Am 18.10. stirbt der 50jährige André C. an den Folgen seiner Verletzungen in der Berliner Virchow-Klinik. Fünf Tage zuvor war er von vier Kugeln getroffen worden, unter anderem ein Bauchschuss. Ihm wurde auch Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Angeschossen auf dem Boden liegend wurde er mit schwerem Schuhwerk in den Nacken getreten, mit dem Knüppel geschlagen und ein Schäferhund wurde auch noch auf ihn gehetzt.
Die Täter waren fünf Männer und eine Frau. Sie alle sind Beamte der Berliner Polizei.
Dieses unfassbare Tötung wurde durch eine Handyvideo eines Zeugen dokumentiert und ist von der Bild-Zeitung veröffentlicht worden: http://www.youtube.com/watch?v=v8f_QCcHpv4
Was war passiert? André C. ist Maler und hatte kurz zuvor seine Arbeitsstelle verloren. Erst kürzlich war sein Vater und sein 19jähriger Sohn gestorben. In seiner emotionalen Ausnahmesituation flüchtete er in den Alkohol. Offenkundig betrunken irrte er mit zwei Messern und einer Axt durch den Stadtteil Wedding. Anwohner alarmierten die Polizei, doch die versucht nicht die schwierige Lage zu entschärfen, sondern setzt auf unverhältnismäßige Gewalt. Die Schwester von André C. verglich den Einsatz mit einer Hinrichtung.
Vor zwanzig Jahren wären solche Bilder noch unvorstellbar gewesen. Ohne die Vergangenheit romantisch verklären zu wollen, aber es gab auch noch den sogenannten „Freund und Helfer“, eben den Polizisten von nebenan im ockerfarbenem Hemd. Mit den grünen Uniformen sahen sie eher wie Förster aus. Doch heute sind die Uniformen blau bis schwarz und sehen martialisch aus. Mit Schutzweste und allen möglichen Waffen am Gürtel soll nur noch Autorität signalisiert werden. Entsprechend aggressiv ihr Auftreten.
Das brutale Vorgehen ist auch kein Einzelfall, denn das Kapital weiß, dass die Systemkrise sich weiter verschärfen wird. Da sie die Krise nicht lösen können, bekämpfen sie die Menschen, die so nicht weiterleben können. Man kennt die Bilder der brutalen Einsätze der US-Polizei oder das Vorgehen der Polizei gegen die demonstrierenden Arbeiter in Griechenland und Spanien. Nicht verwunderlich, dass CDU-Innenexperte Peter Trapp den Einsatz als „schulbuchmäßig“ bezeichnete und auch für Tom Schreiber von der SPD war das Verhalten der Beamten „richtig und vernünftig“.
Über die Bild-Zeitung gelangte das Video auch in die Fernsehnachrichten. Die Intention ist klar, denn hier wurde nicht empört über das brutale Polizeiverhalten berichtet, sondern die Botschaft war Angst. Man lege sich besser nicht mit der Polizei an. Auch in Deutschland wird es bald die gleichen Bilder wie in Spanien geben und die Polizei wird darauf eingestellt. Der Feind steht im Innern und der Feind sind wir.
Natürlich wird es nicht möglich sein, alle Polizisten für die Kapitalinteressen einzuspannen und letztendlich sind die Polizisten wenige und wir sind viele. Daher bereitet die Regierung weitere Verteidigungslinien für das Kapital vor. Immerhin könnte ja der eine oder andere Polizist bei Demonstrationen doch noch Gewissensbisse bekommen, wenn es heißt auf die „eigene“ Bevölkerung einzuprügeln oder zu schießen. Dafür gibt es dann EUROGENDFOR.
