„Die Phase des Nur-Protestes ist vorbei“ –
das war die einhellige Meinung in einer Gruppe oppositioneller Gewerkschaftler nach der Bekanntgabe des endgültigen Aus für das Opel-Werk in Bochum. Abgezeichnet hatte sich die Schließung schon seit mehreren Jahren, doch die Hoffnung hatten viele Kolleginnen und Kollegen nie aufgegeben und auch Einiges getan, um ihre Hoffnung zu realisieren.
Die für den 15. Dezember geplante Jubelfeier zum 50. Jahrestag der Errichtung des Werkes in Bochum wurde kurzfristig abgesagt – angeblich „aus Sicherheitsgründen“, doch das ist wohl ein zu durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Statt der bisher erwarteten 15.000 Besucher wurde nun plötzlich mit 50.000 gerechnet, und auf eine so große Zahl sei man nicht vorbereitet… Mit der in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach unter Beweis gestellten Bereitschaft der Bochumer Opelaner, für ihre Interessen zu kämpfen, hat die Absage selbstverständlich nichts zu tun…
Vor 50 Jahren gab es schon einmal ein Aus für die Arbeiter – der Bergbau in Bochum wurde eingestellt. Doch für die Bergleute war das damals keine große Katastrophe, sondern eher eine Verbesserung, denn sie wurden in das neu errichtete Opel-Werk übernommen und als Fachkräfte bezahlt. Ja, im Laufe der Jahre bot Opel Bochum sogar viel mehr Menschen einen Arbeitsplatz, als es der Bergbau zuvor getan hatte – in den „besten Geschäftsjahren“ hatten etwa 21.000 Beschäftigte hier einen Arbeitsplatz. Doch dann baute Opel bzw. General Motors im wahrsten Sinne des Wortes ab – im Laufe weniger Jahre wurden mehr als 17.000 Beschäftigte entlassen oder abgefunden und ihre Arbeitsplätze bei Opel Bochum vernichtet (einen ähnlichen Kahlschlag gab es übrigens auch an den anderen drei deutschen Opel-Standorten in Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach). Betriebsrat und IG Metall-Führung propagierten – wie anderswo auch – zur Unterstützung dieses Abbaus, ein Verzicht der Kolleginnen und Kollegin auf (Urlaubsgeld, Lohnerhöhung…) würde die restlichen Arbeitsplätze und damit das Weiterbestehen des Werkes sichern – und die Beschäftigten brachten diese Opfer und die Arbeitsplätze wurden scheibchenweise weiterhin vernichtet. Vor 50 Jahren wurden in Bochum zwar die Arbeitsplätze im Bergbau vernichtet, aber an ihrer Stelle wurden Arbeitsplätze in der Autoindustrie geschaffen, sogar noch in einer größeren Zahl, sodass die entlassenen Kumpel nicht ins Bodenlose fielen, nicht einmal in eine „Auffanggesellschaft“.
Das sieht heute ganz anders aus. Geht es nach den Plänen der Kapitalisten, dann sind Ende 2016 alle der ehemals etwa 21.000 Arbeitsplätze weg – dazu kommen noch tausende Arbeitsplätze in anderen Bereichen. Laut IG Metall hängen heute in NRW noch etwa 45.000 Arbeitsplätze mit Opel zusammen.
Hier versucht General Motors bzw. Opel abzuwiegeln. Es wird behauptet, der Standort Bochum würde ja nicht ganz geschlossen, da z.B. das Werk 3 weiterhin bestehen bleiben solle. Doch Werk 3 dient als Teil- und Zubehörlager und für den Versand, und gehört juristisch gar nicht zu Opel – seine 300-400 Beschäftigten zählen auch nicht zu den etwa 3.200 Opel-Beschäftigten, die spätestens 2016 entlassen werden sollen.
Am 10. Dezember fand ab 9 Uhr im Bochumer Ruhr-Kongress eine Belegschaftsversammlung statt, zu der etwa 2300 Beschäftigte kamen – sie hatten die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Wir haben in den vergangenen Jahren schon Belegschaftsversammlungen erlebt, bei denen keine Polizei anwesend war – diesmal war sie jedoch „ungewöhnlich“ (?) stark vertreten. Auch in die Halle war sehr viel „Security“ zum Schutz des Opel-Manager Thomas Sedran angekarrt worden; der verkündete dann in einer gerade mal 15 Minuten dauernden Mitteilung das Aus für Opel Bochum. Danach ergriff er die Flucht. Ein Kollege, der ihn zu einer öffentlichen Rechtfertigung bewegen wollte, wurde von der „Security“ zu Boden gerissen. Nach der Versammlung wurde Rainer Einenkel – für die einen Betriebsratsvorsitzender, für die anderen Co-Manager – in der Presse zitiert mit der Aussage, es sei gelungen, sich nicht zum Streik provozieren zu lassen…
Nun ja, der Auftraggeber der Betriebsräte ist die Belegschaft oder sollte es zumindest sein. Auftraggeber der Co-Manager dagegen sind… (Liebe(r) Leser(in), Du hast den angefangenen Satz richtig zu Ende gedacht, Du erhältst einen Bonus-Punkt!)
