22. September, Frankfurt / Main: Der Gewerkschaftspolitische Ratschlag – kämpferisch und selbstkritisch!

22.-23. September, Frankfurt: Gewerkschaftspolitischer RatschlagGroß und leuchtend rot ist das Transparent. „10 Euro Mindestlohn lohnsteuerfrei! – Gewerkschaftslinke!“! Ein kleineres weißes, rechts daneben, trägt die Parole „Unbezahlte Arbeit ist Diebstahl!“ von der Vertrauenskörperleitung der „Zentrale DaimlerChrysler Stuttgart“ (so alt ist das schon!), links ein kleines rotes Banner mit der 35-Stundenwochen-Sonne der IG Metall aus den 80iger Jahren. Vergangenheit, Aktualität, Zukunft! Die Gewerkschaftslinke muss und will sich auf ihrem gewerkschaftspolitischen Ratschlag positionieren!

Die 3 Banner schmückten am 22. und 23.September 2012 den großen Saal im Frankfurter Gallushaus, in dem einst der historische Ausschwitzprozess stattfand. Ca. 120 Kolleg/innen aus den verschiedensten Gewerkschaften des DGB, mehrheitlich allerdings aus IG Metall und ver.di, hatten hier zusammengefunden, um sich mit Herausforderungen auseinanderzusetzen, denen sie sich in der aktuellen Krise ausgesetzt sehen.

Krise in doppelter Bedeutung, so eine der ersten Thesen der Konferenz: nicht nur die tiefgreifende Wirtschafts- und Finanz-, Öko- und Ernährungskrise. Zum anderen eben auch die offensichtliche Krise der Gewerkschaften selbst: Gesunkene Kampfkraft, (in reformistischer Formulierung hier oft noch als „Gestaltungsmacht“ bezeichnet), während die Mitgliederverluste in den letzten 20 Jahren in den Gewerkschaften weder gestoppt, noch ausgeglichen werden konnten.

Veranstalter waren die Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken; das Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di; die ver.di Linke; die Internetplattform LabourNet Germany (http/:www.labournet.de); die Redaktion express/AFP e.V.; die AG Betrieb und Gewerkschaft der Partei Die Linke; das Forum Gewerkschaften der Zeitschrift Sozialismus sowie die DKP AG Betrieb und Gewerkschaft.

Die lebendigen, zum Teil kontroversen Diskussionen drehten sich im Wesentlichen um folgende Themenbereiche:

 

Endlose Krise des Kapitals

 

Den Diskussionsimpuls setzte das hier Referat von Prof. Frank Deppe, dem Marburger Sozialwissenschaftler. Er setzte einige interessante Akzente. Aber er blieb am Ende trotz recht radikal formulierter Thesen doch immer wieder in der Konsequenz reformistisch. Etwa, wenn er lobend die brasilianische Präsidentin Dilma Roussef zitierte, die zu den Krisenmaßnahmen der EU, zu deren maßlosen Angriffen auf die Arbeiterklasse, auf dem Weltsozialforum in Porto Allegre den Delegierten zurief: „Genossen, wir in Brasilien kennen diese Geschichte aus den achtziger und neunziger Jahren! Heute werden diese gescheiterten Rezepte in der EU vorgeschlagen.“ Was macht Frau Roussef heute anderes, als Brasilien zu einer aufstrebenden kapitalistischen Nation mit zumindest regionalem Herrschaftsanspruch zu formen, die nicht zuletzt die andern Spieler auf dem kapitalistisch –imperialistischen Weltmarkt herausfordern kann?

Oder wenn er leicht resignierend als möglichen Weg aus der Krise „kleine alternative links-Keynesianische Konzepte, über die man nachdenken könnte“ anregte. Was ist das anderes als Konjunkturprogramme in der Krise, antizyklisch, das bekannte Programm?

