Internet-Spionageskandal: Es wird geheuchelt, dass sich die Balken biegen!

Am 30. Juni 2013 wurde bekannt, dass der US-Geheimdienst NSA in großem Stil auch Institutionen der EU, sowohl auf dem Boden der Vereinigten Staaten wie auch in Brüssel, ausspäht, ja sogar politische Gespräche von EU-Führern abgehört haben soll. Damit spitzt sich der Skandal um die Internetüberwachung durch US-Geheimdienste, voran die NSA, weiter zu. Mit teils gezielter, teils geheuchelter Empörung verbreiten nun führende europäische Politiker/innen, diese Enthüllung schaffe schwere Belastungen der Beziehungen zur US-Supermacht. Imperialistische Rivalität vom Feinsten.

Alles flog auf durch die Enthüllungen des ehemaligen Mitarbeiters des US-Geheimdienstes NSA, Edward Snowden.

Diese Affäre aber ist nichts anderes als konkreter moderner Imperialismus! Der mittlerweile größte US-Geheimdienst NSA überwacht weltweit mit dem Internet auch die „lieben“ Partner, die Regierungen der Gegner wie der Freunde und schafft sich dazu riesenhafte Rechenzentren und Rechner-Kapazitäten. Das neue NSA-Rechenzentrum im Bundesstaat Utah soll eine ausreichende Kapazität erhalten, um den gesamten Datenverkehr der Welt zu überwachen und zu speichern! Das geheime Spionageprogramm wurde durch Edward Snowdens Enthüllungen unter dem Namen „Prism“ (Prisma) welt- und medienbekannt.

Dass es natürlich Prioritäten bei dieser Schnüffelei gibt, liegt auf der Hand. Snowden berichtet, dass sich der aufstrebende imperialistische Rivale China der besonderen NSA-Aufmerksamkeit „erfreut“.

Aber natürlich sind auch andere im Visier: Russland, der Iran, Syrien, aber auch in hohem Maße die BRD, sowie, wie man seit heute weiß (vorher ahnte man das sowieso!), die Europäische Union.

Doch die USA sind nicht allein! Snowden machte auch öffentlich, dass der britische Geheimdienst GCHQ (Government Communications Headquarters) mit seinem Spionageprogramm „Tempora“ täglich(!!) bis zu 600 Millionen Telefonverbindungen erfasse. Auch bei Tempora werden neben E-Mails, Einträgen in sozialen Netzwerken und Telefongesprächen zusätzlich personenbezogene Informationen der Internetnutzer gespeichert. Außerdem sind ca. 200 Glasfaserstränge angezapft worden, die insbesondere den Datenverkehr Europas mit Amerika transportiert. Das löste bei der Deutschen Regierung wie auch bei anderen EU-Staaten Irritation und Empörung aus, denn die eigenen Daten werden da ja auch übertragen! Das Anzapfen der Glasfaserkabel erfolgt laut Medienberichten auf britischem Territorium. Unter strenger Geheimhaltungspflicht wurden auch private Wirtschaftsunternehmen zur Zusammenarbeit verpflichtet, was aber angeblich „im Rahmen britischer Gesetze“ zulässig ist.

Snowden behauptet, mit ihren Spionagepraktiken seien die GCHQ „schlimmer noch als die US-Geheimdienste“ (im Interview mit der britischen Tageszeitung „Guardian“). Außerdem arbeiten laut Snowden amerikanische NSA-Experten aufs engste mit denen der GCHQ zusammen.

 

Ein kaum noch kontrollierbarer privater Spionage-Komplex entsteht!

 

