Vor 14 Jahren wurde der von vielen in der Türkei lebenden Kurden als ihr Führer angesehene „Apo“ Abdullah Öcalan verschleppt und sitzt seitdem in Haft, lange Zeit ohne Familienkontakt, ohne rechtlichen Beistand.
Mit einer europaweiten Kampagne, u.a. mit einer Unterschriftensammlung setzen sich jetzt erneut kurdische Organisationen für Öcalan ein. Im Rahmen dieser Kampagne fand am 6. Oktober eine eindrucksvolle Solidaritäts-Demonstration in Dortmund statt. Etwa 1200 Menschen nahmen an ihr teil, geprägt war der Zug von einem wahren Fahnenmeer mit dem Bild des Inhaftierten. Polizeivertreter machten zaghafte Versuche, diese Fahnen entfernen zu lassen, weil sie sie fälschlicherweise für Fahnen der PKK hielten, doch damit hatten sie keinen Erfolg. Die Teilnehmer an der Demonstration waren hauptsächlich Kurden; an Organisationen waren DIDF und MLKP zur solidarischen Unterstützung gekommen, deutsche Organisationen nicht – überhaupt konnte man die an der Demonstration teilnehmenden Deutschen an den Fingern abzählen. Das ist bedauerlich, doch es darf nicht als Zeichen dafür angesehen werden, dass unterdrückte Menschen in anderen Ländern hier keine Solidarität und Unterstützung finden.
Während der Demonstration wurden Flugblätter an die Passanten verteilt. Wir fragten die Verteiler nach der Reaktion der Menschen und sie antworteten uns, dass sie keine Probleme beim Verteilen gehabt hätten, abgesehen von ein paar rechten Türken, die sie anmotzten. Während des Gesprächs erlebten wir es selbst, dass deutsche Passanten zu den Verteilern kamen und um ein Flugblatt baten. Dennoch war einer Reihe von Demonstrationsteilnehmern anzumerken, dass sie enttäuscht waren über die geringe Zahl der deutschen Teilnehmer und dass sie sich allein gelassen fühlten.
Wir möchten deshalb die Verbindungen aufzeigen, die es zwischen dem Kampf für die Freiheit Öcalans und den Frieden in Kurdistan – die beiden Hauptforderungen der Demonstranten – und dem politischen Kampf in Deutschland gibt. Wir greifen dazu zwei oft gerufene Parolen der Demonstranten auf: „Deutsche Panzer raus aus Kurdistan!“ und „Türkei bombardiert, Deutschland finanziert!“ Abgesehen davon, dass in beiden Parolen die Rolle des deutschen Imperialismus herausgestellt wird, ergibt sich eine deutliche inhaltliche Beziehung zum Kampf in Deutschland. Die Aussagen beider Parolen finden sich nämlich wieder in einer in Deutschland schon seit mehreren Jahrzehnten verbreiteten Parole: „Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt!“ Das macht klar: die Menschen in Deutschland, die gegen den Rüstungsexport kämpfen, unterstützen damit objektiv den Kampf der unterdrückten Menschen in Kurdistan und natürlich auch in anderen Ländern wie z.B. Palästina. Das gleiche gilt für die Menschen in Deutschland, die für den Austritt aus der NATO eintreten. Auch wenn sie nicht an den Demonstrationen der Kurden, der Iraner, der Palästinenser und anderer unterdrückter Menschen aktiv teilnehmen, unterstützen sie objektiv deren Kampf.