Trotzdem: Er empörte sich mit allen Anwesenden über die Ignoranz und Arroganz der Gewerkschaftsführungen. Heftige Kritik übte die Konferenz entsprechend an der Unterstützung der DGB-Führung für die Politik der „Euro-Rettung“ auf Kosten der Beschäftigten und Erwerbslosen. Frank Deppe unter großem Beifall: „Es ist eine Schande, wie sehr in den Spitzen der deutschen Gewerkschaften das Elend in den südeuropäischen Gesellschaften ignoriert wird.

In der Diskussion übten viele Redner heftige Kritik an der Unterstützung der DGB-Führung für die Politik der „Euro-Rettung“ auf Kosten der Beschäftigten und Erwerbslosen. Mittels einer förmlichen „Fiskaldiktatur“ würden die Interessen der der BRD und anderer reicher Länder den Ländern des EU-Südens aufgezwungen. In den DGB Gewerkschaften dominiere eine Politik der Klassenzusammenarbeit („Krisenkorporatismus“). Die Gewerkschaftsführungen versuchten so, die kapitalistische Krise gemeinsam mit Konzernen und Regierung zu überwinden – zu Lasten der Beschäftigten, vor allem auch der Kolleg/innen in den anderen Ländern.

Frank Deppe wies erfreulicherweise darauf hin, dass die „nicht enden wollende Krise“ die Systemfrage auf die Tagesordnung setze, und zwar sowohl für die Herrschenden wie auch für die Beherrschten und Ausgebeuteten. Dies sei für die Gewerkschaftslinke wie auch die gesamte Gewerkschaftsbewegung deshalb auch legitim.

(Aber – Anmerkung der Redaktion: Heißt die Systemfrage zu stellen, nicht eigentlich Revolution?)

Es sei laut Deppe nicht so schwer, eine Vermittlung herzustellen zwischen der Frage des kapitalistischen Systems und den Alltagsbedürfnissen der Menschen. Ein gutes Leben, eine gute Arbeit verlange es, die Systemfrage zu stellen. (Anmerkung der Redaktion: Die Erklärung unserer Zeitung und unserer Organisation „Arbeit, Wohnung Auskommen und gleiche Rechte für alle!“ (Arbeit Zukunft 5/2012)stellt die Systemfrage.)

 

Prekäre Beschäftigung – Herausforderung an alle Gewerkschafter/innen

 

Ein Fünftel bis ein Viertel der Beschäftigten zählt zu diesem Bereich. So berichtete die Arbeitsgruppe, die sich am Sonntag mit diesem Thema befasste, an das Plenum. Wichtige Merkmale der meisten prekär beschäftigten: Jung, weiblich, Migrationshintergrund, neue Bundesländer. Prekäre Arbeit führe zu tiefgreifender Spaltung der Arbeiterklasse! In zahlreichen Beiträgen setzten sich Redner während des ganzen Ratschlags mit der Leiharbeit auseinander und dieser unterstützte schlussendlich die Unterschriftenaktion zum Verbot der Leiharbeit und des Werkvertragsbetrugs, die der Metallertreff in Stuttgart gestartet hat.

 

Eine Tarifpolitik, die den Reallohnabbau stoppt

 

Die Lage an der Tariffront ist gekennzeichnet durch laufende Erosion der Tarifverträge, durch Tarifflucht der Arbeitgeber, durch die Auswirkungen der prekären Beschäftigung, bei der Tarifverträge nicht gelten. Entsprechend wurde in zahlreichen Beiträgen gefordert, endlich wieder die Verteilungsfrage in der Tarifpolitik und damit auch in der Gesellschaft auf die Tagesordnung zu setzen!

Scharf kritisierte der Ratschlag, dass IG Metall und ver.di in der letzten Tarifrunde nicht gemeinsam gekämpft, nicht ihre von großer Kampfbereitschaft geprägten Tarifbewegungen zusammengefasst hätten. Allein das hätte dem Kampf gewaltiges politisches Gewicht verliehen und das politische Mandat der Gewerkschaften wieder deutlich gemacht.

