Leserbrief zu Ägypten und Syrien

25. August 2013

 

Liebe Genossen,

 

die auf den Webseiten des Arbeitskreises Einheit und von Arbeit/Zukunft kürzlich veröffentlichten Artikel zu Ägypten und Syrien und die darin gezogenen Schlussfolgerungen finden meine ungeteilte Zustimmung.

Bezüglich Ägyptens ist es bedauerlich, dass linke, revolutionäre Organisationen unmittelbar nach Mursis Sturz jener Sprachregelung folgten, derzufolge dieser Putsch eine »Revolution« gewesen sei und die Armee in der republikanischen Tradition Nassers gehandelt habe. Glücklicherweise ist dieser Fehler inzwischen weitestgehend korrigiert worden, in Ägypten hat er aber fatalerweise zur Selbsttäuschung der fortschrittlichen Bewegungen und ihrer anschließenden Lähmung und Marginalisierung durch die Herrschaft der Obristen und sonstigen »Felul« (personellen Überreste der Mubarak-Tyrannei) geführt.

Das jetzige Regime in Kairo ist im Grunde noch unheilvoller als es die (immerhin demokratisch gewählte) Regierung der Muslimbrüder je war – es hat nämlich durch die Außerkraftsetzung der Verfassung die Volksmassen sämtlicher demokratischer Rechte und Freiheiten, die ihnen noch gewährt worden waren, beraubt, die zivile Opposition entweder korrumpiert oder an die Wand gedrückt sowie die »Felul« an die Schalthebel der Macht zurückgebracht und deren stärkste Gegner nachhaltig geschädigt. Zudem ist es durch Maßnahmen gegen den Gaza-Streifen der palästinensischen Befreiungsbewegung hinterhältig in den Rücken gefallen und kann deshalb auf die Unterstützung der Zionisten und wesentlicher Teile der US-amerikanischen »Hawks« zählen.

Unsere Solidarität sollte daher allen Kräften gelten, die sich für den Sturz der illegitimen militärisch-»felulistischen« Diktatur und die Wiederherstellung der demokratischen Rechte und Freiheiten des gesamten ägyptischen Volkes einsetzen. Meiner Meinung nach ist jene Vorgehensweise am sinnvollsten, die W. Pirker am 15. August in der »jungen Welt« vorgeschlagen hat: »Sollte es bei der Konfliktstellung Islamisten contra Säkulare bleiben, ergäbe sich aber auch für die ägyptische Gesellschaft keine neue Perspektive. Eine solche könnte nur ein Zusammenwirken der sozial fortschrittlichen und antiimperialistischen Kräfte beider Lager bieten, das heißt die Herstellung einer neuen nationalen Einheit von unten«.

Was Syrien angeht, so scheint das imperialistische Kesseltreiben gegen diesen wichtigen Bestandteil der »Achse des Widerstandes« eine neue Qualität zu gewinnen. Nach dem offensichtlichen Chemiewaffeneinsatz am 21. d.M. betrachten die herrschenden Kreise der USA Obamas »rote Linie« bezüglich eines militärischen Eingreifens inzwischen als erreicht bzw. überschritten.

Der Zeitpunkt für die Eskalation der antisyrischen Kampagne scheint mit Bedacht gewählt worden zu sein: »All das sieht unserer Meinung nach Versuchen aus, um jeden Preis die Einberufung der Genfer Konferenz zu vereiteln, für deren Vorbereitung ein weiteres russisch-amerikanisches Expertentreffen auf hoher Ebene für den 28. August in Den Haag angesetzt ist«, sagte der russische Außenamtssprecher am 22. in Moskau.

Moskaus »RIA Nowosti« meldete heute: »Die US-Armee ist laut Verteidigungsminster Chuck Hagel für alle Optionen in Syrien bereit, darunter auch für ein Eingreifen. ’Präsident Obama hat das Verteidigungsministerium aufgefordert, Optionen für alle Eventualitäten auszuarbeiten‘, sagte Hagel nach Angaben der Agentur AP. ’Wir sind jetzt bereit, jede Option zu verwirklichen, sobald ein Befehl vorliegt.‘ (…) In dieser Woche sprach sich Obama gegen eine militärische Einmischung in Syrien ohne UN-Mandat aus, gab jedoch zu, dass der andauernde Konflikt die Schlüsselinteressen der USA tangiere. Das Pentagon verlegt unterdessen Kriegsschiffe im Mittelmeer in Richtung Syrien <http://de.ria.ru/security_and_military/20130824/266726495.html>«.

Die entscheidenden Worte in den erwähnten Ausführungen Obamas sind – neben »Schlüsselinteressen der USA« – zweifellos »ohne UN-Mandat«. In Washington will man offenbar die Fehler des Irakkrieges, die wesentliche Verbündete von einer Beteiligung an diesem Unternehmen abhielten, nicht wiederholen; die Devise lautet dort: diesmal keine Intervention ohne UN-Mandat und ohne Beweise für Massenvernichtungswaffen, unter anderem solche chemischer Art.

Den entscheidenden Vorwand für den (offenen) Krieg gegen Syrien hat der »Commander-in-Chief« im Weißen Haus nunmehr – Zyniker würden sagen: »endlich« – geliefert bekommen: die wichtigsten Sicherheitsratspartner – Frankreich, das sich in jüngster Zeit als eigenständiger Initiator der neokolonialistischen Einsätze gegen die Elfenbeinküste, Libyen und Mali hervortat, und Großbritannien – haben den C-Waffen-Einsatz rasch der syrischen Regierung in die Schuhe geschoben. »Assad ist ein Despot, der Chemiewaffen gegen die eigene Zivilbevölkerung einsetzt, und deshalb aus humanitären Gründen weggebombt werden muss« – quod erat demonstrandum.

Dass Russland (*http://de.ria.ru/politics/20130821/266711380.html*) und der Iran (*http://de.ria.ru/security_and_military/20130824/266728891.html*) es als erwiesen ansehen, dass die Chemiewaffen durch die regierungsfeindlichen Banden verwendet wurden, stört da nur. Diese beiden Länder haben allerdings ebenfalls aus Fehlern der eigenen Vergangenheit gelernt: während sie 2011 im entscheidenden Moment der Anti-Gadhafi-Propaganda aufgesessen waren und tatenlos der Zerstörung Libyens durch die NATO und die von ihr ausgehaltenen »Rebellen« zuschauen mussten, sind sie heute – auch aus Eigeninteressen heraus – entschlossen, eine Wiederholung des libyschen Szenarios in Syrien zu verhindern.

Wie sich die politische Lage auch weiterentwickeln mag: es gilt, das Selbstbestimmungsrecht der Völker und ihren gerechten Kampf gegen die inneren und äußeren Feinde, für die nationale und soziale Befreiung zu unterstützen – in Ägypten, Syrien und weltweit!

Mit solidarischen Grüßen

CR