Aufhorchen lässt folgende Pressmeldung: Sonntag Aktuell schriebt am 23.Juni 2013, angeblich hätten „850.000 (!!) NSA-Mitarbeiter und beauftragte Spezialisten Zugang zu den britischen Überwachungsdaten“ und fügt irritiert hinzu: „Nähere Erläuterungen zu dieser riesigen Personenzahl wurden nicht gemacht.“ Immerhin weist ein Bericht über die Struktur der NSA in „Der „Spiegel““ 25 / 2013 in eine ähnliche Richtung: Edward Snowdon war nicht bei der NSA selbst beschäftigt, sondern bei einem privaten Unternehmen namens Booz Allen Hamilton, das Spionage-„Dienstleistungen“ an die US-Regierung bzw. ihre Geheimdienste verkauft. Der Laden steht nicht allein: Private gibt es mehr. „Spiegel“: Firmen wie Booz Allen Hamilton oder Academi, vormals Blackwater, seien „finanzkräftige Konzerne mit großem politischen Einfluss“ und „unglaublich groß“, praktisch eine Industrie. Sie „stellen …Spione und IT-Experten für das Abhörprogramm der NSA“. Große Teile der Spionagearbeit sind heute privatisiert und „ausgelagert“. Die jährlichen Ausgaben der US-Regierung für Geheimdienste überstiegen laut „Spiegel“ 75 Mrd. Dollar, ein Großteil davon gehe an die erwähnten „privaten Anbieter“. Booz Allen Hamilton etwa mache 98% seines Umsatzes mit der US-Regierung und beschäftige damit rund 25.000 Mitarbeiter(!!), gelte als vorbildlich (als der „Goldstandard“) bezüglich Geheimdienstinformationen! Laut „Washington Post“ spionierten heute aber mehr als 1900 Privatfirmen (!) für das US-Verteidigungsministerium, die CIA oder die NSA, letztere habe allein 250 davon unter Vertrag…

„Spiegel“ zitiert noch eine weitere US-Behörde, die in diesem Dschungel tätig ist, das ODNI, (Office of the Direktor of National Intelligence – Büro des Direktors für Nationale Aufklärung): Laut dem ODNI „stellen Privatfirmen etwa 29% aller Spione“. Ein halbe Million Beschäftigter von Privatfirmen dürften laut „Spiegel“ damit Zugang zu „Top-Secret-Informationen“ der US-Regierung haben. Mit anderen Worten: auch der „Spiegel“ nennt zwar nicht 850 Tausend, wohl aber Zahlen dieser Größenordnung! Er resümiert: Für die Regierung sei das ein unkalkulierbares Sicherheitsrisiko geworden, die „Washington Post“ werte Snowdens Enthüllungen als „ die wahrscheinlich unvermeidliche Konsequenz aus dem massiven Wachstum des Sicherheitsindustrie-Komplexes“! Pech für die Regierung, wenn das denn stimmt. Viel beunruhigender: Diese Geheimarmee entzieht sich zunehmend jeder Kontrolle durch die Öffentlichkeit und ist somit ein massiver Schlag gegen alle demokratischen Verhältnisse! Lenin wies auf die Tendenz des Imperialismus zur offenen Reaktion hin. Hier liegt sie offen zu Tage!

 

Und Deutschland? Schon jetzt schwer aktiv, aber Merkel und Co. wollen mehr!

 

Selbstredend muss man davon ausgehen, dass mindestens Frankreich, Russland, China und Israel ähnliche Geheimdienst-Praktiken betreiben – in ähnlichem Umfang, mit ähnlichem Anspruch, mit- und gegeneinander. Wer aber dabei keinesfalls übersehen werden darf, ist die Bundesrepublik Deutschland selbst. Mit dem Bundesnachrichtendienst BND, dem Verfassungsschutz und dem Militärischen Aufklärungsdienst MAD ist auch die BRD voll mit dabei. Das muss man im Auge behalten, wenn man dieser Tage die Erklärungen aus Bundesregierung und EU-Politik verfolgt. Die Justizministerin wird zitiert mit der Äußerung: „Treffen die Vorwürfe zu, wäre das eine Katastrophe. Die Vorwürfe gegen Großbritannien klingen nach einem Alptraum à la Hollywood. Die Aufklärung gehört sofort in die europäischen Institutionen…“ Nach Bekanntwerden der Ausspionierung der EU wurde sie am 30. Juni 2013 noch deutlicher. Sie warf den USA vor, die Bündnispartner zu behandeln wie die früheren Feinde im Kalten Krieg. „Es sprengt jede Vorstellung, dass die USA seine Partner behandelt wie Feinde.“ Gut gebrüllt, Löwin!