Auch seien Strukturforderungen, die die Tarifstruktur zu Gunsten der unteren Entgeltgruppen verändern, vielfach gefordert, populär und zumindest bei ver.di auch als Tarifforderung aufgestellt worden. Trotzdem seien sie in der Tarifrunde von der ver.di Führung einfach fallen gelassen worden.

 

Wirksamer Kampf für Arbeitszeitverkürzung – zentrales Instrument im Kampf gegen Erwerbslosigkeit!

 

Den Hintergrund einer kämpferischen Arbeitszeit-Politik bilden die Massenarbeitslosigkeit, die Unterbeschäftigung und die „krebsartige Ausbreitung der prekären Beschäftigungen“.

Neben dem Zwang, kurze Arbeitszeiten z. B. Minijobs zu akzeptieren, stehen die zahllosen Formen, die Arbeitszeit zu verlängern: Kürzungen der Schulausbildung, Erhöhung des Rentenalters und all die täglichen, wöchentlichen Arbeitszeitverlängerungen bis hin zu extrem langen Arbeitszeiten oder bis zum Betrug mittels der so genannten Vertrauensarbeitszeit, bei der eine Kontrolle der Arbeitszeit völlig unterbleibt. Der Durchschnitt der Arbeitszeit liege in Deutschland zwar bei etwa 30 Stunden! Aber sie sei eben extrem unterschiedlich verteilt!

Zugleich wirkt sich hier die ungeheure Produktivitätssteigerung der letzten Jahrzehnte aus. Sie mache immer mehr Menschen in Produktion, Verteilung und Verwaltung überflüssig, während die Verbleibenden immer länger arbeiteten.

„Klassenkampf von Oben“ trifft die Sache, so ein Kollege in der Diskussion. Es geht um die Macht, Umverteilen zu Gunsten der Reichen ist Alltag.

Hier zeigt sich – so etliche Redner – auch die Schwäche der Gewerkschaften. Weder wird das Problem in den Gewerkschaftsführungen ernst genommen, noch würden dazu Konzepte oder Forderungen entwickelt.

Der Ratschlag unterstrich, dass der Kampf um die kollektive Verkürzung der Arbeitszeit wieder auf die Tagesordnung gehöre, sowohl die Forderung nach der Verteidigung und Durchsetzung der 35-Stunden-Woche als auch die weitere Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn und Personalausgleich.

 

Die Angriffe der Arbeitgeber in Deutschland auf das Streikrecht sind keineswegs erledigt!

 

Der Ratschlag griff die Angriffe der letzten Zeit gegen das Streikrecht auf, was ein großes Verdienst ist! Es sei nicht davon auszugehen, dass die gescheiterten Versuche des Bundes Deutscher Arbeitgeber (BDA) erledigt sind, in skandalöser Zusammenarbeit mit dem DGB. Unter dem Motto „Tarifeinheit“ (nur ein Tarifvertrag im Betrieb, nur eine Gewerkschaft dürfe überhaupt im Betrieb streiken) versuchte der BDA, das Streikrecht noch weiter einzuschränken. Die Sache wurde nur zurückgestellt.

Es sei ein Verdienst der Gewerkschaftslinken, dieses Projekt gestoppt zu haben, zumindest dabei mitgewirkt zu haben. Hier zeige sich auch, dass diese Bewegung wichtig sei und auch Erfolge erzielen könne.

Dürfen Gewerkschafter/innen überhaupt für ihre Interessen eintreten?! Wie kann das Streikrecht verteidigt werden? Wer das politische Streikrecht fordere, müsse überhaupt streiken, dieses Menschenrecht aktiv wahrnehmen.

Aber das Streikrecht wird in Deutschland nicht als Grundrecht, als Menschenrecht gewertet, sondern nach den Plänen der Kapitalvertreter gerade mal als „Werkzeug“ der jeweils anerkannten Gewerkschaft im Betrieb kontrolliert erlaubt. Unter welchen Voraussetzungen ist Streiken den Belegschaften, der Masse der Arbeiter/innen und Angestellten dann überhaupt erlaubt?

