Wenn die Reißwölfe heulen

„Ein bedauerliches Versehen“ – so sprach die oberste Berliner Verfassungsschredderin, bevor sie freiwillig zurückgetreten wurde. Ganz aus Versehen hatte man auch in Berlin die Akten über die Neonazi-Szene durch den Reißwolf gejagt. So etwas kann schon einmal passieren – oder eben auch zweimal oder dreimal. Beim Bundesamt für Verfassungsverhütung hatte das Chef-Verhüterli (Fromm mit Namen) aus gleichem Grund sein Hütchen nehmen müssen. Danach folgten die Amtskollegen in Thüringen und Sachsen und Sachsen-Anhalt. Und nun noch dies: „Berliner Verfassungsschutz kopflos“, schlagzeilt die Berliner Zeitung.

Natürlich hatte man keinesfalls etwas vertuschen wollen. Üüüüberhaupt nicht! Was, bitte sehr, was gäbe es denn zu vertuschen? Üüüüberhaupt nichts! Schließlich weiß es inzwischen jeder, dass diese Neonazi-Gruppen gar nicht existieren würden, wenn bei der Existenzgründung nicht eine großzügige staatliche Anschubfinanzierung nachgeholfen hätte. Dass man auf der anderen Seite den Anti-Nazi-Initiativen die öffentlichen Gelder zusammenstreicht, ist da nur logisch. Irgendwo muss das Geld ja herkommen, das die V-Leute kassieren, die als Existenzgründer letztlich auch die Existenz des Verfassungsschutzes sichern. Aber da es nun einmal der erklärte demokratische Auftrag dieser geheimen Staatsdiener ist, dafür zu sorgen, dass die Neonazis allesamt wieder verschwinden, lässt man als erstes die Akten verschwinde, so dass ihre Existenz fortan nicht mehr nachweisbar ist.

Und  die NPD verbieten? Dann müsste man nämlich vorher den gesamten Verfassungsschutz schreddern, bei dem – grob geschätzt – die Hälfte der NPD-Mitglieder auf der Lohnliste stehen. Auf diese Weise beobachten die Verfassungsschützer eigentlich ständig sich selbst. Kein Wunder, dass man da mal ein Auge zudrückt, zumal die rechte Pupille ohnehin vom Braunen Star befallen ist.

 

Gesetzeslose Schnüffelei: Westen kontrollierte Ost-Post

Westdeutsche Behörden kontrollierten  bis zum 31. Dezember 1991 (!) Post aus der DDR. Verantwortlich dafür waren nach der sogenannten Interzonenüberwachungsverordnung vom 9. Juli 1951 die Zollbehörden. Ein Gesetz gab es dazu nicht.

Auskunft zur Zahl der Betroffenen, deren Sendungen geöffnet oder gar beschlagnahmt wurden, konnte/wollte die Regierung nicht geben. Die Vorgänge lägen zu lange zurück, hieß es zur Begründung.

Die deutsche Wiedervereinigung – die galt der Bundesrepublik als großes Ziel. Kontakte zu den Brüdern und Schwestern hinter die Mauer waren wichtig. Post von drüben und Anrufe aber gleichzeitig verdächtig. Schließlich fürchtete der Westen kommunistische Propaganda. Systematisch wurden deshalb in den 50er bis 70er Jahren ankommende Briefe und Pakete aus dem Osten geöffnet, kontrolliert und größtenteils vernichtet.

Das Grundgesetz der Bundesrepublik schützt das Post- und Fernmeldegeheimnis ohne Ausnahme. Was nur wenige ahnten, die Geheimdienste hörten fleißig mit.

1963 deckte ’Die Zeit’ den ersten Abhörskandal der Bundesrepublik auf. Unter Beschuss: Bundesinnenminister Hermann Höcherl. Der verteidigte das Vorgehen des Verfassungsschutzes. Berühmte Begründung: „Die Beamten können nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unter dem Arm herumlaufen.“

Mit der Überwachung waren ausgerechnet ehemalige SS- und Gestapo-Angehörige beauftragt. Im politischen Kampf waren alle Mittel recht.

 

Der Historiker Josef Foschepoth,(„Überwachtes Deutschland Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik“, Verlag Vandenhoeck & Ruprecht – 2012)

konnte bisher geheime Akten auswerten. Sein Fazit: Die gesamte DDR-Post wurde in Westdeutschland überwacht, zum großen Teil sogar vernichtet.