Der WDR berichtete am selben Abend über die Belegschaftsversammlung. Der Moderatorin merkte man ihr Mitgefühl mit den Opelanern an. Sie hatte einen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden am Wickel und erinnerte ihn an die in ganz Deutschland bekannte Kampfbereitschaft der Bochumer Belegschaft, doch der Betriebsrat wich aus; er kündigte lediglich immer wieder in grammatisch leicht veränderten Formulierungen an, man werde auf dies und jenes „pochen“. Er erinnerte an ein bockiges Kind, doch das hat mit seiner Bockigkeit – so befürchte ich – mehr Erfolg… Die Moderatorin erinnerte an den Streik 2004. Ich ergänze: auch danach zeichneten sich die Bochumer Opelaner aus: so erkämpften sie im Jahr 2009 für sich und ihre Kolleginnen und Kollegen an den anderen drei deutschen Standorten die Auszahlung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes und der ausgehandelten 4,2 Prozent Lohnerhöhung – Betriebsrat und Gewerkschaft hatten schon darauf verzichtet.
Die Politiker in NRW reagierten auf die am Montag verkündete Werksschließung für sie typisch. Ich zitiere nur die Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD – was sonst ?): „Jetzt muss es darum gehen, den Opel-Vorstand beim Wort zu nehmen. Es muss ernsthaft und belastbar an einer Perspektive für den Standort gearbeitet werden.“ Keine Angst, Hannelore, der Vorstand tut das ernsthaft, das ist ja gerade das Schlimme! Und der Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD – was sonst ?) meinte: „Ich wünsche mir ein klares Bekenntnis von General Motors zu Bochum.“ Na, dann wünsch mal schön, lieber Garrelt, es ist ja bald Weihnachten… Übrigens, GM hat doch ein eindeutiges Bekenntnis gegen Bochum abgegeben!
Sarkastischer Kommentar eines ehemaligen Opelaners zu solchen Äußerungen: „Was nehmen die eigentlich für Medikamente?“
Am Dienstag kam es dann in der Fertigmontage zu ersten Reaktionen. Eine Betriebsrätin der Liste „Offensiv“ zog mit einem Kollegen und mit Megaphon durch die Halle und rief die Belegschaft zu einer Information zusammen. Das hatte zwei positive und bezeichnende Ergebnisse. Ein Rundfunkreporter, der „life“ vor Ort war, berichtete von etwa 150 Beschäftigten, die zur Information kamen und so einen zweistündigen spontanen Streik durchführten. Das wiederum führte dazu, dass Rainer Einenkel seinen für diesen Tag geplanten Ausflug nach Rüsselsheim verschob, um – wie es hieß – eine Eskalation zu verhindern – in wessen Auftrag? In dem der Belegschaft sicher nicht.
Die Zahl der am Spontanstreik Beteiligten wurde übrigens vom erwähnten Rundfunksender im Laufe des Tages von Sprechern, die nicht „life“ dabei waren, zunächst auf 60 und später auf 50 „korrigiert“ – ein Schuft, wer Böses dabei denkt… Am folgenden Freitag kam es noch mehrmals zu Informationsveranstaltungen, allein am Vormittag hatten sich etwa 1700 Kolleginnen und Kollegen daran beteiligt.
Das Aus für Opel Bochum scheint endgültig – Ende 2016 soll das letzte Auto vom Band laufen. Das heißt aber auch, dass es für die Beschäftigten noch vier Jahre Zeit gibt, um dafür zu sorgen, dass nicht alle Räder still stehen, wenn ihr starker Arm es will…
Nur: die Zeit der Nur-Proteste ist auch meiner Meinung nach vorbei. Bei dem, was zur Rettung des Werkes bzw. des Lebens in Bochum getan werden kann, denke ich an das „Rheinhausen-Lied“ von 1987 – da heißt es im Refrain: „Wir wollen Leben und Arbeit, und dafür kämpfen wir!“ Vom Stahlwerk ist da nicht die Rede. Hochverehrte Kapitalisten, ihr könnt gehen, aber wir müssen bleiben; wenn ihr keine Arbeit für uns habt, dann ist das nicht unsere Schuld. Wir wollen leben und fordern das dafür notwengige Geld von Euch – wenn ihr allerdings menschenwürdige Arbeit habt, dann arbeiten wir auch!
Und noch etwas sollten wir bedenken: 50 Jahre lang haben wir für Opel Bochum Gewinn erschuftet – eigentlich müsste uns der Betrieb längst gehören!