Am 20.03.2012 wurde bereits ein Gesetzesvorschlag publiziert – von einigen Professoren, die dann in ihrem § 2 Streiks in Bereichen der Daseinsvorsorge verbieten wollen! Dazu sei ihre Definition der „Daseinsvorsorge“ sehr weit gefasst! Sogar Verkehrsbetriebe gehörten dazu!! Oder aber, es würden Streiks nur dann zugestanden, wenn sie „ohne Auswirkungen“ blieben(!!), entsprechend werden Schadenersatzforderungen anvisiert bzw. wird „Verhältnismäßigkeit“ beim Streiken gefordert.

Das Streikrecht ist in der BRD bedroht wie lange nicht mehr. Gerade die Streiks der kleineren Fachgewerkschaften wie GDL oder UFO haben diese Diskussionen hervorgetrieben, und der gewerkschaftspolitische Ratschlag fordert von allen Verantwortlichen des DGB, diese Pläne zu bekämpfen, statt dabei mitzumachen.

Durchaus bemerkenswert war die Rede Bernd Riexingers, des Vorsitzenden der Partei Die Linke, der zugleich auch zu den Begründern der heutigen Bewegung der Gewerkschaftslinken gehört. Er ging nicht auf seine neue Rolle als Parteivorsitzender ein, sondern sprach eindringlich genau zu den Fragen des Ratschlags.

Er schloss sich in vielem der deutlichen Kritik an der DGB-Führung an. Der ehemalige Stuttgarter ver.di-Geschäftsführer übte aber auch an der Gewerkschaftslinken deutliche Kritik. Sie müsse „an den tatsächlichen Kämpfen in den Gewerkschaften und Betrieben anknüpfen“. „Wenn Ihr hier um jede Formulierung und jedes Komma in den Dokumenten kämpft – verteilt Ihr das Material überhaupt bei Euch im Betrieb?

Riexinger forderte, keinen Voluntarismus zu betreiben. Die gewandelte gewerkschaftliche Realität müsse verstanden werden: Die Industrie sei derzeit bei den Kämpfen der Gewerkschaftsbewegung zur Minderheit geworden. Immer mehr Auseinandersetzungen liefen im Dienstleistungsbereich: Streiks der Verkäuferinnen in Stuttgart, bei Erzieherinnen, im Reinigungsgewerbe, im Bewachungsgewerbe, die richtungsweisenden Kämpfe an der Charité in Berlin um tarifliche Festlegung von Mindestbesetzungen der Krankenstationen.

Und: Die Gewerkschaft sei weiblicher geworden!

Stets und ständig habe man die öffentliche Meinung gewinnen müssen.

Diese Bewegungen muss die Gewerkschaftslinke fördern, diese Erfahrungen muss sie bundesweit verbreiten, wo auch immer diese Erfahrungen verallgemeinerbar sind.“ Riexinger warb für eine Konferenz dazu in Stuttgart im März 2013.

Es seien inzwischen glücklicherweise immer mehr junge Leute da, die experimentierten!! Bei ver.di, weniger bei der IG Metall, entstünden neue Strukturen!

Zum Abschluss zitierte Riexinger Rosa Luxemburg: „Sagen, was ist – das ist die revolutionärste Tat!“ Das hat er wohl mit seiner kritischen Rede tun wollen, und das ist sicher ein Kapitel, dem die Gewerkschaftslinke sich stellen muss: Wo stehen wir wirklich, wie sieht unsere Bewegung wirklich aus?

Zu Beginn seiner Rede hatte Riexinger auch hier schon klare Kante gezeigt: „Die Gewerkschaftslinke ist eher schwächer geworden … In gewerkschaftlichen Kämpfen ist unser Einfluss klein. Es war die Linke, die einst die 35-Stundenwoche durchsetzungsfähig gemacht hat. Heute geht das nicht mehr…“.