Aber mehr als geheuchelt! Merkel schickt Leutheusser-Schnarrenberger vor, sagt selbst aber nichts! Heuchelei allenthalben. Deutsche Europapolitiker wollen die Spionage durch Gesetze begrenzt sehen, sie jammern, die US-Spionage gegen Deutschland und die EU gefährde das geplante Freihandelsabkommen EU-USA. Heuchelei!

Denn in Berlin entsteht gerade eine riesige neue BND-Zentrale. Dieser gigantische Neubau dient der massiven IT-Aufrüstung des BND. Und zwar genau in die Richtung, die Frau Leutheusser-Schnarrenberger bei anderen kritisiert: Auch der BND will im großen Stil Telefonverbindungen erfassen, E-Mails, Einträge in sozialen Netzwerken, Telefongespräche ausspionieren und Glasfaserkabel anzapfen. Allerdings, so kann man den Medien entnehmen, will er dabei viel effektiver vorgehen als die US-Konkurrenz.

Auch jetzt schon handelt es sich beim BND nicht um harmlose Waisenknaben, allerdings, so wird in der Merkelregierung beklagt, spielt man hier noch nicht in der ersten Liga. Aber da will man hin. BND-Präsident Gerhard Schindler will laut „Spiegel“ in den kommenden Jahren 100 Millionen Euro investieren: In bis zu 100 neue Stellen für „technische Aufklärung“ (so heißt das in Berlin!) und – natürlich! – in weitere Rechnerkapazität!

Zur Beruhigung der deutschen Öffentlichkeit heißt es: deutsche Internetsurfer seien tabu. Das sagt man in den USA aber auch! Deswegen ist man übrigens wechselseitig sehr an den Ergebnissen der anderen interessiert. Innenminister Friedrich besucht vor einiger Zeit intensiv die NSA. Deren Chef, General Keith Alexander, weilte jüngst zu ausführlichen Gesprächen in Berlin! Man hat sich viel zu sagen! Wenn angeblich die „eigenen“ Bürger nicht ausspioniert werden dürfen, dann darf das aber der Partnerdienst sehr wohl. Die Besuche machen klar: Nicht nur die Briten und Amerikaner tauschen ihre Ergebnisse aus.

Aber abgesehen davon: Wer kontrolliert wirklich, ob angebliche Grenzen der Bespitzelung eigener Bürger eingehalten werden? Wenn es der BND nicht darf, darf es der Verfassungsschutz um so mehr. (Dass er rechts blind ist, heißt nicht, dass er nicht jeden Widerstand links aufs schärfste überwacht!).

Alle halbwegs Informierten wissen: weder sind Ausländer gehindert, deutsche E-Mail-Adressen zu nutzen, noch deutsche User, ausländische Provider in Anspruch zu nehmen. Es wird außerdem längst nach inhaltlichen Suchbegriffen gefiltert, die auf politische Begriffe ansprechen, um alle verdächtigen Internetnutzer zu erwischen. Geheimdienste heißen so, weil ihre Tätigkeit geheim ist und sich eben nicht an irgendwelche in der Öffentlichkeit präsentierte Regeln, Verordnungen und Gesetze hält. Dies gilt für die USA, wo ebenfalls legalistische Rechtfertigungen der Großschnüffelei präsentiert werden, wie auch in Großbritannien, erst recht auch in Deutschland. Diese Art öffentlicher Diskussion dient dazu, die Öffentlichkeit zu beruhigen, anstatt sie weiter zu beunruhigen.

Als Summe unter dem Strich bleibt: Deutschland will erklärtermaßen in die erste Liga der Geheimdienste vordringen, es ist bereits schwer aktiv und will mit Sicherheit so viel wie möglich wissen: International, aber auch über die eigenen Bürger, über Oppositionelle, über Menschen, die in Deutschland Widerstand leisten, über kämpferische Gewerkschafter, über Antifaschisten, Revolutionäre und Kommunisten.

Wie auch in den USA und Großbritannien, wo private Daten-Unternehmen von der Regierung zur Zusammenarbeit bei der Schnüffelei verpflichtet werden, verpflichtet übrigens auch in Deutschland eine Verordnung die großen deutschen Provider, für die Geheimdienste „eine vollständige Kopie der Telekommunikationen bereitzuhalten“.

 

Zwei gegenläufige Tendenzen:

 

Einerseits profitieren die verbündeten Regierungen aus EU und NATO gegenseitig von ihren Aufklärungsergebnissen. Das wird täglich klarer.

