das bekommen wir immer wieder zu hören als Argument gegen den Sozialismus bzw. Kommunismus; und zwar sowohl von Menschen, die den Sozialismus und damit natürlich auch den Kommunismus ablehnen, als auch von solchen, die ihn sich eigentlich wünschen, aber „sich nicht trauen,“ weil sie durch die gescheiterten Versuche entmutigt sind. Allerdings ist hier nicht der Sozialismus gescheitert, sondern die Arbeiterklasse hat den Kampf um die Macht verloren.
Wir werden uns daher hier mit der eingangs aufgestellten Behauptung beschäftigen.
Zunächst einmal: Aussagen, die Begriffe wie „immer“ enthalten, haben es in sich, denn sie sind wissenschaftlich weder zu beweisen noch zu widerlegen. Nehmen wir einmal an, die Behauptung sei richtig, dann ist sie für uns kein Argument für die Unmöglichkeit des Sozialismus/Kommunismus, sondern sie wirft die Frage auf: Wie können wir verhindern, dass solche unangenehme Menschen die Macht erlangen? Und da sollte es wohl möglich sein, eine die unterdrückten und ausgebeuteten Menschen zufriedenstellende Antwort zu finden…
Und noch etwas: es ist unbestreitbar, dass es Menschen gibt, die nach persönlicher Macht streben; aber es ist genau so unbestreitbar, dass es Menschen gibt, die nicht nach persönlicher Macht streben – Du zum Beispiel, liebe(r) Leserin…
Doch ernsthaft: für das Machtstreben sehen wir nur zwei Ursachen: entweder es liegt in der Natur des Menschen begründet oder in der Gesellschaft. In beiden Fällen gäbe es dann Lösungen.
Die „Natur des Menschen“ liegt in seinen Genen, seinen Erbanlagen. Zumindest behauptet die Wissenschaft, das menschliche Erbgut, die DNS, entschlüsselt zu haben. Dann müssten uns diese Wissenschaftler auch sagen können, auf welchem unserer 23 Chromosomen nun das Gen „Machtstreben“ liegt, welche Basensequenz es ist, die so etwas hervorruft. Dann bräuchten wir nur in der Ei- bzw. Samenzelle in dem betreffenden Chromosom an der „Macht“-Stelle die Basensquenz zu ändern, und schon… Also, wir nehmen an, dass niemand das ernsthaft für die Lösung hält.
Übrigens: der Begriff „immer“ schließt ja nicht nur die für uns unüberprüfbare Zukunft ein, sondern auch die für uns überprüfbare Vergangenheit. Hat es in der frühen Menschheitsgeschichte „immer“ Machtstrukturen gegeben?
Wir nehmen uns erst einmal etwas anderes vor: uns ist im gesamten Tierreich – immerhin einige Millionen verschiedene Arten – kein einziges Beispiel bekannt (außer dem Menschen), bei dem Individuen Macht über andere Artangehörige ausüben. Es gibt eine Reihe von Sozialformen, z.B. die Herde oder das Rudel, in dem einzelne Tiere eine führende Rolle als Leittier spielen. Diese führende Rolle ist verbunden mit Dingen, die uns als Privilegien erscheinen: so darf z.B. bei einigen Fleischfressern nach einer erfolgreichen Jagd das Leittier als erstes fressen. Oder in einem Rudel paaren sich nur das Alpha-Männchen und das Alpha-Weibchen, während alle anderen Rudelangehörigen verzichten müssen. Doch diese scheinbaren Privilegien haben einen biologischen Sinn: das Leittier hat wichtige Pflichten übernommen, es muss für die Sicherheit der Herde, des Rudels sorgen usw., es muss daher immer bei Kräften sein und darf – um das sicherzustellen – als erstes fressen. Wenn nur Alpha-Tiere sich im Rudel paaren, hat das mindestens zwei positive Auswirkungen: sie haben möglicherweise besseres Erbgut und so könnte der Nachwuchs erblich besser werden; und wenn alle Weibchen des Rudels Junge geworfen hätten, gäbe es zuviel Nachwuchs und die Muttertiere würden für die Jagd ausfallen; die anderen männlichen und weiblichen Wölfe des Rudels kümmern sich ebenfalls um die Jungen des Leitpaares – so sozal geht es bei Wölfen zu…
Das Leittier wird für gewöhnlich durch einen Rangordnungskampf ermittelt. Dabei wird der Unterlegene nicht vertrieben oder gar getötet, sondern ordnet sich in die Gruppe ein. Der Sieger im Kampf um die Rudelführung ist für gewöhnlich der Bessere, auch erblich gesehen. Und damit hat der Kampf um die Führung (nicht um die Macht !) eine positive Funktion.
