Sant’Anna di Stazzema – Solidaritätsbesuch bei den Überlebenden eines SS-Massakers

Fahrt nach St'Anna di Stazzema vor düsterer Landschaft

Fahrt nach St’Anna di Stazzema vor düsterer Landschaft

Mühsam quält sich unser Bus die schmale Straße nach Sant’Anna hinauf. Immer wieder schleifen Zweige, die tief herabhängen am Dach. An der Seite hat man einen atemberaubenden Blick ins Tal und in den Abgrund, an dem wir knapp entlang fahren.Das kleine Bergdorf und liegt schwer zugänglich in den äußersten Ausläufern der Apuanischen Alpen 600 m über dem Meeresspiegel. Im August 1944, als unten im Tal der Krieg wütete, war es hier noch friedlich und die Dorfbevölkerung fühlte sich sicher, zumal das deutsche Kommando den Ort als „weiße Zone“ bezeichnet hatte, die Flüchtlinge aus dem Tal aufnehmen sollte. Die Bewohner öffneten bereitwillig ihre Häuser und der Ort war überfüllt. Die Kinder freuten sich, dass sie nun viele Spielkameraden hatten. Am 12.August stiegen im Morgengrauen 3 SS-Einheiten, darunter auch italienische Faschisten zu dem Dorf auf, zum Teil auf einem kleinen Pfad von vorne zum Teil von hinten über die Berge. Sie hatten Bewohner unten im Tal aus ihren Häusern geholt, die MPs, Flammenwerfer, Granaten und Munition für sie tragen mussten und am Ende erschossen wurden. Sie wurden bemerkt und einigen männlichen Bewohnern gelang es, sich zu verstecken, bevor um 7 Uhr morgens das Dorf umzingelt war. Niemand konnte sich vorstellen, dass die Nazis es auf Frauen, Kinder und alte Menschen abgesehen hatten. Die SS-Kompanien ermordeten die Menschen in ihren Häusern und steckten diese danach in Brand. Andere Bewohner wurden auf den Dorfplatz getrieben, dort erschossen und die Leichen verbrannt. Das Massaker dauerte 3 Stunden. Als die wenigen, die sich hatten retten können, zurückkamen, lag der Geruch von verbrannten Leichen über dem Ort. Viele der etwa 560 waren bis zur Unkenntlichkeit verbrannt. Diese Aktion der verbrannten Erde wurde von General Kesselring geplant, um zu verhindern, dass von dort Angriffe auf die neu errichtete „Gotenlinie“ erfolgen konnte und um die Bewohner anderer Bergdörfer und Partisanen abzuschrecken.

St'Anna di Stazzema: Enrico Pieri, Überlebender des Massakers berichtet

Enrico Pieri, Überlebender, berichtet

Erst Ende der 90ger Jahre gab es in Italien Prozesse gegen Kriegsverbrecher. Man wollte bis dahin die neue Bundesrepublik, die man im Ost-West Konflikt brauchte, nicht in Verlegenheit bringen und auch die eigenen Kriegsverbrecher wegen Massakern in Jugoslawien schonen. Die Verurteilung der SS-Täter in Italien wurde von den Betroffenen als späte Gerechtigkeit angesehen. Aber auf eine Auslieferung der bekannten Täter, die bis heute unbehelligt in Deutschland leben, wartete man vergeblich. Oberstaatsanwalt Häussler, Stuttgart, hat nun entschieden, das Verfahren gegen die SS-Täter nicht zu eröffnen. Er behauptet, die Morde seien nicht geplant gewesen, ließen sich nicht einzelnen Personen zuordnen und es fehle das Element der besonderen Grausamkeit. Prof. Paolo Pezzino widerlegt in seinem demnächst erscheinenden Buch diese Argumente von Häussler. Unser SPD-Justizminister Stickelberger bestätigte Häussler, obwohl er sich vor seiner Wahl gegenteilig geäußert hatte und auch die europäische Menschenrechtskommission äußerte sich entsprechend. Eine andere Entscheidung könnte dazu führen, dass die BRD auch für Verbrechen an der Zivilbevölkerung in gegenwärtigen Kriegen zur Verantwortung gezogen werden könnte. Dass will sie um jeden Preis verhindern. Entsprechend abweisend war auch die Antwort von Bundespräsident Gauck auf die Bitte eines Überlebenden um Unterstützung. Dieser Überlebende hat bei dem Massaker seine ganze Familie von 27 Personen verloren hat und will weiter kämpfen. Seine Rechtsanwältin Gabriele Heineke unterstützt ihn dabei.

Für ihn und die wenigen anderen Überlebenden des Massakers, die wir am 8.12.12 in Sant’Anna trafen war es eine ungeheure Überraschung und Freude, dass 40 Deutsche aus Baden-Württemberg kamen, um ihnen ihre Solidarität zu bekunden und eine Spende für ihre Gedenkstätte zu überreichen. In einer ungeheuer emotionalen Feier berichteten die Überlebenden von den Taten von unvorstellbarer Grausamkeit, die sie am 12.8.1944 erleben mussten. Nur einer sagte, dass er dem jungen deutschen Soldat, der: „schnell schnell weg“ gerufen hatte, und ihn entkommen ließ, sein Leben lang dankbar sein wird. Die italienische Tageszeitung „La Stampa“ widmete dem Besuch aus Deutschland einen ausführlichen Bericht.

Ein Video von dem Besuch (auf italienisch) kann man hier sehen:

http://www.youtube.com/watch?v=ryerUaTLL4w