In der Aufklärungs- und Spionagepraxis der Geheimdienste der großen imperialistischen Mächte und Bündnisse zeigt sich aber auch die Konkurrenz , die Rivalität zwischen ihnen in offener Weise.

Wenn der US-Imperialismus die EU und deren Mitgliedstaaten ausspioniert, dann zeigt sich darin, dass man sich gegenseitig nicht über den Weg traut. Aber wer garantiert uns, dass BND oder andere „befreundete“ Geheimdienste nicht auch in Gegenrichtung agieren? Niemand!

Wenn Angela Merkel es nicht wagt, die öffentlich gewordene Ausspitzelung des deutschen Internetverkehrs durch die NSA zu kritisieren, die Rechte deutscher Bürger auf Datenschutz einzufordern und eine Unterlassung zu verlangen, zeigt sich darin die Abhängigkeit, die den deutschen Imperialismus immer noch mit dem US-Imperialismus verbindet – trotz aller Versuche Deutschlands, weltweit wieder auf eigene Rechnung zu agieren. Ob es zu Beschränkungen der Schnüffelei kommt, wie jetzt allenthalben gefordert wird, hängt von nichts anderem ab als vom Kräfteverhältnis zwischen diesen Mächten: Ober sticht Unter, der Schwächere hat nachzugeben.

Gemeinsam gegen den Widerstand und den Kampf der Arbeiterklassen und der Völker!

 

Gemeinsam aber ist allen beteiligten Mächten, von den USA bis nach Deutschland, dass sie jeden Widerstand, jede Opposition gegen die eigene Politik, gegen die Ausplünderung der Länder und Völker, gegen Kriegsvorbereitung, gegen Repressionsmaßnahmen, gegen den Klassenkampf der Arbeiterinnen und Arbeiter ausspähen wollen. „Kampf gegen den Terrorismus“ ist eine verhüllende Phrase, die die ganze Wahrheit verhüllen soll: Es darf kein effektiver Widerstand gegen Imperialismus und Kapital entstehen. Deshalb will man wissen, was die Menschen weltweit organisieren, was sie unternehmen um sich zu befreien oder die Bedrückung wenigstens zu lockern. Das ist die ganze Wahrheit hinter dem Spionageskandal!

 

Der Widerstand gegen die Datenkrake muss vertieft werden!

 

Die Arbeiterinnen und Arbeiter, die werktätigen Massen weltweit, die heute um ihr Überleben im kapitalistisch-imperialistischen System kämpfen müssen – sie sind gemeint mit der Global-Bespitzelung.

Lenin hat bereits Anfang des letzten Jahrhunderts in seinem Werk „Was tun?“ darauf hingewiesen, dass der Aufbau einer revolutionären, einer kommunistischen Partei, die ihren Kampf erfolgreich führen will, nur dann erfolgreich sein kann, wenn sich die Revolutionäre professionell mit den Geheimdiensten auseinandersetzen, die die kämpfenden Menschen und Massen mit Repression überziehen und mit Spionage verfolgen.

Aber: Es sind Menschen, die all diese Spionage- und Unterdrückungswerkzeuge schmieden. Wie immer man die Motive eines Edward Snowden beurteilt – sein Fall zeigt, dass Menschen aussteigen wollen, wenn sie sich des Unrechts bewusst werden, das sie mit ihrer hohen Sachkenntnis und Kompetenz anrichten, wenn sie für die NSA oder andere diese Spionage-Molochs arbeiten. Das müssen alle kämpfenden, im Widerstand stehenden Menschen unterstützen und ermutigen. Menschen können anders, sie können sich dem Zwang bewusst widersetzen, und man kann ihnen dabei helfen.

Wir können alle Menschen, die professionell und kompetent mit Daten-, Internet, IT und der neuen Technologien umgehen und sich dem weltweiten Widerstand verbunden fühlen, nur aufrufen, ihr Wissen nicht den imperialistischen Spionage- und Repressionsorganen zur Verfügung zu stellen, sondern ihr Können systematisch in den Dienst der Völker, in den Dienst der Revolution gegen Kapitalismus und Imperialismus zu stellen!

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