Wie ist das nun beim Menschen? Das eben geschilderte erinnert vielleicht an sog. „Naturvölker“, an den „Urkommunismus“. Dieses Stadium der Menschheit wird als das der Jäger und Sammler bezeichnet. Auch hier gab bzw. gibt z.B. es einen Häuptling. Doch er hat mit der Übernahme dieser Position für den Stamm bzw. das Volk wichtige Pflichten übernommen, die er erfüllen muss und zu deren Erfüllung er „Privilegien“ eingeräumt bekommt; erfüllt er diese Aufgaben nicht oder ist der Stamm/das Volk mit ihm unzufrieden, so wird er entweder durch einen Herausforderer im Kampf abgelöst oder der Ältestenrat tritt zusammen und setzt ihn ab. Das erinnert an die oben genannten Rangordnungskämpfe bei anderen Tierarten. Es gab in der weiteren Entwicklung der Menschheit aber etwas, was sie von allen anderen Tierarten unterscheidet: der Besitz von gesellschaftlichen Produktionsmitteln.
So etwas wie „Besitz“ kommt im Tierreich kaum vor. Von Haustieren wissen wir, dass z.B. ein Hund „seine“ Hütte hat, „seine“ Decke, „seinen“ Fressnapf; Rudel haben „ihr“ Jagdrevier, aber all das sind keine Produktionsmittel. Es gibt Affen, die zum Aufschlagen von Nüssen oder Muscheln einen harten Gegenstand, einen Stein vielleicht, benutzen und diesen offenbar als ihr Eigentum verteidigen – vielleicht im weitesten Sinne ein Produktionsmittel? Auf keinen Fall ein gesellschaftliches.
Die Jäger und Sammler kannten Eigentum, und zwar ihr Zelt, ihre Decken, ihr Pfeil und Boden… Aber das waren keine gesellschaftlichen Produktionsmittel. Und das, was gesellschaftlich genutzt wurde, gehörte auch allen, z.B. der Boden, das Vieh. Als die Kolonialherren kamen und mit ihnen in Afrika, Australien, Nord- und Südamerika Verträge abschlossen, lag bei beiden Vertragspartnern eine völlig unterschiedliche Rechtsauffassung zugrunde; die Landbewohner kannten keinen Privatbesitz an Boden, die gastfreundlich aufgenommenen Eindringlinge schon – welche Rechtsauffassung bis heute blutig durchgesetzt wird, brauchen wir nicht zu auszuführen.
Mit dem Übergang des Jägers und Sammlers zum Ackerbauern und Viehzüchter wurde die Produktionsweise entscheidend geändert; das war vor etwa zehntausend Jahren. Es entstand ein Produktionsüberschuss, der verwaltet werden musste; das hatte zur Folge, dass Menschen von der Produktion befreit wurden, sich zur Verwaltung der von den anderen produzierten Güter Wissen und Methoden aneigneten (z. B. Schrift), worüber die anderen nicht verfügten, und so in eine Machtposition kamen. Hier liegen die Ursprünge der Machtverhältnisse, der Entstehung der Klassen, die sich voneinander durch ihre Stellung im Produktionsprozess unterscheiden – Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus und Kapitalismus. Die Menschheit hätte also nach Auffassung der ein „natürliches Machtstreben“ behauptenden „Wissenschaftler“ mindestens 40.000 Jahre unmenschlich (ohne Machtstreben) gelebt – erst dann hat sich ihre wahre Natur durchgesetzt!
„Geld regiert die Welt“ – diesen Spruch kennt jeder. Er ist zwar nicht ganz richtig, denn Geld ist eigentlich nur ein Zirkulationsmittel, um den Warenfluss zu erleichtern, aber er meint das Richtige. „Wer die Wirtschaft kontrolliert, kontrolliert auch die Politik!“ Das trifft es schon besser. Wer die wirtschaftliche Macht hat, hat auch die politische Macht. Und Du, liebe Leserin, lieber Leser – Du kontrollierst die Wirtschaft nicht und deshalb hast Du auch in der Politik nichts zu sagen. Was denn, Du wirst doch nicht ungefragt reden wollen?
Ach ja, noch etwas: Reden allein reicht nicht…