General Motors und die Adam Opel AG Deutschland hatten ihn vorgelegt und die Gesamt-IG Metall hatte ihm zugestimmt, ebenso die IG Metall NRW – dem als Tarifvertrag geltenden „Mastervertrag DRIVEI2022“; auch die Betriebsratsvorsitzenden an den 3 deutschen Opel-Standorten Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach haben unterschrieben und inzwischen auch die IGM-Mitglieder der 3 Werke dazu gebracht, ebenfalls zuzustimmen. Lediglich der Bochumer Betriebsratsvorsitzende Rainer Einenkel weigerte sich diesmal zu unterschreiben und auch die Bochumer IG Metall stellte sich quer, forderte ihre Mitglieder aber vor der entscheidenden Abstimmung nicht auf, den Vertrag abzulehnen. Noch kurz vor der entscheidenden Belegschaftsversammlung verteilte sie einen umfangreichen Fragenkatalog samt Antworten zum „Tarifvertrag“ und verkündete dort auf die Frage eines imaginären Opelaners nach „ja“ oder „nein“ bei der Abstimmung: „Wir geben keine Empfehlung ab.“
Nun, die Bochumer Opelaner konnten das auch allein: mit 76,1 % Nein-Stimmen wurde der „Tarifvertrag“ abgeschmettert. „Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende“ mag dabei so manchem durch den Kopf gegangen sein. Das Verhalten der IGM Bochum auf der Belegschaftsversammlung empfanden viele Kollegen als „Rolle rückwärts“: hatte sie bisher zumindest den dezenten Eindruck erweckt, sie sei gegen den „Tarifvertrag“, so traten ihre Sprecher jetzt auf der Versammlung mit der Position auf, dieser Vertrag sei das Beste, was „man“ hätte erreichen können. „Mehr war mit unseren Mitteln nicht zu erreichen.“
Die Kolleginnen und Kollegen empfanden das als indirekte Aufforderung, dem Machwerk zuzustimmen. Wie das Ergebnis zeigt, ließen sie sich aber dadurch nicht in die Irre führen: „Was wollen Sie da annehmen? Das ist ja noch nicht mal was Konkretes, was die anbieten!“ – „Wir haben die letzten 15 Jahre auf mindestens 1600 € verzichtet – und wir sollen jetzt noch unsere Beerdigung bezahlen? Das seh‘ ich nicht ein.“
Der hohe Anteil der Nein-Stimmen hat auch die Medien überrascht, doch nur vorübergehend. Schon nach spätestens zwei Tagen kippte die zunächst wohl oder übel gezollte Anerkennung für die „Kampfansage der Bochumer Opelaner“ um in unverhohlene Kritik, in den Vorwurf der „Unbesonnenheit“, in Vorwürfe vor allem gegen den Betriebsratsvorsitzenden Einenkel, der diesmal aus uns unbekannten Gründen standhaft geblieben war – bei früheren Gelegenheiten hatte er den zahlreichen Verzichtszustimmungen der Betriebsräte der anderen 3 deutschen Standorte immer zugestimmt und das stolz als Erfolg verkauft und begründet, „Bochum“ habe sich nicht isolieren lassen (auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen allerdings). Den Vorwurf der „Isolierung“ erheben jetzt Medien auch, allerdings geben sie dabei kaum Auskünfte über den Inhalt des Tarifvertrags-Vorschlags „DRIVEI2022“.
Sie erwecken vielmehr den Eindruck, als sei es dabei um die Frage gegangen, ob in Bochum von derzeit etwa 3.200 direkt bei Opel Beschäftigten bis 2016 Autos produziert werden oder – bei etwas Verzichtbereitschaft – bis 2016. Sie bestätigen damit den Eindruck, den wir seit langem von der Berichterstattung bürgerlicher Medien gewonnen haben: sie teilen ihren Kunden nur wohldosierte und sorgfältig ausgewählte Einzelinformationen mit, um zumindest bei denen, die – aus welchen Gründen auch immer – nicht aufwendig nach Informationen suchen, eine bestimmte Reaktion zu erreichen. Das lässt sich hier ganz gut darlegen. Nach diesem nunmehr abgelehnten Tarifvertrag hätten nämlich bei Opel Bochum 2016 nicht mehr 3200 Beschäftigte Autos produziert, sondern nur noch 1200 – die anderen wären nach und nach aussortiert worden. Allein 2013 sollten mindestens 600 Arbeitsplätze vernichtet werden, und zwar entweder durch „hohe“ (?) Abfindungen oder – falls sich so nicht genügend Beschäftigte rausmobben lassen – durch betriebsbedingte Kündigungen, im „DRIVVI2022“ ausdrücklich vorgesehen! Auch die Nachtschicht samt ihrer finanziellen Zulagen wäre gestrichen worden – es gibt noch mehr Dinge, die nun durch die Ablehnung des Vertrages erst einmal vom Tisch sind und neu verhandelt werden müssen.
Die Wut vieler IGM-Mitglieder bei Opel Bochum auf „ihre“ Gewerkschaft ist groß – viele denken an Austritt. Ihre Überlegung dabei ist auch, dass sie mit ihren Mitgliedsbeiträgen „so etwas“ nicht länger unterstützen wollen. Für die IGM wäre das ein gewisser finanzieller Verlust, doch wir fürchten, das trifft sie nicht wirklich. Denn, wenn spätestens Ende 2016 bei Opel Bochum der Letzte das Licht ausgemacht hat, werden die in Hartz IV, die Transfer-Gesellschaft, Altersteilzeit oder sonst wohin Abgedrängten keine Mitgliedsbeiträge mehr zahlen. Statt mit Austrittsgedanken zu spielen, ist es wichtiger, seine Sache in die eigene Hand zu nehmen – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gewerkschaft. In den Gewerkschaften muss die derzeitige Situation der überwältigenden Mehrheit gegen diesen „Tarifvertrag“ genutzt werden, um zum Kampf zu mobilisieren. Aber auch unabhängig von den Entscheidungen von Gremien muss an der Basis der Kampf für die eigenen Interessen organisiert werden. Das Motto muss sein: Nicht warten, sondern kämpfen! Denn Möglichkeiten zum Kampf gibt es nur solange, wie Opel noch auf die Produktion aus Bochum angewiesen ist. Solange Opel noch nicht die gesamte Bochumer Produktion in andere Werke verlagert hat, ist auf die Bochumer Belegschaft angewiesen. Sobald es nur noch und endgültig um die Abwicklung des Werkes Bochum geht, braucht sie diese nicht mehr. Durch entschlossenes Handeln kann man also die nochvorhandene Macht nutzen.