„Um eine Gesamtzahl zu nennen, also in diesem Zeitraum von1955 bis 1972 sind es exakt 119 Millionen Postsendungen, die von der DDR in die Bundesrepublik kamen und die hier aus dem Verkehr genommen worden sind.

Nach Westdeutschland kam die DDR-Post mit den Interzonenzügen. Dort stiegen Beamte der Bundespost zu, sortierten im Auftrag des Verfassungsschutzes verdächtige Sendungen aus, vor allem sogenannte kommunistische Propaganda. Die staatsgefährdenden Schriften übergaben sie dann dem Zoll.

Die wurden abtransportiert und vernichtet, zum Beispiel in der Justizvollzugsanstalt Hannover. Jahrelang schredderten Strafgefangene hier verdächtige DDR-Post. Darunter auch private Briefe.

1968, Studentenunruhen. Proteste richteten sich auch gegen die Notstandsgesetze. Doch die kamen, und mit ihnen auch das sogenannte G-10 Gesetz zur Beschränkung des Post- und Fernmeldegeheimnisses. Von nun an,

„… sind die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst …berechtigt, die Telekommunikation zu überwachen und aufzuzeichnen, … auch die dem Brief- oder Postgeheimnis unterliegenden Sendungen zu öffnen und einzusehen.“

Außerdem schloss die damalige Bundesregierung mit den drei West-Alliierten einzelne Geheimabkommen ab, die ihnen weiterhin Überwachungsrechte einräumten.

 

Die Überwacher überwachen: Postkontrolle

Auch wenn die digitale Kommunikation stetig zunimmt und den Brief- und Paketverkehr stellenweise verdrängt, schicken wir immer noch Briefe hin und her – um die ganze Welt. Das Postgeheimnis gilt vielen Menschen als hohes Gut und blasse Gestalten, die in dunklen Kellerräumen über endlosen Stapeln von Briefen hocken um diese mit heißem Dampf heimlich zu öffnen, gehören für die allermeisten in die Vergangenheit. In die Zeiten des Kalten Krieges, in denen Staatssicherheit und BND die Urlaubsbriefe von Millionen Bürgern öffneten, um intime Erkenntnisse aus dem Alltag der Betroffenen zu erfahren. Da im staatlichen wie auch im privaten Edutainment von Guido Knopp bis Joachim Gauck jedoch ausschließlich über die besonders intensive Postkontrolle der Staatssicherheit (Stichwort: „Abteilung M“) berichtet wird, entfällt dem Bewusstsein der Allgemeinheit, dass auf westdeutscher Seite der Mauer in ungeheurem Umfang Briefe und Pakete geöffnet wurden.

Und auch heute noch spielt das Lesen fremder Briefe eine Rolle. Denn zu eben diesen „nachrichtendienstlichen Mitteln“, die der Verfassungsschutz anwenden darf, zählt auch die Postkontrolle. Die juristische Grundlage hierfür bildet das „Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses“ (G-10), welches aus dem Westdeutschland des Jahres 1968 stammt und trotz „friedlicher Revolution“ und Wende weiterhin gilt. Es wurde zuletzt 2001 einer umfangreichen Überarbeitung unterzogen, bei der die Kompetenzen der Nachrichtendienste – insbesondere des BND – deutlich erweitert und der inzwischen einsetzenden Digitalisierung des Alltags angepasst wurden.

Damals stimmten nicht nur SPD und CDU, sondern auch die damalige Regierungspartei, die Grünen, dafür. Die Linkspartei (damals noch PDS) stimmte als Bundestagsopposition dagegen.

Es gibt beinahe keine öffentlich zugänglichen Statistiken über den Umfang und die Qualität der Postkontrolle.

Wer sicher gehen möchte, dass sein Postgeheimnis gewahrt bleibt, kann heute jedoch, im Gegensatz zum Kalten Krieg, auf kostenlose kryptografische Verfahren zur effektiven Verschlüsselung seiner eMails zugreifen. Empfehlenswert wären hier Open Source-Lösungen wie etwa Gnu Privacy Guard (GPG).

Wer auf nicht-digitale Briefen aus Papier besteht, muss sich seine verschlüsselten Nachrichten wohl entweder ausdrucken oder ebenfalls ganz Old School auf Zaubertinte zurückgreifen.

 

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Beschlagnahmt und vernichtet Westen kontrolliert Ostpost