5,1 Prozent mehr Gehalt im Einzelhandel!
In der siebten Verhandlungsrunde im baden-württembergischen Einzelhandel gelang am 5. Dezember 2013 in Korntal-Münchingen bei Stuttgart ein Abschluss. Acht Monate währte dieser dramatische Tarifkonflikt. Mit zum Teil über 80 Streiktagen in zahlreichen Betrieben des Handels erreichten die Kolleg/innen, dass der von den Arbeitgebern gekündigte Manteltarifvertrag unverändert wieder in Kraft gesetzt wird! Das ist ein Sieg, dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden darf!
Zahllose Gewerkschafter/innen anderer Gewerkschaften hatten diesen Tarifkampf unterstützt, auch Arbeit Zukunft hat mehrfach berichtet. Offensichtlich stand zuletzt die glaubwürdige Drohung der Gewerkschafter/innen im Raum, mit Streiks das „heilige Weihnachtsgeschäft“ zu verderben. Die kämpferische Demonstration der Streikenden am 11.11 2013, mittags durch die Stuttgarter Innenstadt mit mehr als 1700 Teilnehmern hatte dieser Drohung wirksam Nachdruck verliehen. (http://www.arbeit-zukunft.de/index.php?itemid=2128&catid=2
Zudem wurden Lohn- und Gehaltssteigerungen durchgesetzt! Allerdings wird der von ver.di groß herausgestellte Betrag von 5,1 % erst in zwei Schritten erreicht, nicht als einmalige Lohnerhöhung! Erster Schritt: Rückwirkend ab 1. 7. 2013 um 3 %, Zweiter Schritt: ab 1.4.2014 um weitere 2,1 %. Die Ausbildungsvergütungen sollen überproportional angehoben werden. Der ganze Vertrag gilt rückwirkend zum 1. April 2013 und hat eine Laufzeit von 24 Monaten. Auch wenn dies eine wichtige Verbesserung darstellt – eines muss doch festgestellt werden:
Was von Anfang an zu befürchten war, ist geschehen: dass ver.di von der wichtigen und wegweisenden Festbetrags-Lohnforderung 1 Euro mehr pro Stunde für alle! abgerückt ist. Damit hatte die Handelsbranche von ver.di – aus der komplizierten Lage im Handel, also aus Not geboren – einen starken Akzent in der deutschen Tarifvertragslandschaft zu setzen versucht. Das ist in den Verhandlungen – wahrscheinlich als Gegenleistung zur Wiedereinsetzung des Manteltarifvertrags – unter den Tisch gefallen.
Es muss aber betont werden, dass es einen wichtigen weiteren Erfolg gibt, den man auch so nennen muss, auch wenn es sich um einen Kompromiss handelt: Bei der Forderung, die im Handel zahlreichen, über Werkverträge ausgegliederten Auffüllkräfte in den Tarifvertrag zurück zu holen! Der ausgehandelte Kompromiss sieht vor, für wiedereingegliederte Beschäftigte eine Lohngruppe zu schaffen, die knapp unter zehn Euro pro Stunde vorsieht. Zurzeit erhalten diese Beschäftigten per Werkvertrag zwischen sechs und sieben Euro die Stunde. Mit dieser Regelung zur Rückführung von ausgegliederten Arbeitskräften konnte ein tarifpolitischer Fortschritt erkämpft werden, ein Signal gegen immer mehr Werkverträge im Einzelhandel. Damit können die Arbeitsbedingungen für die ausgegliederten Beschäftigten deutlich verbessert werden.
Trotzdem wird sich hier auch nur dann etwas tun, wenn die kämpferischen Kolleg/innen im Handel, ihre gewerkschaftlichen Aktivisten und die kämpferischen Kräfte in den Betriebsräten des Handels im Alltag weiter dafür kämpfen, dass diese Regelungen mit Leben erfüllt werden. Die Handelskapitalisten werden alles tun, um sich um diese Rückführung aus Werkverträgen in tarifliche Beschäftigung herum zu drücken, sie wirkungslos zumachen und die Betroffenen zu betrügen. Hier ist trotz des Erfolges im Tarifkampf das letzte Wort noch lange nicht gesprochen.
Um die über 220.000 Beschäftigten im baden-württembergischen Einzelhandel sowie diejenigen Arbeitgeber, die sich vertragstreu verhalten, vor der ständigen Lohndumping-Spirale nach unten zu schützen, forderte ver.di von der neuen Bundesregierung sofort, die neuen Tarifverträge im Einzelhandel für allgemeinverbindlich zu erklären. Hier können die Handelskolleg/innen gleich die erste Nagelprobe erleben, wie die neue Bundesregierung in Sachen Rechte der Beschäftigten tickt. Ergebnis noch völlig offen!
Im Berliner Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD auf dringend nötige Erleichterungen für die Allgemeinverbindlichkeit geeinigt. Hier müssen dann auch die Taten folgen, Frau Ministerin Andrea Nahles (SPD!)!
Inzwischen haben laut ver.di auch die Bundesländer Hessen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Saar und Hamburg den Mantel zurück und mit fast identischen Lohnsteigerungen abgeschlossen wie in Baden-Württemberg.
Insgesamt muss dieser Abschluss bei aller berechtigten Kritik an Mängeln und Schwächen als Erfolg eines harten Kampfes gewertet werden, der nur deshalb erstritten werden konnte, weil die Beschäftigten sich immer entschlossener und kampfbereiter zeigten. Ohne Kampf geht nichts, weder im Handel noch in allen anderen Teilen der kapitalistischen Wirtschaft!
Und so hart wird es in dieser Branche weitergehen. Die nächsten Angriffsversuche von Seiten der Handelskapitalisten auf die Kolleg/innen sind aller Erfahrung nach nur eine Frage der Zeit.
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