Warum wir in der Friedensmahnwache (Magdeburg) arbeiten

Seit dem März 2014 macht die „Friedensbewegung 2014“ von sich Reden. Ursprünglich von Lars Mährholz in Berlin initiiert, gibt es mittlerweile über 40 „Friedensmahnwachen“ in ganz Deutschland. Personell und inhaltlich variieren diese Kundgebungen von Stadt zu Stadt erheblich – von einem hohen Vernetzungs- und Organisationsgrad kann keine Rede sein.

Trotzdem haben die meisten linken Organisationen und Medien die gesamte „Friedensbewegung 2014“ bereits pauschal verurteilt und von jeglicher Arbeit in ihnen abgeraten. Uns hat diese undifferenzierte Haltung und das Fehlen einer nüchternen Analyse dieser Mahnwachen sofort stutzig gemacht.

Weit verbreitet ist die von Jutta Ditfurth vertretene Ansicht, die Demos seien „neurechts“ und antisemitisch. Daher kritisierte sie auch ihre Kollegin Susan Bonath, junge-Welt-Korrespondentin in Sachsen-Anhalt, der sie indirekt „Ideologische Übereinstimmung mit neurechten Positionen“ vorwirft, da sie an der Friedensmahnwache in Magdeburg teilgenommen und für sie geworben hat. Wir verurteilen diese Verunglimpfung von Susan Bonath, die wir nur als aufrichtige Antifaschistin kennengelernt haben!

Ganz ähnlich schreibt die Koordinierungsgruppe der Bundesweiten Montagsdemos gegen Hartz IV in einer Pressemitteilung: „Sie [die ‚Friedensbewegung 2014‘, der Autor] verbreitet krude rechte Verschwörungstheorien, wie dass hinter allen Kriegen in den letzten 100 Jahren die Federal Reserve Bank stecken würde…“ Dies war zumindest bei den Demos in Magdeburg anfangs tatsächlich der Fall, inwieweit dies eine „rechte Verschwörungstheorie“ und nicht einfach Unsinn ist, sei dahingestellt. Und weiter: „Die Initiatoren ziehen keinen klaren Trennungsstrich zu ultrarechten, faschistoiden und faschistischen Personen und Gruppierungen.“ Daher ist die „Bewegung insgesamt […] unbedingt mit Vorsicht zu genießen und abzulehnen.“ Daran hält sich auch die Montagdemo in Magdeburg, die eher der MLPD nahe steht. Die alternative „Bürgerinitiative Magdeburger Montagsdemo“ hat sich hingegen noch nicht öffentlich positioniert.

Wir wollen nur an die 2004 von Andreas Erholdt in Magdeburg initiierten Montagsdemos gegen Hartz IV erinnern. Damals wurden Neonazis ebenfalls von den Organisatoren geduldet und marschierten auch tatsächlich mit, bevor sich ihnen Antifaschisten massenhaft in den Weg stellten. Heute fast vergessen, kollaborierte Erholdt später auch offen mit Neonazis.

Die Linksjugend [’solid] Magdeburg und der SDS gingen in ihrer Kritik noch weiter. Nach intensiver Facebook-“Recherche“ über den schon längst nicht mehr aktiven Gründer der Magdeburger Friedensmahnwache Sandro K. sind sie auf eine „üble Mischung aus verschwörungsideologischem Denken, rechtsesoterischer Lyrik, zutiefst antisemitischer Bildsprache und Truther-Propaganda gestoßen.“ Dazu muss wieder die überzogene Kritik an der FED und an Israel herhalten, hinter der der SDS „strukturellen Antisemitismus“ zu entdecken meint. Aus „strukturellem Antisemitismus“ wird dann rhetorisch gewöhnlicher Antisemitismus. Nach dieser Analyse des Facebook-Profils einer Person in einer Stadt steht fest: „Keine Querfront mit rechten Verschwörungsheinis!“ So einfach ist das. Nachdem die Bewegung (bzw. ein Organisator) den linkssektiererischen Ideologie-Check nicht bestanden hat, erübrigt sich jeglicher Kampf in der Bewegung gegen eine Vereinnahmung durch Rechte und für eine effektive Friedenspolitik! Diese von antideutscher Ideologie geprägte Erklärung wurde schließlich von verschiedenen bürgerlichen Medien verbreitet, die um alles andere als um die Entwicklung einer Front gegen die tatsächlich wachsende Kriegsgefahr bemüht sind.

