29.9.12: Umfairteilen

Bochum

29.9.12, Bochum: Umfairteilen - reicht nicht!„Wir werden immer mehr!“

Ich hatte 200 Flugblätter eingepackt und unsere letzte Zeitung, als ich mich auf den Weg nach Bochum machte. Dort war am Hauptbahnhof der Treffpunkt für die Demonstrationsteilnehmer. Ich war schon eine Stunde vor dem offiziellen Beginn da, war aber nicht der erste. Fahnen von ver.di, der Linkspartei und anderen Organisationen machten schon auf die bevorstehende Großdemonstration aufmerksam. Ich packte meine Flugis aus und konzentrierte mich beim Verteilen auf die etwas ratlosen Passanten und Reisenden, denen wir im Weg standen, von denen aber viele das Flugblatt gern nahmen und sich bedankten.

Kurz vor 12 Uhr ging es dann ein paar hundert Meter weiter zum eigentlichen Platz der Auftaktkundgebung. Ich war etwas enttäuscht, denn der Zug war nicht sehr lang. „Na ja, so ist das eben“, dachte ich, „mach das Beste daraus“ und packte wieder die Flugis aus. Ich ging zum Ende des Zuges, um möglichst „normale Passanten“ beim Verteilen zu erwischen, und stellte nach einiger Zeit fest, dass immer wieder Grüppchen von Demonstranten kamen. Als ich daraufhin zum Bahnhof zurückblickte, sah ich von dort noch einen gar nicht enden wollenden Zug von Menschen, Fahnen und Transparenten kommen.

„Wir werden immer mehr!“ dachte ich erfreut.

Es waren insgesamt sogar nach Polizeiangaben gut 5000 Teilnehmer, was ich nach dem stockenden Anfang nicht mehr zu hoffen gewagt hatte. Zahlreiche sich antikapitalistisch bzw. sozialistisch oder kommunistisch verstehende Organisationen waren vertreten, allerdings hatten auch SPD und Grüne einen Stand, die man ja nun wirklich nicht als antikapitalistisch oder gar noch anders bezeichnen kann. Der Bundestagswahlkampf wirft seine Schatten voraus und jeder weiß, dass SPD und Grüne gern möchten, dass die Werktätigen und die anderen unter den Folgen des Kapitalismus leidenden Menschen von ihren Stiefeln in den Arsch getreten werden und nicht mehr von denen der CDU/CSU und FDP. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie da bei den übrigen Teilnehmern als Rattenfänger große Erfolge haben werden…

Internationale Teilnehmer waren ebenfalls anwesend, z.B. aus Spanien und Mexiko. Eine spanische Musikgruppe gab einen kurzen Bericht über die „Sparpolitik“ in ihrem Heimatland und die Prügelmethoden, mit denen die Polizei sie durchzusetzen versucht.

Die Demonstration zog nach der Auftaktkundgebung durch die Stadt zum Schauspielhaus, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Ein Passant „mit Migrationshintergrund“ fragte mich nach dem Sinn der Demonstration. Wir unterhielten uns darüber, er verstand auch das Wortspiel „Umfairteilen“ und schlussfolgerte: „Da müsste ich ja eigentlich mitmachen“ – sprach`s und reihte sich in den Demonstrationszug ein.

Die ganze Aktion – nur eine von mehr als 40 an diesem Tag in Deutschland – war meiner Meinung nach ein großer Erfolg. Einen kleinen Seitenhieb kann ich mir in eine bestimmte Richtung aber doch nicht verkneifen. Ich hörte, wie einer der Teilnehmer seinen Bekannten fragte: „Wo ist denn das Fahnenmeer der IG Metall?“ Tja, und der konnte ihm dann tatsächlich eine Fahne zeigen…


Stuttgart

Stuttgart, 29.9.12: Protest gegen Polizeiterror am 30.9.10In Stuttgart gab es am 29.9.12 eine gemeinsame Demonstration des Aktionsbündnisses „Umfairteilen“ und des Bündnisses gegen S21. Denn der 30.9. ist der zweite Jahrestag des brutalen Polizeieinsatzes zur Räumung des Schlossgartens. Da gab es neben dieser Demonstration viele Aktionen – auch am 30.9.12. Mit deutlich über 10.000 Teilnehmern war der Demonstrationszug riesig. Dominiert wurde er von der Bewegung gegen S21, die in Stuttgart noch jede Woche 2.000 bis 5.000 Menschen, manchmal sogar mehr, zur Montagsdemonstration auf die Straße bringt. Die Wut auf die Landesregierung steigt ständig, weil sie den Protest weiterhin kriminalisiert, nichts gegen S21 und die zahllosen Betrügereien und illegalen Aktionen der Bahn unternimmt. Hinzu kommt, dass sich diese Regierung immer mehr entlarvt. So soll der Landehaushalt jetzt „saniert“ werden, indem Beamtengehälter gekürzt und Lehrerstellen gestrichen werden. Damit wird das Gesülze von „mehr Bildung“ im Wahlkampf und im Koalitionsvertrag als Lüge offenbar. So war es auch passend, den Protest gegen Stuttgart21 und die Sparpolitik zu verbinden.

Wir hatten ein zweiseitiges Flugblatt. Auf der einen Seite war unser zentrales Flugblatt „Die Reichen werden immer reicher“, auf der Rückseite war ein Aufruf zur Blockade der für den 6. Oktober angekündigten Nazidemonstration in Göppingen. Wir verteilten vor allem an die Bevölkerung. Immer wieder gab es positive Kommentare. Die Überschrift lockte manchen dazu, das Flugblatt zu lesen.

Kurios und entlarvend waren die Polizeipressemeldungen zur Demonstration. Zuerst meldete die Polizei „nur 2.000 Teilnehmer“, was verschiedene Zeitungen sofort auf ihren Internetseiten verbreiteten. Später korrigierte sie sich auf 5.000 und war damit weit entfernt von der Realität. In Stuttgart ist dieses Spiel allerdings schon bekannt. Ständig ist die Polizei bemüht, die Teilnehmerzahlen herunterzurechnen, mindestens auf die Hälfte. Man will so den Widerstand gegen das Milliarden-Spekulationsprojekt S21 klein reden. Dummerweise ist die Realität hartnäckig und die Demonstranten sind es auch.


Köln

Mehr als 4.000 kamen zu einer eindrucksvollen Demonstration zusammen. Vor allem Jugendliche waren dabei. Bei der Auftaktkundgebung sprach eine Vertreterin der Occupy-Bewegung, die in Köln ein großes Potential hat.