Der Beifall hielt sich in höflichem Rahmen. Zu deutlich war die Kritik, die allerdings auch selbstkritisch herüberkam. Zu heftig die Ermahnung, man sei nicht nah genug an der Basis und am Geschehen im realen Klassenkampf.

Wie soll man es deuten, dass Bernd Riexinger sich gegen Voluntarismus ausspricht? Derzeit kein Kampf gegen Leiharbeit und Werkvertragsbetrug oder für die 30-Stundenwoche? Entsprechend deutlich wurde die Kritik, auch daran, dass Bernd Riexinger den Ratschlag kurz nach seiner Rede wieder verließ und sich damit der wichtigen Diskussion entzog, sei es nun bewusst oder aus Termindruck.

Am Sonntag wurde nach kollektiver Beratung im Plenum die Erklärung verabschiedet, die wir im Kasten dokumentieren. Sie stellt einen deutlichen Fortschritt gegenüber früher dar, aber auch sie muss sich in den Auseinandersetzungen in Betrieben und Gewerkschaften erst noch bewähren. Mit ihrer klaren Positionierung in den angesprochenen Themenfeldern ist sie eine wichtige Richtschnur in vielen Kämpfen. Mit ihrer Unterstützung der Kampagne „Verbot der Leiharbeit und von Werkvertragsbetrug“ hat diese weitere wichtige Unterstützer/innen hinzugewonnen.

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Gewerkschaftspolitischer Ratschlag 22.-23. September 2012 in Frankfurt

 

Die beim gewerkschaftspolitischen Ratschlag (22.23. Sept. 2012) in Frankfurt versammelten KollegInnen und Kollegen aus den verschiedenen DGB-Gewerkschaften haben sich mit den aktuellen Herausforderungen auseinandergesetzt, vor denen die Gewerkschaften in der Krise stehen. Gewerkschaften in der Krise in doppelter Bedeutung: Zum einen, weil es sich nicht nur um eine tiefgreifende Wirtschaftskrise handelt, es ist auch eine ökologische Krise, eine Ernährungskrise usw. Zum anderen, weil ganz unübersehbar die Gewerkschaften – auch in der Bundesrepublik – selbst in der Krise sind: Ihre faktische Gestaltungsmacht ist gesunken. Die Mitgliedsverluste der letzten 20 Jahre in den meisten Einzelgewerkschaften sind nicht gestoppt, geschweige denn wieder ausgeglichen.

Zweifellos gibt es objektive, gesellschaftliche Gründe, die zum Bedeutungsverlust beigetragen haben (Änderungen in der Zusammensetzung der ArbeiterInnenklasse, weniger Großbetriebe, Ausgliederungen von Betrieben usw.). Ganz wesentlich aber erscheint uns die seit Jahren praktizierte Politik des Stillhaltens, der Konfliktvermeidung und oft auch des Co-Managements. Die Gewerkschaften sind auf diese Weise sehr weit von einer Position der Gegenmacht abgerückt.

Dies erweist sich vor allem bei folgenden Fragen:

• In der Frage der Euro-Krise vermissen wir bei den Gewerkschaftsführungen eine klare Positionierung internationaler Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen in den südeuropäischen Ländern, die unter der grausamen Sparpolitik der Troika leiden. Stattdessen haben die Gewerkschaftsführungen sogar an die Bundestagsabgeordneten appelliert, dem Stabilitätspakt zuzustimmen, der genau diese Politik fortsetzt und verschärft. Das halten wir für skandalös. Wir engagieren uns für eine breite internationale Solidaritäts- und Widerstandsbewegung gegen die Politik der Troika und werden uns dafür einsetzen, dass europaweite Aktionstage auch hier eine breite Beteiligung erfahren.