Wir halten diese Herangehensweise für falsch und letztendlich schädlich für die antiimperialistische und antifaschistische Bewegung.

Ausschlaggebend für die Arbeit in der „Friedensbewegung 2014“ kann nicht die Zustimmung zu ihren jeweiligen Führern sein, sondern muss die soziale Zusammensetzung ihrer Basis und die tatsächlichen materiellen Beweggründe für deren Teilnahme sein.

Konkret nahmen in Magdeburg größtenteils Menschen an der Friedensmahnwache teil, die ernsthaft um eine Eskalation des Konflikts um die Ukraine besorgt waren, sprich die die wachsende Kriegsgefahr wahrnahmen. Viele glaubten der antirussischen Propaganda der bürgerlichen Medien kein Wort mehr. Auffällig viele Arbeiter nahmen an der Mahnwache teil, die ihrem Unmut über die Lebens- und Arbeitsbedingungen im Kapitalismus Luft machten.

Selbstverständlich gab es auch viele falsche und teils reaktionäre Ansichten. So war die Skepsis gegenüber Wissenschaft und Medizin weit verbreitet – oft jedoch aus eigener bitterer Erfahrung mit dem kapitalistischen Gesundheitswesen. Andere Teilnehmer tendierten zur Esoterik und zu Verschwörungstheorien. Manche der Teilnehmer waren dagegen Forderungen an die Regierung zu stellen, da sie meinten damit das System zu legitimieren. Dies wurde durch Teile der Organisationsgruppe bestärkt, die sehr zurückhaltend mit öffentlichen politischen Stellungnahmen war. Auch gab es die Tendenz, die Teilnahme von Faschisten zu tolerieren, die in der Vergangenheit sichtbar auftraten. Offene Faschisten oder Neonazis waren jedoch in letzter Zeit auf der Mahnwache nicht auszumachen und die Abgrenzung von ihnen ist Konsens. Trotzdem gab und gibt es auch immer wieder Vereinnahmungsversuche durch Rechte aller Couleur, die jedoch auch nicht offen auftreten – sie spielen objektiv die Rolle von Ausbremsern, indem sie die Aufmerksamkeit vom deutschen Imperialismus ablenken.

Ähnlich wie in der Gewerkschaftsbewegung müssen wir einen Kampf gegen reaktionäre Ansichten und für das Stellen von Forderungen im Interessen der Arbeiterklasse führen. Wenn Faschisten auftreten müssen wir uns ihnen entgegenstellen und sie entlarven. Das Auftreten von verdeckten Rechtsextremen ist dabei für uns noch neu.

Diesen Kampf jedoch erst gar nicht zu führen kommt einer politischen Bankrotterklärung gleich. Wer nicht kämpft hat schon verloren!

Für viele „Linke“ ist es unverständlich warum sich die Teilnehmer der Friedensmahnwache nicht einer existierenden linken Partei oder der existierenden Friedensbewegung (z.B. den Ostermärschen) anschließen und fordern genau dies. Die Teilnehmer der Friedensmahnwache empfinden diese – auch öffentlich geäußerte Haltung – zu recht als arrogantes Gehabe. Es ist eben der derzeitigen Schwäche der linken, revolutionären Bewegung und der existierenden Friedensbewegung geschuldet, die kaum Kräfte über die „alten“ Aktivisten hinaus mobilisieren kann, dass der vollkommen berechtigte Unmut über die Kriegs- und Armutspolitik der Regierung auf solch „niedrige“ Art und Weise ihren Ausdruck finden muss. Auch die widersprüchliche Haltung der Linkspartei zum Charakter der EU, zu ihrer angeblichen Reformierbarkeit und sozialen und friedlichen Wendung, hat daran ihren Anteil.

Daher sehen wir folgende grundsätzliche Aufgaben der Kommunisten in der „Friedensbewegung 2014“, wobei deren Umsetzung natürlich den örtlichen Gegebenheiten angepasst werden muss:

  • Entwicklung einer breiten Front gegen die Kriegs- und Armutspolitik der EU und der deutschen Regierung. Entsprechende Forderungen müssen in die Bewegung hinein getragen werden.
  • Stärkung des Bewusstseins für die Notwendigkeit einer eigenen aktive Politik gegen das Kapital unter den Leidtragenden der Kriegs- und Armutspolitik.

  • Kampf gegen die Faschisten und Neonazis – die Verbündeten der westlichen Mächte im Kampf um die Vorherrschaft in der Ukraine.