EUROGENDFOR ist eine 3000 Mann starke Sondereingreiftruppe die vom früheren französischen Verteidigungsminister Allioz-Marie geschaffen wurde. Das Kommando sitzt im italienischen Vincenza. Die Truppe ist nicht nur Polizei, sondern auch Kriminalpolizei, Armee und Geheimdienst mit dem Ziel, Aufstände in europäischen Krisengebieten niederzuschlagen. Im Artikel 4 des Gründungsvertrages heißt es zu den Einsatzaufgaben: “Schutz der Bevölkerung und des Eigentums und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beim Auftreten öffentlicher Unruhen”. Diese paramilitärische Einheit setzt sich aus verschiedenen Nationalitäten zusammen, weshalb hier die Gefahr der „Bürgernähe“ weitestgehend ausgeschlossen ist.
Das System in den USA nimmt immer mehr faschistische Formen an. Bekannt ist hier die Homeland Security. Doch wer nun glaubt, dass diese Form staatlichen Heimatschutzes nur in den USA existiert, der irrt. Recht unbemerkt von der Öffentlichkeit hat die Bundeswehrführung eine „Heimatarmee“ geschaffen, die sich aus Reservisten zusammen setzt. Bundesweit umfaßt sie zur Zeit 5.292 Mann. Insgesamt sind es 441 Kommandos zu jeweils zwölf Soldaten, aber die können natürlich mit weiteren Reservisten aufgestockt werden.
Die Bundeswehrzeitschrift Y zitierte den damaligen Minister Franz Josef Jung: „Die flächendeckende Einführung der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit im Inland stellt sicher, dass die Bundeswehr in unsrer Heimat jederzeit und an jedem Ort unseres Landes Hilfe und Unterstützung leisten kann.“
Die Zivil-Militärische Zusammenarbeit (ZMZ) gliedert sich in ZMZ Inneres und ZMZ Äußeres. Gerade die ZMZ Inneres wurde auf dem G8 Gipfel 2007 in Heiligendamm und dem Nato Gipfel 2009 in Kehl und Straßburg deutlich, denn hier hatte die Bundesregierung in einer Anfrage nicht ausgeschlossen, dass ZMZ-Kommandos zum Einsatz kommen. Selbst der Militäreinsatz anlässlich von Streiks im Transport-, Energie- oder Gesundheitswesen sowie bei der Müllabfuhr wird nicht ausgeschlossen. Dabei besagt der Artikel 35 des Grundgesetzes, dass die Bundeswehr nur „Hilfe bei einer Naturkatastrophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfall“ geben darf.
Doch über eine angebliche Terrorgefahr sollen polizeiliche Aufgaben konstruiert werden. Dies ist treffend in den Verteidigungspolitischen Richtlinien festgelegt:
„Zum Schutz Deutschlands und seiner Bürgerinnen und Bürger leistet die Bundeswehr künftig einen bedeutenden, zahlreiche neue Teilaufgaben umfassenden und damit deutlich veränderten Beitrag im Rahmen einer nationalen Sicherheitskonzeption. (…) Zum Schutz der Bevölkerung und der lebenswichtigen Infrastruktur des Landes vor terroristischen und asymmetrischen Bedrohungen wird die Bundeswehr Kräfte und Mittel entsprechend dem Risiko bereithalten. Auch wenn dies vorrangig eine Aufgabe für Kräfte der inneren Sicherheit ist, werden die Streitkräfte im Rahmen der geltenden Gesetze immer dann zur Verfügung stehen, wenn nur sie über die erforderlichen Fähigkeiten verfügen oder wenn der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie kritischer Infrastruktur nur durch die Bundeswehr gewährleistet werden kann. Grundwehrdienstleistende und Reservisten kommen dabei in ihrer klassischen Rolle, dem Schutz ihres Landes und ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger, zum Einsatz.“ (21.5.2003)
Jeder der sich gegen die Interessen und die Herrschaft des Kapitals stellt kann des Terrorismus beschuldigt werden. In einer schweren Krise, in der die Macht des Kapitals bedroht ist, wird es zum Terror gegen das Volk greifen und eine Phalanx aus Polizei, Spezialeinheiten und Militär auffahren. (JT)
Noch ein Video bei youtube:
http://www.youtube.com/watch?v=zfJdTHYUqwI&feature=player_embedded