„Ein Volk, das seine Freiheit nicht selbst erkämpft hat, wird sie schnell wieder verlieren.“ So äußerte sich sinngemäß Amilcar Cabral, der Führer des Befreiungskampfes in der damaligen portugiesischen Kolonie Guinea-Bissao; ähnlich äußerte sich auch Ho Chi Minh während des Vietnam-Krieges gegenüber Menschen aus anderen Ländern, die dem vietnamesischen Volk mit der Waffe in der Hand im Dschungelkrieg helfen wollten. Er sagte sinngemäß: „Führt in eurem Land den Klassenkampf – damit helft ihr uns am besten.“
Und schon vor fast 100 Jahren wies Karl Liebknecht darauf hin: „Der Hauptfeind steht im eigenen Land!“ Er tat das in einer Situation, als z.B. englische und deutsche Soldaten – viele von ihnen Arbeiter – aufeinander schossen. Nein, nicht der gegnerische Soldat ist dein Feind, obwohl er auf dich schießt – dein (und sein) Feind sind die Kapitalisten, die euch beide aufeinander hetzen.
Damit wird auch klar, dass es nicht nur um das Thema Waffen geht. Alles, was die Kapitalisten in Deutschland schwächt, ist eine objektive Unterstützung des Kampfes der unterdrückten Völker gegen ihre Unterdrücker – und das sind außer der jeweils im betreffenden Land herrschen Machtgruppe die imperialistischen Länder, zu denen auch Deutschland gehört. Das macht dann sogar klar, dass letztlich auch ein Arbeitskampf in einem deutschen Betrieb eine objektive Unterstützung des Kampfes der unterdrückten Völker ist.
Proletarier aller Länder und unterdrückte Völker – vereinigt euch!
Dieses Ziel gilt es zu erreichen. Unserer Meinung nach gibt es aber sowohl bei einigen deutschen Personen, Gruppen oder Initiativen als auch bei Immigranten-Organisationen Vorstellungen, die wir für falsch halten. Bei so manchen Deutschen lässt sich beobachten, dass sie – zu Recht – begeistert sind davon, wie sich z.B. in Griechenland, in Spanien und in anderen Ländern die ausgebeuteten und unterdrückten Menschen zur Wehr setzen; sie blicken dann mit einiger Geringschätzung auf den vergleichsweise geringen Widerstand der Arbeiterbewegung in Deutschland herab, vernachlässigen den Kampf hier und gehen ganz in der Solidarität mit den kämpfenden Menschen in … auf; ja, wir kennen sogar Beispiele, wo geradezu dazu aufgefordert wird, keine Zeit und Kraft hier in Deutschland zu vergeuden, sondern beides lieber einzusetzen für die Solidarität mit … Nun, den Kapitalisten in Deutschland wird es recht sein, wenn diese politischen Kräfte ihnen lästigen Widerstand vom Halse halten und ihn auf andere Ziele lenken.
Eine zumindest leise Kritik ist aber auch an der einen oder anderen Immigranten-Organisation zu üben. In ihr sind oftmals Menschen, die schon in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben. Es ist verständlich und gut, dass sie die Erinnerung an das Herkunftsland aufrechterhalten, doch sie leben hier in Deutschland. Ihr Hauptfeind steht hier in Deutschland, es ist die ausbeutende Klasse, die sie hier bekämpfen müssen; wie schon oben angedeutet, unterstützen sie damit den Kampf ihrer im ursprünglichen Heimatland gebliebenen ehemaligen Landsleute am besten. Doch da sehen wir einige Mängel – deutsche Teilnehmer waren bei der Demonstration in Dortmund kaum vertreten, das sollte sich bessern – und wie steht es bei „deutschen“ Demonstrationen und der Beteiligung von Menschen mit „Migrationshintergrund“ an ihnen? Wir meinen, auch da sollte sich etwas bessern…
Sicher, als Asylsuchender lebt man in Deutschland gefährlich, bei politischer Betätigung drohen Ablehnung des Asylantrags, Abschiebung usw. Doch was ist mit den zahlreichen Menschen, die inzwischen die deutsche Staatsbürgerschaft haben? Sie haben keine anderen Unannehmlichkeiten zu befürchten als „Ur-Deutsche“ auch.
Der Klassenkampf im eigenen Land ist die wirksamste Internationale Solidarität!