Am 14. März 2003 verkündete Bundeskanzler Gerhard Schröder in einer Regierungserklärung: „Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.“ Gegen diese unter dem Namen „Agenda 2010“ geplanten Einschnitte im Sozialbereich gab es bereits am 29. September und am 20. Oktober des gleichen Jahres in zahlreichen Städten „Montagsaktionen“. Diese mündeten in einer zentralen Demonstration in Berlin am 1. November 2003 mit über 100.000 Teilnehmern.
Ab August 2004 begannen in Magdeburg und dann in der gesamten BRD größere Demonstrationen gegen diese Agenda. Sie wurden als „Montagsdemonstration“ bezeichnet.
Auf ihrem Höhepunkt am 30. August 2004 demonstrierten in über 200 Städten mindestens 200.000 Menschen gegen das sogenannte „Hartz IV“-Reformpaket und die damit verbundene Streichung der Arbeitslosenhilfe und ihre Ersetzung durch das neue „Arbeitslosengeld II“.
Um ihre sozialen Einschnitte durchzusetzen versuchte der Staat von Anfang an gegen die Montagsdemos mit allen Mitteln vorzugehen. In Berlin kam es am 20. September 2004 zu einem Übergriff der Polizei auf eine Gruppe von mehreren Tausenden friedlichen Demonstranten, die zum Brandenburger Tor marschierten. Kurz vor Erreichen der Abschlusskundgebung errichtete die Polizei eine Straßensperre und ging in voller Kampfausrüstung, mit Schlagstöcken und Hundestaffeln gegen die Personen – darunter auch Kinder, Frauen und Rentner – vor, die sich schützend vor einen Lautsprecherwagen des „Bündnis Montagsdemo“ stellten. Dieser wurde stundenlang beschlagnahmt. Mehrere Demonstranten wurden in Handschellen abgeführt. Angela Merkel rügte Demonstranten während ihres Wahlkampfauftrittes in Wittenberg, die „Weg mit Hartz IV“ forderten: „Die da schreien, haben meist nichts mitgekriegt in der Schule“.
Um die Montagsdemos zu diskreditieren versuchte die Polizei in Magdeburg Neo-Nazis in die Demonstrationen einzubringen. In Erfurt ist es eine Auflage der Polizei gewesen, dass die Demonstranten einen öffentlichen Platz mit Neo-Nazis teilen mussten.
Montagsdemos waren aber auch Auslöser von Arbeitskämpfen. So gab es in Leverkusen ab Anfang November 2006 den Winter hindurch von „Basisbetriebsräten“ initiierte Montagsdemonstrationen am Haupttor des Bayer-Werkes. Dessen Belegschaft kämpfte gegen Lohnabbau, Arbeitszeitverlängerung sowie die geplante Vernichtung von 600 Stellen durch Auslagerung von Werksteilen nebst Abschiebung von Beschäftigten in Auffanggesellschaften und Leiharbeitsfirmen. Es beteiligten sich bis zu 500 Kollegen, auch aus anderen Betrieben. Die Bundesstraße wurde blockiert und diente nach den Auftaktkundgebungen als Demostrecke bis in die Innenstadt. Mehrfach wurde auch am folgenden Morgen der Berufsverkehr lahmgelegt. Aufgrund des anhaltenden Widerstandes konnte der Konzern sein Ziel nicht erreichen. In Wilhelmshaven wurde mit städtischem Bescheid vom 14. Dezember 2007 die Benutzung des Offenen Mikrofons nur bei mindestens 50 Beteiligten erlaubt, weil „nach erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit bei Durchführung der Veranstaltung unmittelbar gefährdet“ sei. (!)
Am Samstag, dem 2. Oktober 2004, fuhren über 50.000 Menschen größtenteils mit Gewerkschaftsbussen nach Berlin, um für „Soziale Gerechtigkeit statt Hartz IV“ zu demonstrieren. Am Folgetag versammelten sich morgens Montagsdemonstranten zum „Sternmarsch gegen die Regierung“. Mit Transparenten, Schildern, Musikinstrumenten und fahrbaren Lautsprecheranlagen für das „Offene Mikrofon“ bekräftigten sie die Parole „Weg mit Hartz IV – das Volk sind wir!“ Bis zur Abschlusskundgebung auf dem Alexanderplatz wuchs der Marsch auf gut 25.000 Teilnehmer an.
Die Montagsdemo hat eine wechselvolle Entwicklung. Dass sie aber immer noch durchgeführt, wird liegt in der Aufgabenstellung begründet.
Die bundesweite Montagsdemobewegung hatte zur 9. Herbstdemo (2012) gegen die Regierung nach Berlin aufgerufen. Delegationen der Montagsdemonstrationen von Gelsenkirchen bis Hamburg, von Dresden bis Eisenhüttenstadt, von Essen bis Magdeburg hatten sich eingefunden und machten unmissverständlich klar, dass die Hartz-Gesetze vom Tisch müssen.
Die Demonstration zeigte ein vielfältiges Bild der Teilnehmer. Fahnen von IG Metall und ver.di, betriebliche Delegationen von Opel und Ford, aus der Stahlindustrie oder von Werftarbeitern aus Rostock. Der Anti-AKW- Bewegung, vom Frauenverband Courage, MLPD, Mitgliedern der Partei „die Linke“, fortschrittlichen Migrantenorganisationen und vielen anderen.
Genossen von Arbeit&Zukunft diskutierten mit einer Vielzahl von Freunden, Genossen, Bekannten und Montagsdemonstranten. An der Demonstration nahmen auch Vertreter von „Sans Papier“ aus Frankreich teil, einer Organisation von Migranten, die „ohne Papiere“ (sans papier) sind. Sie prangerten auf der Abschlusskundgebung ihre Rechtlosigkeit an.
Trotz alledem: Die Montagsdemos leben weiter!
Ein Video über die 9. Herbstdemo in Berlin ist unter: http://www.youtube.com/watch?v=jVMsoZiO0ok&feature=plcp
anzusehen.