschichte des „Armen Konrad“ ist praktisch nur Kulisse für eine spießige, öde Liebesgeschichte zwischen Hannes, dem erdachten Sohn des Gaispeter, im Gegensatz zu Hannes eine historische Figur, und der hübschen Katharina. Garniert wird alles mit Eifersucht, Hass, Tragik. Die beiden kommen nicht zusammen, denn der reiche Konkurrent Jost, der früher engste Freund von Hannes vergewaltigt Katharina, als sie den armen Hannes liebt und heiraten will. Darauf begeht diese Selbstmord. Am Ende fällt Jost im Kampf gegen Hannes während des Aufstandes des „Armen Konrad“. So beherrscht und überwuchert diese Liebesgeschichte den Roman.
Zudem ist die Geschichte im Aufbau simpel und die Figuren Holzschnittartig gezeichnet. Fast jede Entwicklung kann man vorhersehen. Sprachkraft? Fehlanzeige! Schon nach wenigen Seiten überfällt einen Langeweile.
Spießig ist der Roman, was den „Armen Konrad“ angeht. Ständig sind Warnungen vor den „Radikalen“ und den „Aufrührern“ eingestreut.
Ein Beispiel: „Er packte den Fremden (gemeint ist Joß Fritz, ein bekannter Revolutionär) und schob ihn kurzerhand auf seinen Gastgeber zu. ‚Hier, Peter, nimm deinen Hitzkopf und schau zu, dass er verschwindet, bevor der Vogt in Schorndorf von der Sache Wind bekommt! Wenn ich das richtig verstanden habe, wird dein Freund von der Obrigkeit gesucht das ist kein Ärger, den wir hier gebrauchen können!’“ (S.355) Der Gaispeter schickt dann auch folgsam Joß Fritz aus dem Ort.
Und später warnt er die aufrührerischen Bauern, die von ihm verlangen, Joß Fritz zurückzuholen:
„‚Wünscht euch das lieber nicht‘, warnte Gais sie. ‚Der Joß ist ein wackerer Mann, aber immer ein bisschen zu wütend. Überall dort, wo er bisher einen Aufruhr angezettelt hat, ging das blutig aus – und zwar für den armen Konrad, nicht für die hohen Herrschaften.’“ (S.386)
Hier offenbart sich die ängstliche Seele des Autors. Bloss sich nicht mit der Obrigkeit anlegen. Dass er seine eigene Obrigkeitshörigkeit jedoch dem Gaispeter in den Mund schiebt, der unter Einsatz seines Lebens kämpfte, hat nichts mehr mit der Freiheit des Dichters zu tun, sondern ist eine grobe Entstellung der historischen Wahrheit. Nicht etwa die Herrschenden treiben die Menschen zum Aufstand, sondern Joß Fritz „zettelt einen Aufruhr an“. Das sind die alten, ausgeleierten Sprüche der herrschenden Klasse von den Aufrührern, heute nennt man sie „Terroristen“ – und damit sind sie vogelfrei, d.h. sie können problemlos mit Drohnen und ähnlichem ermordet werden. So erging es auch dem „Armen Konrad“. Hier gibt der Roman wenigstens einen blassen Schimmer der Verfolgung. Er berichtet von Folter und Todesstrafe. Allerdings wird dabei nichts lebendig, greifbar und emotional packend. Der Roman wirkt da merkwürdig dürr.
Schorndorf: Denkmal für die ermordeten Führer des „Armen Konrad“ wikipedia, cc-Lizenz
Wie anders ist da beispielsweise das Theaterstück „Der arme Konrad“ von Friedrich Wolff, Arzt und Kommunist, das in den 20er Jahren erschien. Kraftvoll und mitreißend stellt er das Elend der ausgebeuteten Klassen um 1514 dar. Lebendig macht er den Widerstand, die Zweifel, Ängste, das Schwanken, die Wut und den Zorn. Bei ihm zettelt niemand den Aufruhr an, sondern der Aufstand ist logische Folge der gesellschaftlichen Zustände, der Ausbeutung, dem Abbau alter sozialer Rechte, dem Betrug der Herrschenden, der Armut und verzweifelten Lage.
Jürgen Seybold, Der Arme Konrad, Historischer Roman, Silberburg-Verlag Tübingen, 512 Seiten, 16,90 Euro, ISBN 978-3-8425-1297-9
Friedrich Wolf, Der Arme Konrad, 75 Seiten, verschiedene Ausgaben antiquarisch z.B. bei Amazon oder ebay ab ca. 1,50 plus 3 Euro Porto.