Dazu kann es notwendig sein, entsprechend den lokalen Möglichkeiten, Verantwortung zu übernehmen. Das Vertrauen in die Richtigkeit unserer Politik ist nicht gottgegeben, sondern muss tagtäglich erkämpft werden. In Magdeburg haben wir die Erfahrung macht, dass unsere Meinungen und Analysen zur Situation in der Ukraine auf viel Beifall stoßen und dass es trotz unserer Schwäche möglich ist, uns positiv einzumischen. Wie sich die Friedensmahnwache in Magdeburg und andernorts entwickeln wird, welche Kräfte sich letztendlich durchsetzen werden, steht noch nicht fest.

rh

Die Friedensmahnwache Magdeburg hat nach intensiver öffentlicher Diskussion eine außenpolitische Stellungnahme verabschiedet, die wir an dieser Stelle dokumentieren wollen:

http://friedensforummd.wordpress.com/2014/05/11/stellungnahme-des-friedensforums-magdeburg/

Von Deutschland muss Frieden ausgehen!

In der Ukraine hat sich eine brandgefährliche Situation entwickelt. Die westlichen Mächte und Russland stehen sich zusehends feindlich gegenüber. Grund dafür ist der Versuch der USA und EU, allen voran Deutschlands, die Ukraine politisch, militärisch und wirtschaftlich an die EU zu binden. Man erhofft sich davon eine günstigere militärische Position der NATO gegenüber Russland und eine Schwächung der russischen Wirtschaft, die eng mit der ukrainischen verflochten ist. Durch das Inkrafttreten des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine wird die Ukraine schrittweise in den europäischen Binnenmarkt integriert. Russland, das seinerseits der Ukraine Zollvergünstigungen gewährt hat, konnte dies schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht hinnehmen und verteidigte seine Großmachtinteressen aggressiv. Daraufhin kam es nach einem Volksentscheid zum Anschluss der Krim an Russland. Durch die verantwortungslose Politik unserer Regierung wird eine militärische Eskalation riskiert!

Die westlichen Mächte, besonders deutsche Politiker, haben sich in die inneren Angelegenheiten der Ukraine eingemischt und einen prowestlichen Staatsstreich, gegen eine vom Westen vormals anerkannte Regierung, mit allen Mitteln unterstützt. Dazu bediente man sich sogar der Unterstützung offener Faschisten (Swoboda, Rechter Sektor). Man bediente sich auch des berechtigten Unmuts der Ukrainer über die miserablen Lebensbedingungen und die ausufernde Korruption. Doch sie haben eine Regierung an die Macht gebracht, die bereits massive Kürzungen im Sozialbereich angekündigt hat, um mit einem „Hilfspaket“ des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Staatspleite zu verhindern. Unsere griechischen Nachbarn kennen solche „Hilfspakete“ nur zu gut. Über all dies berichten unsere Medien kaum, gar nicht oder stellen es verfälscht dar.

Wir in Deutschland leben aber bereits unter erniedrigenden Verhältnissen: Wir kennen Lohndrückerei, Minijobs, Hartz IV usw. und wissen, dass wir es sind, die für die Politik der Herrschenden zu zahlen haben. Wir wollen nicht, dass unsere ukrainischen Nachbarn zusätzlich unter diesen und weiteren „EU-Standards“ zu leiden haben.

Jeder muss bei sich selbst anfangen, den Frieden zu wahren und zu festigen.

Deshalb fordern wir von der Bundesregierung und der gesamten EU, den USA, der NATO und – nicht zuletzt – von allen friedensliebenden Menschen, sich der Verantwortung zu stellen und folgende Maßnahmen umzusetzen:

Verzicht auf das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine – dies wäre ein wirklicher Schritt zur Entspannung!

Verzicht auf NATO-Manöver in Osteuropa – Schluss mit der NATO-Osterweiterung!

Rückzug aller deutschen Truppen aus dem Ausland – die Regierung darf den Willen des Volkes nicht länger verhöhnen!

Nein zur EU-Militärmission in der Zentralafrikanischen Republik! Gegen den Aufbau einer europäischen Armee! Wir lassen nicht länger zu, dass die Völker Afrikas in unserem Namen ausgebeutet werden.

Abrüstung statt Aufrüstung!

Für ein internationales System, dass das Führen von Kriegen überflüssig macht und allen Menschen ein Leben in Würde ermöglicht!