• Wir begreifen prekäre Beschäftigung als Herausforderung an alle GewerkschafterInnen. Sie ist eine Bedrohung und ein Druckmittel auf alle Beschäftigten. Speziell die Leiharbeit müsste unmöglich gemacht werden, was mit Bezug auf den Grundsatz „Equal pay and equal treatment“ (gleicher Lohn und gleiche Behandlung für gleichwertige Arbeit) eigentlich leicht zu machen wäre. Aber die Gewerkschaften haben ihre Unterschrift unter Leiharbeitstarifverträge gesetzt, was diesen Grundsatz unterläuft und den Kampf der Gewerkschaften gegen Billiglöhne und Leiharbeit politisch völlig unglaubwürdig macht. Wir machen uns für die Abschaffung der Leiharbeit stark.

• Wir setzten uns dafür ein, den fortgesetzten Reallohnabbau zu stoppen und die Verteilungsfrage neu zu stellen. Wir erwarten dies auch von unseren Gewerkschaftsvorständen. Allerdings haben Ver.di und IG Metall es auch dieses Jahr versäumt, ihre Tarifrunden offensiv zu führen, miteinander zu verschränken und zu einer politischen Auseinandersetzung zu machen. Wir engagieren uns für eine aktive Tarifpolitik und wollen Armut und Reichtum zum Thema der gesellschaftlichen Auseinandersetzung machen. Dabei scheuen wir uns auch nicht, die Systemfrage zu stellen.

• Wir betrachten die Arbeitszeitverkürzung als ein zentrales, wenn nicht das zentrale Instrument im Kampf gegen Erwerbslosigkeit und Unterbeschäftigung und erwarten eine solche Haltung auch von den Gewerkschaftsführungen. Wir sind uns bewusst, dass es keine einfache Aufgabe ist, aber wir setzen uns dafür ein, den Kampf für Arbeitszeitverkürzung in großen Schritten bei vollem Personal- und Entgeltausgleich wieder aufzunehmen und wollen entsprechende Initiativen in den Gewerkschaften vorantreiben. Nur über eine massive Arbeitszeitverkürzung und die dadurch zu erzwingende Neueinstellung von Erwerbslosen können die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse nachhaltig verändert werden.

• Das Streikrecht ist bedroht, u. a. durch die Aktivitäten des Kapitalverbandes BDA, der dies durch Gesetzesänderungen massiv einschränken will. Hier darf keine Gewerkschaft mitspielen! Und: Wegducken hilft nicht. Vor allem das politische Streikrecht wird in Zukunft immer wichtiger werden und wir werden es nur dann durchsetzen, wenn wir das Streikrecht praktisch in Anspruch nehmen, also nicht Streiks vermeiden, sondern so oft und so intensiv wie möglich auch real wahrnehmen.

• Die Gewerkschaften müssen sich mehr der Jugend öffnen und sich flexibler zeigen, um sie zum aktiven Engagement zu ermutigen.

Die an dem Ratschlag beteiligten Organisationen, Arbeitsgemeinschaften und Netzwerke sprechen sich ausnahmslos dafür aus, ihre Zusammenarbeit zu intensivieren. Dabei wollen wir in nächster Zeit unsere Initiativen untereinander absprechen, um sie möglichst wirksam voranzubringen. Dazu werden wir uns zu verschiedenen Kampagnen verabreden, die wir gemeinsam in den verschiedenen Einzelgewerkschaften einbringen wollen. Wir unterstützen die Kampagne zur Abschaffung der Leiharbeit sowie zur Einführung eines Mindestlohns von 10 Euro lohnsteuerfrei.

Wir laden alle Gruppen, Organisationen und einzelnen KollegInnen, die sich als kritische, linke GewerkschafterInnen verstehen, ein, sich mit uns in Verbindung zu setzen und mit uns gemeinsam ein breites Netzwerk aktiver GewerkschafterInnen aufzubauen, um gegen die vorherrschende Stillhaltepolitik einer Politik aktiver Gegenmacht zum Durchbruch zu verhelfen.

Zur Kontaktaufnahme: HKroha@t-online.de

Frankfurt, den 23. September 2012